News
Mussie Zerai mit dem Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL geehrt
Der katholische Priester Father Mussie Zerai hilft seit über zehn Jahren Flüchtlingen in Seenot. Seine Telefonnummer wird in die Wände von libyschen Gefängnissen geritzt – tausendfach wurde sie bereits angerufen, von verzweifelten Menschen in Lebensgefahr. Am Samstag hat Zerai für sein Engagement nun den Menschenrechtspreis von PRO ASYL erhalten.
Selbst als Jugendlicher aus Eritrea nach Italien geflohen, kam Mussie Zerai 2003 in Kontakt mit Landsleuten, die auf dem Weg nach Europa waren und in einem libyschen Gefängnis festsaßen. Er hinterließ ihnen seine Handynummer, seitdem verbreitet sie sich unter Flüchtlingen.
Unzählige Male hat Father Mussie Zerai inzwischen die Koordinaten eines Bootes aufgeschrieben und an die italienische Küstenwache weitergegeben, um die Rettung in die Wege zu leiten. Tausende Menschen haben ihm ihr Leben zu verdanken.
»Mussie Zerai ist ein Lebensretter, ein Vorkämpfer für Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit.«
Zusätzlich hat er in Italien mit der »Agenzia Habeshia« auch eine Hilfsorganisation gegründet. Wenn ein Schiff nicht gerettet werden konnte, bleibt er weiterhin aktiv und geht mit seiner Organisation in die Öffentlichkeit, um Druck auf die Verantwortlichen aufzubauen. »Ich habe gemerkt, dass ich nicht nur die kleinen Feuer löschen kann, sondern dass ich den ganzen Brand löschen muss«, sagte Zerai in einem Interview als Begründung, über die reine Notfallhilfe hinaus politisch aktiv zu werden.
»Ich möchte meine Stimme für die Menschen erheben, die keine Stimme haben.«
Die PRO ASYL – Hand: Der Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL
Für sein Engagement erhielt Mussie Zerai nun den Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL, die PRO ASYL – Hand. Seit 2006 verleiht die Stiftung PRO ASYL diesen, mit 5.000 EUR dotierten, Preis. Ausgezeichnet werden Personen, die sich in herausragender Weise für die Achtung der Menschenrechte und den Schutz von Flüchtlingen einsetzen.
»Mussie Zerais herausragendes Engagement geht weit über humanitäre Einzelhilfe hinaus. Jeder fehlgeschlagene Rettungsversuch ist für ihn Anlass, öffentlich die Stimme zu erheben und Politiker in Europa an ihre Verpflichtung zum Flüchtlingsschutz zu erinnern.«
Bei der diesjährigen Preisverleihung am Samstag, den 17.09.2016, in Frankfurt am Main ging es aber nicht nur um die Verdienste des Preisträgers, sondern auch um die aktuelle Situation.
Kritik an der europäischen Politik
Während Mussie Zerai die Notrufe verzweifelter Flüchtlinge entgegennimmt, wird in Brüssel und Straßburg endlos darüber verhandelt, wie man die Menschen am effektivsten an der Flucht über das Mittelmeer hindern könne.
»Europa zahlt afrikanischen Despoten Geld, damit sie die schmutzige Arbeit für die EU verrichten.«
Mussie Zerai ging in seiner Dankesrede darauf ein und kritisierte, dass die Europäische Union nach dem Vorbild des EU-Türkei-Deals weitere Partnerschaften, unter anderem mit Ländern wie Sudan oder Eritrea, plane. Europa zahle dabei Geld an afrikanische Despoten, damit sie die schmutzige Arbeit verrichteten.
Eindringlich warnt Zerai vor einer Zerstörung des europäischen Traums, eine Oase für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit zu sein. Auch deshalb ist sein unermüdlicher Einsatz so wichtig, denn er erinnert die verantwortlichen Politiker*innen fortwährend an ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen.
»Das Massensterben der Flüchtlinge an Europas Außengrenzen ist kein Unglück, sondern das direkte Ergebnis europäischer Politik«
Auch Laudator Maximilian Popp, der das Engagement von Mussie Zerai würdigte, ging auf diese Politik ein: »Das Massensterben der Flüchtlinge an Europas Außengrenzen ist kein Unglück, sondern das direkte Ergebnis europäischer Politik. Das Grundgesetz und die europäische Grundrechtscharta versprechen Menschen, die vor Krieg oder Verfolgung fliehen, Schutz. Doch die EU-Mitgliedstaaten torpedieren dieses Recht seit Jahren. Wer in Europa Asyl beantragen will, muss zunächst europäisches Territorium erreichen. Genau das aber ist durch die europäische Abschottungspolitik beinahe unmöglich geworden.«
Mussie Zerai: Vorbild für andere
Popp rief alle Bürger*innen, denen etwas an einer offenen, solidarischen Gesellschaft liegt, dazu auf, dem Beispiel Mussie Zerais zu folgen und für mehr Menschlichkeit zu kämpfen. Einige haben das schon getan:
Maßgeblich inspiriert von seinem Vorbild, haben Aktivist*innen des Monitoring-Projekts »Watch the Med« Ende 2014 eine weitere Notrufnummer für Flüchtlinge in Seenot, das »Alarm Phone« eingerichtet. Weiterhin bleibt aber auch der katholische Priester rund um die Uhr erreichbar für Hilferufe.