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Lage in Afghanistan immer dramatischer: Eine neue Entscheidungspraxis für Afghan*innen muss her
Die Situation in Afghanistan war im vergangenen Jahr so dramatisch wie lange nicht – das bestätigt auch ein aktueller UNCHR-Bericht zu Afghanistan. Das Bundesinnenministerium muss endlich die Fakten zur Kenntnis nehmen: Die Entscheidungspraxis für AfghanInnen muss dringend geändert werden.
Trotz desaströser Lage in Afghanistan wurden 2016 rund 25.000 Asylgesuche von Afghan*innen abgelehnt. Schuld daran ist eine durch das Bundesinnenministerium (BMI) initiierte rigide Entscheidungspraxis des BAMF, die die immer dramatischere Sicherheitssituation im Land übergeht.
Afghanistan ist nicht sicher!
Der Bundesinnenminister wird nicht müde, auf angeblich »sichere« Gebiete innerhalb Afghanistans zu verweisen. Der UNHCR-Bericht für 2016 stellt dagegen fest, dass ganz Afghanistan von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Sinne des Art. 15 c der EU-Qualifikationsrichtlinie erfasst ist. Zwischen sicheren und unsicheren Regionen könne man »aufgrund der sich ständig ändernden Sicherheitslage« in dem Bürgerkriegsland gar nicht unterscheiden, heißt es im UNHCR-Bericht weiter.
Abgelehnte Anträge müssen neu geprüft werden
Für afghanische Flüchtlinge ist angesichts dieser Faktenlage eine Kehrtwende in der Entscheidungspraxis erforderlich. Die in der Vergangenheit abgelehnten Asylanträge bedürfen einer neuen Überprüfung. »Bei einem bereits länger zurückliegenden negativen Abschluss eines Asylverfahrens wird somit häufig Anlass bestehen, aufgrund der Veränderung der Faktenlage eine neue Ermittlung des Schutzbedarfs vorzunehmen,« schlussfolgert UNHCR.
Sicherheitslage weiter verschärft
Seit April 2016 habe sich laut UNHCR die Situation im Land rapide verschärft: »Im Laufe des Jahres 2016 hat sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt in Afghanistan weiter ausgebreitet und ist durch eine Fragmentierung und Stärkung der aufständischen Kräfte gekennzeichnet.« Immer wieder brechen Kämpfe zwischen den afghanischen Sicherheitskräften, den Taliban, diversen Warlord-Milizen und neuen Gruppen, die mit dem IS verbunden sind, aus.
Tausende Tote und Verletzte
Auf die Zivilbevölkerung nehmen die Kriegsparteien kaum Rücksicht. Mit 1.601 toten und 3.565 verletzten Zivilisten war das erste Halbjahr 2016 der dramatischste Halbjahreszeitraum seit 2009. Rekordzahlen auch bei Binnenvertriebenen: Bis Mitte Dezember zählte der UNHCR 2016 mehr als 530.000 neu durch Konflikte Vertriebene innerhalb Afghanistans (UNCHR-Bericht, Seite 4). Diese Zahl kommt zu den mehr als 1,2 Millionen Binnenvertriebenen dazu, die laut Vereinten Nationen schon vor längerer Zeit fliehen mussten. Insgesamt waren bis Ende 2016 also insgesamt mehr als 1,7 Millionen Menschen innerhalb Afghanistans auf der Flucht.
Abschiebestopp und faire Asylverfahren für Afghan*innen!
Abschiebungen nach Afghanistan sind bar jeder Verantwortung. Die jüngste Initiative des schleswig-holsteinischen Innenministeriums für einen Abschiebestopp nach Afghanistan ist grundsätzlich zu begrüßen. Ebenso wichtig sind jedoch faire Asylverfahren für afghanische Schutzsuchende, in denen die sich rapide verschlechternde Sicherheitslage im Land und das individuelle Fluchtschicksal endlich Rücksicht finden.