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Das Schiff »Alan Kurdi« im November. Auch jetzt ist es wieder auf dem Mittelmeer unterwegs und sucht nach einem sicheren Hafen für 150 Geflüchtete. Foto: Karsten Jäger / sea-eye.org

Die »Alan Kurdi« hat 150 Menschen aus Seenot gerettet und braucht schnellstmöglich einen sicheren Hafen. Italien und Malta ignorieren die Notrufe von Flüchtlingsboot. Ein neues Dekret der italienischen Regierung verbietet die Ausschiffung von Schutzsuchenden. Die Pflicht zur Seenotrettung bleibt auch während Coronakrise bestehen.

Zwei Rettungsaktionen innerhalb weniger Stunden

Seit dem 30. März ist die »Alan Kur­di« der Orga­ni­sa­ti­on Sea Eye als der­zeit ein­zi­ges zivi­les Ret­tungs­schiff wie­der im Ein­satz. Am 5. April erreich­te sie die Such- und Ret­tungs­zo­ne im zen­tra­len Mit­tel­meer. Am Tag dar­auf ret­tet die Crew nach einem Not­ruf der Orga­ni­sa­ti­on »Alarm­pho­ne« 68 Men­schen aus Seenot.

Gefähr­det wur­de die Ret­tung wie­der ein­mal durch ris­kan­te Manö­ver und Schüs­se von der soge­nann­ten »liby­schen Küs­ten­wa­che«. Aus Panik und um sich vor den Liby­ern zu ret­ten, sprin­gen eini­ge Boots­flücht­lin­ge ins Was­ser. Auf einem Video der Ret­tungs­crew ist der lebens­ge­fähr­den­de Ein­satz festgehalten.

Weni­ge Stun­den spä­ter wur­de die »Alan Kur­di« erneut vom Alarm­pho­ne kon­tak­tiert und konn­te in einer zwei­ten Ret­tungs­ak­ti­on wei­te­re 82 Men­schen ret­ten. Zuvor hat­te ein nahe gele­ge­nes ita­lie­ni­sches Ver­sor­gungs­schiff die Ret­tung verweigert.

Mit 150 Geret­te­ten an Bord befin­det sich die »Alan Kur­di« an ihrer Kapazitätsgrenze.

Mit 150 Geret­te­ten an Bord befin­det sich die »Alan Kur­di« an ihrer Kapa­zi­täts­gren­ze. Laut dem Ein­satz­lei­ter hat das Schiff noch nie so vie­le Men­schen getra­gen. Die geret­te­ten Boots­flücht­lin­ge und die Crew sind auf die schnellst­mög­li­che Zuwei­sung eines siche­ren Hafens angewiesen.

Italien und Malta verweigern Anlandungen

Im März ist die Mal­ta-Eini­gung vom 23. Sep­tem­ber 2019 abge­lau­fen. Dabei wur­de die Ver­tei­lung von aus See­not Geret­te­ten ver­ein­bart. Nun liegt das Ver­fah­ren auf Eis – auf­grund der Coro­na­kri­se, heißt es aus dem Bundesinnenministerium.

Ita­li­en hat Ende März im Zuge der Ver­hand­lun­gen um eine neue EU-Mili­tär­mis­si­on im Mit­tel­meer die Aus­schif­fung von Schutz­su­chen­den in sei­nen Häfen aus­ge­schlos­sen. Die Fol­ge­mis­si­on von EUNAVFOR MED-Ope­ra­ti­on »Sophia«, Ope­ra­ti­on »Iri­ni«, kommt vor der öst­li­chen Küs­te Liby­ens zum Ein­satz. Von dort bre­chen kaum Schutz­su­chen­de Rich­tung Euro­pa auf. »Iri­ni« soll das Waf­fen­em­bar­go gegen Liby­en über­wa­chen. Wer­den den­noch Schutz­su­chen­de geret­tet, sol­len sie nach Grie­chen­land gebracht werden.

Am 08. April erlässt die ita­lie­ni­sche Regie­rung ein neu­es Dekret: Wäh­rend des Gesund­heits­not­stand sind ita­lie­ni­sche Häfen kei­ne »Siche­ren Häfen« für Men­schen, die durch ein Schiff mit nicht-ita­lie­ni­scher Flag­ge aus See­not geret­tet wurden.

Mal­ta und Ita­li­en haben der »Alan Kur­di« bereits ges­tern deut­lich gemacht, dass ihre Häfen geschlos­sen sind und das Schiff nicht anlan­den darf. Dies gel­te auch, wenn die Ver­tei­lung der Schutz­su­chen­de auf ande­re EU-Staa­ten vor der Aus­schif­fung zuge­sagt werde.

Italienische und maltesische Behörden ignorieren Notrufe 

Am 06. April wird das Alarm­pho­ne von einem wei­te­ren Boot in See­not kon­tak­tiert. Obwohl die mal­te­si­sche und ita­lie­ni­sche Küs­ten­wa­che infor­miert wer­den und auch ein Flug­zeug der Euro­päi­schen Agen­tur für Grenz- und Küs­ten­wa­che Fron­tex das Boot sich­tet, kommt kei­ne Rettung.

Die Boots­flücht­lin­ge müs­sen in einer wei­te­ren Nacht auf Hoher See die gesam­te mal­te­si­sche Such- und Ret­tungs­zo­ne durch­que­ren. Die ita­lie­ni­sche Küs­ten­wa­che kommt erst zu Hil­fe als das Boot die ita­lie­ni­schen Such- und Ret­tungs­zo­ne erreicht. Das Boot wird nach Lam­pe­du­sa eskor­tiert, wo die 67 Schutz­su­chen­den an Land gehen.

Das Han­deln – oder eher das Nicht-Han­deln – der zustän­di­gen Behör­den kann nur mit der Inten­ti­on erklärt wer­den, dass die Behör­den auf ihre Part­ner war­te­ten, auf die von der EU hoch­ge­rüs­te­ten Mili­zen der sog.  liby­schen Küs­ten­wa­che. Ledig­lich durch den guten Wel­len­gang wur­de ein wei­te­rer völ­ker­rechts­wid­ri­ger Pull-Back in das Bür­ger­kriegs­land oder ein Schiff­bruch und der Tod der Schutz­su­chen­den verhindert.

Sicherer Hafen für »Alan Kurdi« und Pflicht zur Seenotrettung

Die »Alan Kur­di« fährt unter deut­scher Flag­ge. Zwi­schen den bei­den Ret­tungs­ak­tio­nen der »Alan Kur­di« erreicht die Orga­ni­sa­ti­on ein Brief des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums, der auch an ande­re See­not­ret­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen ging. »Ange­sichts der aktu­el­len schwie­ri­gen Lage appel­lie­ren wir des­halb an Sie, der­zeit kei­ne Fahr­ten auf­zu­neh­men und bereits in See gegan­ge­ne Schif­fe zurück­zu­ru­fen«, heißt es darin.

Die Euro­päi­sche Uni­on muss end­lich einen flä­chen­de­cken­den See­not­ret­tungs­dienst aufbauen!

Euro­päi­sche Regie­run­gen set­zen momen­tan alles dar­an set­zen, die Coro­na-Pan­de­mie ein­zu­schrän­ken, um mög­lichst vie­le Men­schen­le­ben zu ret­ten. Dies muss auch für Flücht­lin­ge gel­ten. Die Pflicht zur See­not­ret­tung gilt auch in Zei­ten von Pan­de­mien. Um eine huma­ni­tä­re Kata­stro­phe abzu­wen­den, müs­sen sich das Aus­wär­ti­ge Amt und das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um für die schnellst­mög­li­che Aus­schif­fung der 150 Geret­te­ten in einem siche­ren Hafen ein­set­zen. Und:  Die Euro­päi­sche Uni­on muss end­lich einen flä­chen­de­cken­den See­not­ret­tungs­dienst auf­bau­en. Nie­mand darf zurück­ge­las­sen werden.

(dm / mz)