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Keiner darf zurückgelassen werden: »Alan Kurdi« braucht sicheren Hafen
Die »Alan Kurdi« hat 150 Menschen aus Seenot gerettet und braucht schnellstmöglich einen sicheren Hafen. Italien und Malta ignorieren die Notrufe von Flüchtlingsboot. Ein neues Dekret der italienischen Regierung verbietet die Ausschiffung von Schutzsuchenden. Die Pflicht zur Seenotrettung bleibt auch während Coronakrise bestehen.
Zwei Rettungsaktionen innerhalb weniger Stunden
Seit dem 30. März ist die »Alan Kurdi« der Organisation Sea Eye als derzeit einziges ziviles Rettungsschiff wieder im Einsatz. Am 5. April erreichte sie die Such- und Rettungszone im zentralen Mittelmeer. Am Tag darauf rettet die Crew nach einem Notruf der Organisation »Alarmphone« 68 Menschen aus Seenot.
Gefährdet wurde die Rettung wieder einmal durch riskante Manöver und Schüsse von der sogenannten »libyschen Küstenwache«. Aus Panik und um sich vor den Libyern zu retten, springen einige Bootsflüchtlinge ins Wasser. Auf einem Video der Rettungscrew ist der lebensgefährdende Einsatz festgehalten.
Wenige Stunden später wurde die »Alan Kurdi« erneut vom Alarmphone kontaktiert und konnte in einer zweiten Rettungsaktion weitere 82 Menschen retten. Zuvor hatte ein nahe gelegenes italienisches Versorgungsschiff die Rettung verweigert.
Mit 150 Geretteten an Bord befindet sich die »Alan Kurdi« an ihrer Kapazitätsgrenze.
Mit 150 Geretteten an Bord befindet sich die »Alan Kurdi« an ihrer Kapazitätsgrenze. Laut dem Einsatzleiter hat das Schiff noch nie so viele Menschen getragen. Die geretteten Bootsflüchtlinge und die Crew sind auf die schnellstmögliche Zuweisung eines sicheren Hafens angewiesen.
Italien und Malta verweigern Anlandungen
Im März ist die Malta-Einigung vom 23. September 2019 abgelaufen. Dabei wurde die Verteilung von aus Seenot Geretteten vereinbart. Nun liegt das Verfahren auf Eis – aufgrund der Coronakrise, heißt es aus dem Bundesinnenministerium.
Italien hat Ende März im Zuge der Verhandlungen um eine neue EU-Militärmission im Mittelmeer die Ausschiffung von Schutzsuchenden in seinen Häfen ausgeschlossen. Die Folgemission von EUNAVFOR MED-Operation »Sophia«, Operation »Irini«, kommt vor der östlichen Küste Libyens zum Einsatz. Von dort brechen kaum Schutzsuchende Richtung Europa auf. »Irini« soll das Waffenembargo gegen Libyen überwachen. Werden dennoch Schutzsuchende gerettet, sollen sie nach Griechenland gebracht werden.
Am 08. April erlässt die italienische Regierung ein neues Dekret: Während des Gesundheitsnotstand sind italienische Häfen keine »Sicheren Häfen« für Menschen, die durch ein Schiff mit nicht-italienischer Flagge aus Seenot gerettet wurden.
Malta und Italien haben der »Alan Kurdi« bereits gestern deutlich gemacht, dass ihre Häfen geschlossen sind und das Schiff nicht anlanden darf. Dies gelte auch, wenn die Verteilung der Schutzsuchende auf andere EU-Staaten vor der Ausschiffung zugesagt werde.
Italienische und maltesische Behörden ignorieren Notrufe
Am 06. April wird das Alarmphone von einem weiteren Boot in Seenot kontaktiert. Obwohl die maltesische und italienische Küstenwache informiert werden und auch ein Flugzeug der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache Frontex das Boot sichtet, kommt keine Rettung.
Die Bootsflüchtlinge müssen in einer weiteren Nacht auf Hoher See die gesamte maltesische Such- und Rettungszone durchqueren. Die italienische Küstenwache kommt erst zu Hilfe als das Boot die italienischen Such- und Rettungszone erreicht. Das Boot wird nach Lampedusa eskortiert, wo die 67 Schutzsuchenden an Land gehen.
Das Handeln – oder eher das Nicht-Handeln – der zuständigen Behörden kann nur mit der Intention erklärt werden, dass die Behörden auf ihre Partner warteten, auf die von der EU hochgerüsteten Milizen der sog. libyschen Küstenwache. Lediglich durch den guten Wellengang wurde ein weiterer völkerrechtswidriger Pull-Back in das Bürgerkriegsland oder ein Schiffbruch und der Tod der Schutzsuchenden verhindert.
Sicherer Hafen für »Alan Kurdi« und Pflicht zur Seenotrettung
Die »Alan Kurdi« fährt unter deutscher Flagge. Zwischen den beiden Rettungsaktionen der »Alan Kurdi« erreicht die Organisation ein Brief des Bundesinnenministeriums, der auch an andere Seenotrettungsorganisationen ging. »Angesichts der aktuellen schwierigen Lage appellieren wir deshalb an Sie, derzeit keine Fahrten aufzunehmen und bereits in See gegangene Schiffe zurückzurufen«, heißt es darin.
Die Europäische Union muss endlich einen flächendeckenden Seenotrettungsdienst aufbauen!
Europäische Regierungen setzen momentan alles daran setzen, die Corona-Pandemie einzuschränken, um möglichst viele Menschenleben zu retten. Dies muss auch für Flüchtlinge gelten. Die Pflicht zur Seenotrettung gilt auch in Zeiten von Pandemien. Um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden, müssen sich das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium für die schnellstmögliche Ausschiffung der 150 Geretteten in einem sicheren Hafen einsetzen. Und: Die Europäische Union muss endlich einen flächendeckenden Seenotrettungsdienst aufbauen. Niemand darf zurückgelassen werden.
(dm / mz)