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Kaum eine Spur vom »Spurwechsel«
Der Gesetzentwurf zur Fachkräfteeinwanderung produziert Unsicherheit und wird Arbeitgeber frustrieren. Der vorgelegte Referentenentwurf greift in Bezug auf die Integration der in Deutschland lebenden Asylsuchenden und Geduldeten viel zu kurz, weil er einen unüberwindbaren Hürdenlauf für die hier lebenden Schutzsuchenden darstellt.
Der Gesetzentwurf sieht, neben der problematischen Ausweitung von Arbeitsverboten für manche Personengruppen, Neuregelungen zur Ausbildungsduldung (§ 60b AufenthG) und die Einführung einer Beschäftigungsduldung (§ 60c AufenthG) vor.
Insbesondere die Hürden beim Zugang zur Beschäftigungsduldung werden für viele Menschen kaum zu überwinden sein. Gefordert werden eine Vollzeitbeschäftigung von mindestens 35 Wochenstunden, die vollständige Lebensunterhaltssicherung seit mindestens einem Jahr und Sprachkenntnisse auf einem Niveau, das für die praktische Tätigkeit in vielen Fällen nicht benötigt wird. Außen vor bleibt also auch beispielsweise Alleinerziehende, die in der Vergangenheit nicht Vollzeit arbeiten oder den Lebensunterhalt nicht vollständig sichern konnten. Selbst gut verdienende Fachkräfte, die ihren Lebensunterhalt komplett sicherstellen können, aber weniger als 35 Stunden arbeiten, wären ohne Chance, genauso wie Geringverdiener*innen in Vollzeit, wenn sie in Städten mit hohen Mieten wohnen.
Das Ziel der Rechtssicherheit sowohl für betroffene Personen wie für Arbeitgeber wird so völlig verfehlt, Unsicherheit und Frust zusätzlich geschürt
Zudem sind Wartezeiten bis zur erstmaligen Erteilung einer solchen Duldung vorgesehen, die den Ausländerbehörden einen zusätzlichen Zeitraum für Abschiebungen ermöglichen sollen. Das Ziel der Rechtssicherheit sowohl für betroffene Personen wie für Arbeitgeber wird so völlig verfehlt, Unsicherheit und Frust zusätzlich geschürt. Wieso sollte ein Arbeitgeber in Ausbildung, Einarbeitung und Beschäftigung investieren, wenn weiterhin Abschiebungsgefahr besteht?
Auch in Sachen Ausbildungsduldung bleiben viele Fragen zu Lasten der Betroffenen offen. Neue Interpretationsspielräume für die lokalen Ausländerbehörden konterkarieren den bundesgesetzlich eigentlich vorgesehenen Anspruch. Derart unzureichende gesetzgeberische Arbeit unkritisch zu unterstützen kann in niemandes Interesse sein.
Außerdem soll eine Ausbildungsduldung dann nicht möglich sein, wenn ein Dublin-Verfahren eingeleitet wurde. Völlig offen bleibt bei der Formulierung, für welchen Zeitraum dieses Duldungsverbot gelten soll und was passiert, wenn keine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat erfolgt. Dies ist umso unklarer vor dem Hintergrund, dass auf europäischer Ebene die Abschaffung der Fristenregelung der Dublin-Verfahren diskutiert wird und damit die »Einleitung« eines Dublin-Verfahrens zu einem Dauerzustand führen würde.
Ein solcher Beschäftigungszwang wäre gesamtgesellschaftlich kontraproduktiv
Kontraproduktiv ist der Entwurf insofern auch, als dass er nur die Schiene Ausbildung oder Arbeit für die Aufenthaltssicherung vorsieht. Junge Menschen werden voraussichtlich Schulen und Universitäten verlassen, um ihren Aufenthalt zu sichern, statt ihren Bildungsweg fortzusetzen. Man muss sich fragen, ob das im Interesse Deutschlands liegt. Bereits jetzt verlassen viele Jugendliche zu früh die Schule, da sie ihren Aufenthalt nur über die Ausbildung sichern können. In der pädagogischen Arbeit mit den Jugendlichen wird dieses Problem unter »Ausbildungszwang« diskutiert. Bleibt es beim aktuellen Gesetzentwurf drohen ein »Beschäftigungszwang« und ein mögliches Abrutschen in prekäre Arbeitsverhältnisse. Ein solcher Beschäftigungszwang wäre auch gesamtgesellschaftlich kontraproduktiv, da höhere Bildungsabschlüsse die beste Absicherung gegen Arbeitslosigkeit und dauerhaften Leistungsbezug sind.
(bm)