02.03.2018
Image
Schon seit vielen Jahren gibt es Protest gegen Dublin-Abschiebungen - wie hier beim Flüchtlingssymposium 2015. Foto: Wir treten ein!

Der Plan, die Verantwortung für Asylverfahren den Staaten an der EU-Außengrenze zuzuschieben, ist krachend gescheitert. Trotzdem wird immer noch am sogenannten Dublin-System festgehalten. Das sorgt nicht nur für immense Bürokratie, sondern auch dafür, dass Flüchtlinge hin- und hergeschoben werden und oftmals in unhaltbaren Zuständen enden.

Vie­le Asyl­an­trä­ge wer­den in Deutsch­land zunächst nicht inhalt­lich geprüft, son­dern for­mell ent­schie­den (und abge­lehnt). 2017 war das sogar in 18,1 Pro­zent der Ent­schei­dun­gen der Fall. Grund dafür ist häu­fig, dass die Zustän­dig­keit fürs Asyl­ver­fah­ren gemäß den Dub­lin-Regu­la­ri­en bei einem ande­ren Mit­glieds­staat liegt.

7.102

Über­stel­lun­gen aus Deutsch­land in ande­re Mitgliedsstaaten

Rund 15 Prozent werden tatsächlich überstellt

Häu­fig wird sodann ein Über­nah­me­ersu­chen an den jewei­li­gen Staat gestellt. Im Jahr 2017 kam das von Deutsch­land aus­ge­hend 64.267 Mal vor. Jedoch: Nur knapp 47.000 die­ser Ersu­chen stimm­ten die ande­ren EU-Staa­ten zu, ledig­lich 7.102 Über­stel­lun­gen wur­den tat­säch­lich vor­ge­nom­men, die meis­ten davon nach Ita­li­en, wo Flücht­lin­ge häu­fig kaum Unter­stüt­zung erhal­ten. Das Dub­lin-Sys­tem sorgt also dafür, dass rund 7.000 Asylbewerber*innen weni­ger in Deutsch­land sind, könn­te man nun den­ken. Weit gefehlt:

8.754

Über­stel­lun­gen NACH Deutsch­land im Jahr 2017.

Sogar etwas mehr Überstellungen NACH Deutschland

Gleich­zei­tig gab es knapp 27.000 Über­nah­me­ersu­chen ande­rer Mit­glieds­staa­ten an Deutsch­land, da die Erst­erfas­sung der betref­fen­den Per­son offen­bar hier statt­ge­fun­den hat­te. Rund 80 Pro­zent der Ersu­chen wur­de zuge­stimmt, letzt­end­lich kam es zu 8.754 Über­stel­lun­gen nach Deutsch­land, die meis­ten aus Frank­reich, den Nie­der­lan­den und aus Grie­chen­land. Die Auf­nah­men aus Grie­chen­land erfol­gen hier meis­tens über die Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung: Die Dub­lin-Ver­ord­nung sieht vor, dass Asyl­ver­fah­ren von Ange­hö­ri­gen im glei­chen Mit­glieds­staat durch­ge­führt wer­den sollen.

90.000 Verfahren für ein Nullsummenspiel…

Ins­ge­samt wur­den 2017 also rund 90.000 auf­wän­di­ge Ver­fah­ren durch­ge­führt – und das sind nur die mit deut­scher Betei­li­gung – und 15.000 Men­schen in kost­spie­li­gen Aktio­nen in ande­re EU-Staa­ten abge­scho­ben. Mit dem Ergeb­nis, dass sich Auf­nah­men und Abschie­bun­gen die Waa­ge hal­ten, die Zahl der Flücht­lin­ge und der zu bear­bei­ten­den Asyl­an­trä­ge hier also gleich bleibt.

Bei vie­len ande­ren Län­dern dürf­te das ähn­lich aus­se­hen, mit weni­gen Aus­nah­men: Ungarn bei­spiels­wei­se wei­gert sich in vie­len Fäl­len, Flücht­lin­ge zurück­zu­neh­men. Und Abschie­bun­gen in manch ande­re Staa­ten wer­den regel­mä­ßig durch Gerich­te ver­hin­dert – auf­grund sys­te­mi­scher Män­gel in den dor­ti­gen Asyl­ver­fah­ren und dro­hen­der Ver­let­zung von Grundrechten.

…mit schlimmen Folgen für Betroffene

Für die betrof­fe­nen Flücht­lin­ge bedeu­ten die­se Ver­fah­ren ein jah­re­lan­ges Aus­har­ren in Unsi­cher­heit und Angst. Eini­ge von ihnen wer­den durch Kir­chen­asyle geret­tet, man­che durch Gerich­te, ande­re wer­den aber schluss­end­lich abge­scho­ben. Oft­mals in Staa­ten, aus denen sie aus gutem Grund wei­ter­ge­reist sind: Vie­le Län­der in Ost- und Süd­ost-Euro­pa haben kein funk­tio­nie­ren­des Asyl­sys­tem, Schutz­su­chen­de berich­ten aus Ungarn oder Bul­ga­ri­en oft von will­kür­li­cher Inhaf­tie­rung oder gar Miss­hand­lun­gen, in Ita­li­en lan­den vie­le Flücht­lin­ge auf der Straße.

(mk)