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Interview: Geflüchtete aus Eritrea haben ein Recht auf Familiennachzug!
Hanan ist vor 6 Jahren aus Eritrea nach Deutschland geflüchtet, wurde 2016 als Flüchtling anerkannt und stellte sofort den Antrag auf Familiennachzug. Seitdem wartet sie vergeblich darauf, ihre Familie wiederzusehen – wie viele geflüchtete Eritreer*innen. Am 13. Juli wollen Betroffene deshalb mit einer großen Aktion in Berlin demonstrieren.
Hanan, Du organisierst in Berlin eine Protest-Aktion für den Familiennachzug. Was hat Dich dazu motiviert? Warum ist Dir dieser Protest wichtig? Wofür kämpfst Du?
Ich war verzweifelt, weil ich schon so lang von meinem Mann und meinen Kindern getrennt bin und sich einfach nichts tut. Ich habe deshalb über YouTube versucht, Geflüchtete aus Eritrea zu erreichen, die in derselben Situation sind. Fast 1.500 Menschen haben sich daraufhin gemeldet. So kam die »Initiative Familiennachzug Eritrea« zustande. Wir haben lange auf diese Gelegenheit gewartet. Unsere Familien sind verzweifelt, weil wir schon so lang voneinander getrennt sind. Kinder müssen seit Jahren auf ihre Eltern, Eltern auf ihre Kinder verzichten. Unsere Lage ist hoffnungslos. Das ist kein Leben. Dieser Protest ist deshalb sehr wichtig für uns. Wir sind gezwungen, für unsere Rechte zu kämpfen – aber wir kämpfen gern dafür.
Welche Probleme haben Geflüchtete aus Eritrea beim Familiennachzug? Kann man z.B. einfach so ohne Probleme Dokumente bekommen? Oder einen Termin?
Es geht schon bei der Terminvergabe los. Bei den deutschen Botschaften in afrikanischen Ländern geht das oft online. Es dauert zwischen einem und anderthalb Jahre, einen Termin zu bekommen. Und das ist nur die erste Hürde. Die Dokumentenbeschaffung für Eritreer*innen im Exil ist sehr problematisch und eine Zumutung. Die Bundesregierung und das Auswärtige Amt (AA) wissen das – deswegen haben sie uns Eritreer*innen ja schließlich auch als verfolgt anerkannt. Dennoch bestehen sie auf Dokumente, die wegen der eritreischen Behörden unheimlich schwierig zu beschaffen sind. Ein weiteres Problem ist auch das Urkundewesen in Eritrea. 95% der Eritreer*innen bekommen ihre Dokumente – Heirats- und Geburtsurkunden – nicht etwa beim Rathaus, sondern von Kirchen und Moscheen ausgestellt. Doch hier werden solche Dokumente nicht anerkannt. Nur 5% können standesamtliche Dokumente vorweisen.
Welche Erfahrungen hast Du gemacht?
Ich bin 2014 aus Eritrea geflüchtet. Im selben Jahr kam ich nach Deutschland. Mein Mann ist 2016 aus Eritrea geflüchtet, seit 2018 sind meine Kinder und mein Mann in Uganda. In Deutschland wurde ich 2016 als Flüchtling anerkannt und stellte fristgerecht einen Antrag auf den Nachzug. Ich habe alles eingereicht, was nötig war, Heiratsurkunde, Geburtsurkunden meiner Kinder und meines Mannes, Schulzertifikate. Ein Problem war: Auf der Flucht aus Eritrea heraus wurde die Heiratsurkunde auf Englisch beschädigt und ist etwas unleserlich geworden. Die deutsche Botschaft in Uganda wollte sie deshalb nicht anerkennen und verlangte eine neue Urkunde. Die haben wir unter einem Riesenaufwand neu beschaffen müssen. Dazu kam noch ein DNA-Nachweis, dass wir als Familie miteinander verwandt sind. Ich sollte sogar das Video meiner Hochzeit und Bilder davon, wie der Priester uns traut, einreichen. Ich weiß bis heute nicht, wo mein Fall jetzt ist und wie lange ich noch warten soll. Meine Anwältin sagt mir nur, dass er beim AA anhängig ist.
»Kinder kennen ihre Geschwister und ihre Eltern nicht. Man kann sich kaum vorstellen, welche Auswirkungen das auf sie hat. Wir sind in dieser Situation gefangen.«
Wie geht es den getrennten Familien?
Das ist eine einfache Frage, die Antwort darauf ist unheimlich schwer. Den Familien geht es so schlecht, ich kann es kaum in Worte fassen. Ich bin jetzt mittlerweile sechs Jahre von meinem Mann und zwei meiner Kinder getrennt. Es ist eine elende und traurige Geschichte. Kinder kennen ihre Geschwister und ihre Eltern nicht. Man kann sich kaum vorstellen, welche Auswirkungen das auf sie hat. Wir sind in dieser Situation gefangen. Die Angehörigen hier haben keinen freien Kopf für Schule, Arbeit, Ausbildung. Sehr viele werden depressiv. Viele Familien gehen auch in Brüche.
Was sollte Deiner Meinung nach passieren? Wie kann man die Situation verbessern?
Die Bundesregierung muss eine schnelle Lösung finden. Mehr als 1.000 Eritreer*innen sind zum Teil seit Jahren von ihren Familien getrennt. Wir fordern eine Priorisierung der Bearbeitung von Familiennachzugsfällen bei den Botschaften. Außerdem sollte die Dokumentenbeschaffung erleichtert werden. Das AA sollte DNA-Nachweise als ausreichend ansehen und die Dokumente anerkennen, die eingereicht werden können.
Was erhoffst Du Dir von der Aktion?
Tausend Angehörige, Mütter, Väter, Kinder, haben sich für die Aktion am 13. Juli in Berlin angekündigt. Wir werden auch vor dem AA demonstrieren. Ich wünsche mir, dass die Mitarbeiter*innen dort uns nicht mehr als Fälle sehen, sondern als Menschen und Familien mit Schicksalen dahinter und dass sie unsere Anträge schneller bearbeiten, damit wir endlich unsere Familien wiedersehen.
Vielen Dank für das Gespräch, Hanan.
Das Interview führte Anđelka Križanović.
Zum Aufruf der Initiative Familiennachzug Eritrea geht es hier. PRO ASYL unterstützt mit vielen anderen Organisationen den Aufruf.