Image
Geflüchtete in der Nähe der nordtürkischen Stadt Edirne. Foto: picture alliance / NurPhoto

Die Bilanz der vergangenen Jahre zeigt: Die Aufnahme und die Integration Geflüchteter hierzulande seit 2015 ist eine Erfolgsgeschichte. Deutschland ist angesichts der Notlage Geflüchteter in der Ägäis, der Türkei und der syrischen Region Idlib imstande, mehr Schutzsuchende aufzunehmen und ihnen eine Perspektive zu bieten.

Wäh­rend das Kanz­ler­amt in Ber­lin heu­te zum all­jähr­li­chen Inte­gra­ti­ons­gip­fel lädt, spitzt sich  die Lage für Schutz­su­chen­de in der Ägä­is und an der grie­chisch-tür­ki­schen Land­gren­ze immer mehr zu: Der Zugang zum indi­vi­du­el­len Recht auf Asyl in Euro­pa wird gewalt­sam ver­hin­dert. Die Ver­ant­wor­tung dafür trägt nicht allein Griechenland.

Der Flüchtlingsdeal und seine Folgen

Die Ein­rich­tung von Elends-Hot­spots auf den grie­chi­schen Inseln, die Schlie­ßung der Gren­ze zu Syri­en sei­tens der Tür­kei, Zehn­tau­sen­de Push-Backs am Evros-Fluss in Rich­tung Tür­kei durch die grie­chi­sche Grenz­po­li­zei: alles Fol­gen des im März 2016 zwi­schen der Tür­kei und der Euro­päi­schen Uni­on (EU) ver­ein­bar­ten Abschot­tungs-Deals gegen Geflüch­te­te. Der indi­vi­du­el­le Schutz und die Men­schen­rech­te wer­den sys­te­ma­tisch missachtet.

Handeln statt zusehen! 

Euro­pa und mit ihm Deutsch­land haben die huma­ni­tä­re Kri­se an den euro­päi­schen Außen­gren­zen mit her­bei­ge­führt. Das Asyl­recht ist ein Men­schen­recht und die Auf­nah­me Schutz­be­dürf­ti­ger ist völ­ker­recht­li­che Pflicht.

Positive Integrationsbilanz

Die Zah­len im fünf­ten Jahr nach 2015 spre­chen Bän­de: 85 Pro­zent aller Geflüch­te­ten haben mitt­ler­wei­le an Sprach­kur­sen teil­ge­nom­men. Ihre Inte­gra­ti­on in den Arbeits­markt geht schnel­ler als gedacht. Nach fünf Jah­ren hat fast jede*r zwei­te Geflüch­te­te in Deutsch­land Arbeit, die Hälf­te von ihnen als Fach­kraft. Jedes Semes­ter imma­tri­ku­lie­ren sich meh­re­re Tau­send Geflüch­te­te an deut­schen Hoch­schu­len und Uni­ver­si­tä­ten. Allein im Win­ter­se­mes­ter 2018/19 waren es 3.788, 18-mal so vie­le wie im Win­ter­se­mes­ter 2015/16 – Ten­denz wei­ter stei­gend. 130.000 geflüch­te­te Kin­der und Jugend­li­che kamen zwi­schen Janu­ar 2015 und März 2018 neu in Schu­len (Quel­le: ZEIT).

Weniger Ausgaben als geplant 

Und bei alle­dem wur­de deut­lich weni­ger aus­ge­ge­ben als geplant. 2015 schätz­ten Expert*innen des Insti­tuts für Welt­wirt­schaft, dass die Inte­gra­ti­on der Flücht­lin­ge min­des­tens 20 Mil­li­ar­den Euro jähr­lich kos­ten wird. Der dama­li­ge Finanz­mi­nis­ter Schäub­le erwog sogar eine zusätz­li­che Ben­zin­steu­er, um die »Flücht­lings­kri­se« zu bewältigen.

Es gibt hin­rei­chend Res­sour­cen, Kapa­zi­tä­ten und Kom­pe­ten­zen in Deutsch­land, um wei­te­re Flücht­lin­ge auf­zu­neh­men und der inter­na­tio­na­len Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz nachzukommen.

Fakt ist: Die tat­säch­li­chen Inlands­aus­ga­ben des Bun­des an Län­der und Kom­mu­nen belie­fen sich im Jahr 2018 auf rund 7,5 Mil­li­ar­den Euro – und sie kamen auch ande­ren Bevöl­ke­rungs­grup­pen, also nicht nur Geflüch­te­ten zugu­te. Wei­te­re 7,6 Mil­li­ar­den Euro gab der Bund im Jahr 2018 zusätz­lich nicht kom­mu­n­en­ge­bun­den für Geflüch­te­te in Deutsch­land aus. Und die von der Bun­des­re­gie­rung gebil­de­te Flücht­lings­rück­la­ge in Höhe von mitt­ler­wei­le 35 Mil­li­ar­den Euro wur­de bis­her nicht ange­tas­tet. Heu­te ste­hen in den Kom­mu­nen vie­le Flücht­lings­un­ter­künf­te leer, ande­re könn­ten kurz­fris­tig reak­ti­viert werden.

Deutschland kann mehr Aufnahme leisten

Das alles macht deut­lich: Es gibt hin­rei­chend Res­sour­cen, Kapa­zi­tä­ten und Kom­pe­ten­zen in Deutsch­land, um wei­te­re Flücht­lin­ge auf­zu­neh­men und der inter­na­tio­na­len Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz nachzukommen.

Deutsch­land kann und soll­te eine erheb­li­che Zahl von Geflüch­te­ten auf­neh­men, die heu­te in Elend­sla­gern auf den grie­chi­schen Inseln und an ande­ren Orten der euro­päi­schen Außen­gren­ze ver­zwei­feln – nicht zuletzt unbe­glei­te­te Min­der­jäh­ri­ge und Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge von in Deutsch­land leben­den Angehörigen.