News
»Ich freue mich darauf, das Leben zu feiern!«
Zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember wird Eddi Hüneke, Mitbegründer der Wise Guys, ein Online-Benefizkonzert zugunsten von PRO ASYL veranstalten. Im Interview spricht er über musikalisches Brückenschlagen, den Flüchtlingsschutz und Spiritualität.
Eddi, wie kamen Sie dazu, sich für Flüchtlinge einzusetzen?
Direkt nach der Schule, 1991/92, habe ich anderthalb Jahre lang in einer Flüchtlingsunterkunft in Brüssel gearbeitet, als Freiwilliger im Rahmen der »Aktion Sühnezeichen«. Das war eine Art Zivildienst im Ausland. Offiziell war ich dort als Hausmeister tätig. Die Flüchtlinge dort kamen überwiegend aus afrikanischen Ländern, aber auch aus Osteuropa und Südasien. Das war eine super spannende Zeit für mich.
Sie haben aufgrund Ihrer Familiengeschichte und Ihres Theologie-Studiums einen Bezug zur Kirche und zum Glauben. Spielt das für Ihr Engagement für Flüchtlinge eine Rolle?
Sicher, ich kann dieses Wertegerüst nicht wegdenken. Ich sehe es als Kernelement aller Religionen, dass man sich für die einsetzt, die es nötig haben. Und das Recht auf Asyl gehört für mich zur abendländischen Kultur, zu christlichen Werten. Die Menschenrechte sind so eine große Errungenschaft!
Man muss sich sprachlich nicht verstehen, um sich musikalisch verständigen zu können.
Musik kann Brücken bauen zwischen Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen. In welchen Situationen haben Sie das persönlich erlebt?
Das habe ich öfter erlebt, angefangen in dem Flüchtlingsheim in Brüssel, wo ich es großartig fand, Afrikanerinnen und Afrikanern beim Singen zuzuhören, bis hin zu einer Reise nach Südafrika in ein Armenviertel, wo die Menschen begeistert waren, als wir, die Wise Guys, gesungen haben. Man muss sich sprachlich nicht verstehen, um sich musikalisch verständigen zu können. Ich bin zum Beispiel seit vielen Jahren befreundet mit einer Familie aus Indien, die seit zig Generationen Musik auf höchstem Niveau macht, dem Maharaj Trio. Bei einer Konzertreise 2019 in Hürth bei Köln haben wir zusammen eine Art Medley aus der indischen und der deutschen Nationalhymne gespielt. Das war total erhebend. Es ist einfach schön zu sehen, was für eine andere Welt Musik aufmacht. Das ist sehr bereichernd.
Welcher Song drückt den Zeitgeist gerade besonders gut aus?
Was ist denn ‚der‘ Zeitgeist? Es gibt ja ganz verschiedene Strömungen in der Gesellschaft. Klar, es gibt viele, die Angst haben vor Flüchtlingen und allgemein vor dem Fremden. Ein im positiven Sinne naives Gegengewicht dazu drückt das Lied »Lass sie rein« von Stefan Stoppok aus, in dem es ja um Flüchtlinge geht. Dafür hat er einen ordentlichen Shitstorm geerntet, aber ich denke, dass der Song die Haltung von vielen Menschen ausdrückt und damit durchaus eine Art Zeitgeist ist: Offen und solidarisch zu sein gegenüber denen, die bei uns Schutz suchen.
Gesellschaftskritik war Ihnen und den Wise Guys immer wichtig. Wie gelingt die Gratwanderung, diese Kritik durch Musik zu üben, ohne zu sehr den moralischen Zeigefinger zu erheben?
Das ist immer wieder die große Herausforderung. Ich halte den satirischen Weg für geeignet, wie wir ihn etwa mit dem Song »Wir baun die Mauer wieder auf« gegangen sind. Da haben wir extrem überzeichnet die Volkstümelei auf‘s Korn genommen. Aber es geht auch anders: Wenn ich ein Benefizkonzert zugunsten von PRO ASYL veranstalte, wenn wir uns dabei zwischendrin über Afghanistan unterhalten und mit PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt sprechen, ist die Botschaft ganz klar – dann müssen nicht auch noch alle Lieder das thematisieren.
Wir schotten uns ab in Europa, es herrscht immer stärker eine Jeder-für-sich-Mentalität. Aber das ist nicht der Weg nach vorne.
Aufgrund der Pandemie wird das Benefizkonzert am 10. Dezember online stattfinden. Auf welcher Bühne stehen Sie da – und wie kommen Sie bei solchen Konzerten in Stimmung?
Ich habe mein Arbeitszimmer im Keller erweitert und umgebaut zum Video-Studio. Das ist also meine Bühne – und natürlich aufregend, weil ich das Publikum nicht vor mir sehe. Wenn ich aber aus der Regie höre: »200 Leute im Stream« reicht mir das, um in Stimmung zu kommen. Ich freue mich darauf, beim Konzert am 10. Dezember das Leben zu feiern! Und darauf, mit meinem sehr guten Freund Tobi ein neues Erlebnis vor hoffentlich großem Publikum zu zaubern.
Warum ist es besonders jetzt wichtig, sich für Flüchtlinge und deren Schutz zu engagieren?
Es wird wieder offen von Mauern geredet, das erschreckt mich. Wir schotten uns ab in Europa, es herrscht immer stärker eine Jeder-für-sich-Mentalität. Aber das ist nicht der Weg nach vorne. Es muss eine Bewegung geben in Richtung Öffnung und Verteilungsgerechtigkeit. Nicht zuletzt hängt Flucht auch mit Klimawandel zusammen.
Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung mit Blick auf Asylsuchende?
Ich wünsche mir, dass sich die neue Bundesregierung nicht von rechten Stimmungsmachern die Choreo diktieren lässt. Sondern dass unsere Politikerinnen und Politiker positiv denken, was möglich ist, welche Chancen uns Migration auch eröffnet.
Lassen Sie uns einen Blick in die Glaskugel werfen: Was meinen Sie: Werden Ihre vier Kinder einmal erleben, dass ein Geflüchteter aus Afghanistan Bundesminister wird?
Wenn wir Glück haben schon. Im Vergleich zu der Zeit von vor 20 Jahren ist ja bereits einiges aufgebrochen, wir haben nicht mehr nur weiße, deutsche Männer in der Politik. Ich könnte mir das also vorstellen, ja.
»Alles wird gut« heißt eines Ihrer Alben. Was gibt Ihnen persönlich in schwierigen Situationen die Kraft, sich wieder aufzurappeln und das »Krönchen zu richten«?
Meine schwierigen Zeiten sind nicht vergleichbar mit denen, die Geflüchtete erleben. Ich habe ein Einkommen und ein Dach über dem Kopf, meine Familie und ich sind gesund. Aber wenn ich ein Tief habe, richtet mich meine Frau wieder auf. Meine Familie ist ein ganz wichtiger Halt für mich. Darüber hinaus ist es die Spiritualität, das Im-Hier-und-Jetzt-sein, akzeptieren, was ist. Von fernöstlichen spirituellen Richtungen habe ich gelernt: Wir haben nur den Moment jetzt. Das erfreut genießen zu können, ist eine Kunst. »Jetzt ist deine Zeit« habe ich deshalb eines meiner Lieder genannt, und das ist auch der Titel meines Buches. Aber wie gesagt: Das gilt für mich, für uns, die wir in Sicherheit leben. Das lässt sich nicht übertragen auf existenzielle Notsituationen, die zum Beispiel Flüchtlinge erleben.
Bitte vervollständigen Sie den Satz: »Wenn ich ein Flüchtling wär…«
… dann würde ich hoffen, dass ich zufällig die richtigen Leute treffe und zu den wenigen zähle, die Glück haben.
(er)
Eddi Hüneke gründete 1990 mit vier Schulfreunden die Wise Guys. Mit ihnen veröffentlichte er 13 Alben, gewann einen Echo, fünf Goldene Schallplatten und Millionen Fans. Mit den Wise Guys bestritt er im Laufe der 25jährigen Band-Karriere über 3.000 Konzerte. Eddi Hüneke wagte den Schritt von der erfolgreichsten A‑Cappella-Band Deutschlands ins Ungewisse. Jetzt ist er mit dem »Typ im blauen T‑Shirt« unterwegs. Mehr unter www.eddihueneke.de