17.11.2021
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Eddi Hüneke gründete 1990 mit vier Schulfreunden die Wise Guys. Mit ihnen veröffentlichte er 13 Alben, gewann einen Echo, fünf Goldene Schallplatten und Millionen Fans.

Zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember wird Eddi Hüneke, Mitbegründer der Wise Guys, ein Online-Benefizkonzert zugunsten von PRO ASYL veranstalten. Im Interview spricht er über musikalisches Brückenschlagen, den Flüchtlingsschutz und Spiritualität.

Eddi, wie kamen Sie dazu, sich für Flücht­lin­ge einzusetzen?

Direkt nach der Schu­le, 1991/92, habe ich andert­halb Jah­re lang in einer Flücht­lings­un­ter­kunft in Brüs­sel gear­bei­tet, als Frei­wil­li­ger im Rah­men der »Akti­on Süh­ne­zei­chen«. Das war eine Art Zivil­dienst im Aus­land. Offi­zi­ell war ich dort als Haus­meis­ter tätig. Die Flücht­lin­ge dort kamen über­wie­gend aus afri­ka­ni­schen Län­dern, aber auch aus Ost­eu­ro­pa und Süd­asi­en. Das war eine super span­nen­de Zeit für mich.

Sie haben auf­grund Ihrer Fami­li­en­ge­schich­te und Ihres Theo­lo­gie-Stu­di­ums einen Bezug zur Kir­che und zum Glau­ben. Spielt das für Ihr Enga­ge­ment für Flücht­lin­ge eine Rolle?

Sicher, ich kann die­ses Wer­te­ge­rüst nicht weg­den­ken. Ich sehe es als Kern­ele­ment aller Reli­gio­nen, dass man sich für die ein­setzt, die es nötig haben. Und das Recht auf Asyl gehört für mich zur abend­län­di­schen Kul­tur, zu christ­li­chen Wer­ten. Die Men­schen­rech­te sind so eine gro­ße Errungenschaft!

Man muss sich sprach­lich nicht ver­ste­hen, um sich musi­ka­lisch ver­stän­di­gen zu können.

Musik kann Brü­cken bau­en zwi­schen Men­schen aus ver­schie­de­nen Län­dern und Kul­tu­ren. In wel­chen Situa­tio­nen haben Sie das per­sön­lich erlebt?

Das habe ich öfter erlebt, ange­fan­gen in dem Flücht­lings­heim in Brüs­sel, wo ich es groß­ar­tig fand, Afri­ka­ne­rin­nen und Afri­ka­nern beim Sin­gen zuzu­hö­ren, bis hin zu einer Rei­se nach Süd­afri­ka in ein Armen­vier­tel, wo die Men­schen begeis­tert waren, als wir, die Wise Guys, gesun­gen haben. Man muss sich sprach­lich nicht ver­ste­hen, um sich musi­ka­lisch ver­stän­di­gen zu kön­nen. Ich bin zum Bei­spiel seit vie­len Jah­ren befreun­det mit einer Fami­lie aus Indi­en, die seit zig Gene­ra­tio­nen Musik auf höchs­tem Niveau macht, dem Maha­raj Trio. Bei einer Kon­zert­rei­se 2019 in Hürth bei Köln haben wir zusam­men eine Art Med­ley aus der indi­schen und der deut­schen Natio­nal­hym­ne gespielt. Das war total erhe­bend. Es ist ein­fach schön zu sehen, was für eine ande­re Welt Musik auf­macht. Das ist sehr bereichernd.

Wel­cher Song drückt den Zeit­geist gera­de beson­ders gut aus?

Was ist denn ‚der‘ Zeit­geist? Es gibt ja ganz ver­schie­de­ne Strö­mun­gen in der Gesell­schaft. Klar, es gibt vie­le, die Angst haben vor Flücht­lin­gen und all­ge­mein vor dem Frem­den. Ein im posi­ti­ven Sin­ne nai­ves Gegen­ge­wicht dazu drückt das Lied »Lass sie rein« von Ste­fan Stop­pok aus, in dem es ja um Flücht­lin­ge geht. Dafür hat er einen ordent­li­chen Shit­s­torm geern­tet, aber ich den­ke, dass der Song die Hal­tung von vie­len Men­schen aus­drückt und damit durch­aus eine Art Zeit­geist ist: Offen und soli­da­risch zu sein gegen­über denen, die bei uns Schutz suchen.

Gesell­schafts­kri­tik war Ihnen und den Wise Guys immer wich­tig. Wie gelingt die Grat­wan­de­rung, die­se Kri­tik durch Musik zu üben, ohne zu sehr den mora­li­schen Zei­ge­fin­ger zu erheben?

Das ist immer wie­der die gro­ße Her­aus­for­de­rung. Ich hal­te den sati­ri­schen Weg für geeig­net, wie wir ihn etwa mit dem Song »Wir baun die Mau­er wie­der auf« gegan­gen sind. Da haben wir extrem über­zeich­net die Volks­tü­me­lei auf‘s Korn genom­men. Aber es geht auch anders: Wenn ich ein Bene­fiz­kon­zert zuguns­ten von PRO ASYL ver­an­stal­te, wenn wir uns dabei zwi­schen­drin über Afgha­ni­stan unter­hal­ten und mit PRO ASYL-Geschäfts­füh­rer Gün­ter Burk­hardt spre­chen, ist die Bot­schaft ganz klar – dann müs­sen nicht auch noch alle Lie­der das thematisieren.

Wir schot­ten uns ab in Euro­pa, es herrscht immer stär­ker eine Jeder-für-sich-Men­ta­li­tät. Aber das ist nicht der Weg nach vorne.

Auf­grund der Pan­de­mie wird das Bene­fiz­kon­zert am 10. Dezem­ber online statt­fin­den. Auf wel­cher Büh­ne ste­hen Sie da – und wie kom­men Sie bei sol­chen Kon­zer­ten in Stimmung?

Ich habe mein Arbeits­zim­mer im Kel­ler erwei­tert und umge­baut zum Video-Stu­dio. Das ist also mei­ne Büh­ne – und natür­lich auf­re­gend, weil ich das Publi­kum nicht vor mir sehe. Wenn ich aber aus der Regie höre: »200 Leu­te im Stream« reicht mir das, um in Stim­mung zu kom­men. Ich freue mich dar­auf, beim Kon­zert am 10. Dezem­ber das Leben zu fei­ern! Und dar­auf, mit mei­nem sehr guten Freund Tobi ein neu­es Erleb­nis vor hof­fent­lich gro­ßem Publi­kum zu zaubern.

War­um ist es beson­ders jetzt wich­tig, sich für Flücht­lin­ge und deren Schutz zu engagieren?

Es wird wie­der offen von Mau­ern gere­det, das erschreckt mich. Wir schot­ten uns ab in Euro­pa, es herrscht immer stär­ker eine Jeder-für-sich-Men­ta­li­tät. Aber das ist nicht der Weg nach vor­ne. Es muss eine Bewe­gung geben in Rich­tung Öff­nung und Ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit. Nicht zuletzt hängt Flucht auch mit Kli­ma­wan­del zusammen.

Was wün­schen Sie sich von der neu­en Bun­des­re­gie­rung mit Blick auf Asylsuchende?

Ich wün­sche mir, dass sich die neue Bun­des­re­gie­rung nicht von rech­ten Stim­mungs­ma­chern die Cho­reo dik­tie­ren lässt. Son­dern dass unse­re Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker posi­tiv den­ken, was mög­lich ist, wel­che Chan­cen uns Migra­ti­on auch eröffnet.

Las­sen Sie uns einen Blick in die Glas­ku­gel wer­fen: Was mei­nen Sie: Wer­den Ihre vier Kin­der ein­mal erle­ben, dass ein Geflüch­te­ter aus Afgha­ni­stan Bun­des­mi­nis­ter wird?

Wenn wir Glück haben schon. Im Ver­gleich zu der Zeit von vor 20 Jah­ren ist ja bereits eini­ges auf­ge­bro­chen, wir haben nicht mehr nur wei­ße, deut­sche Män­ner in der Poli­tik. Ich könn­te mir das also vor­stel­len, ja.

»Alles wird gut« heißt eines Ihrer Alben. Was gibt Ihnen per­sön­lich in schwie­ri­gen Situa­tio­nen die Kraft, sich wie­der auf­zu­rap­peln und das »Krön­chen zu richten«?

Mei­ne schwie­ri­gen Zei­ten sind nicht ver­gleich­bar mit denen, die Geflüch­te­te erle­ben. Ich habe ein Ein­kom­men und ein Dach über dem Kopf, mei­ne Fami­lie und ich sind gesund. Aber wenn ich ein Tief habe, rich­tet mich mei­ne Frau wie­der auf. Mei­ne Fami­lie ist ein ganz wich­ti­ger Halt für mich. Dar­über hin­aus ist es die Spi­ri­tua­li­tät, das Im-Hier-und-Jetzt-sein, akzep­tie­ren, was ist. Von fern­öst­li­chen spi­ri­tu­el­len Rich­tun­gen habe ich gelernt: Wir haben nur den Moment jetzt. Das erfreut genie­ßen zu kön­nen, ist eine Kunst. »Jetzt ist dei­ne Zeit« habe ich des­halb eines mei­ner Lie­der genannt, und das ist auch der Titel mei­nes Buches. Aber wie gesagt: Das gilt für mich, für uns, die wir in Sicher­heit leben. Das lässt sich nicht über­tra­gen auf exis­ten­zi­el­le Not­si­tua­tio­nen, die zum Bei­spiel Flücht­lin­ge erleben.

Bit­te ver­voll­stän­di­gen Sie den Satz: »Wenn ich ein Flücht­ling wär…« 

… dann wür­de ich hof­fen, dass ich zufäl­lig die rich­ti­gen Leu­te tref­fe und zu den weni­gen zäh­le, die Glück haben.

(er)

Eddi Hüne­ke grün­de­te 1990 mit vier Schul­freun­den die Wise Guys. Mit ihnen ver­öf­fent­lich­te er 13 Alben, gewann einen Echo, fünf Gol­de­ne Schall­plat­ten und Mil­lio­nen Fans. Mit den Wise Guys bestritt er im Lau­fe der 25jährigen Band-Kar­rie­re über 3.000 Kon­zer­te. Eddi Hüne­ke wag­te den Schritt von der erfolg­reichs­ten A‑Cap­pel­la-Band Deutsch­lands ins Unge­wis­se. Jetzt ist er mit dem »Typ im blau­en T‑Shirt« unter­wegs. Mehr unter www.eddihueneke.de