16.07.2013
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Gibt es Sicherheit ohne Obdach? Das Bild zeigt eine tschetschenische Flüchtlingsfamilie im Oktober 2012, die in Polen einen Schutzstatus erhalten hat, aber nicht aus dem Aufnahmezentrum ausziehen kann, da sie keine Wohnung erhält. <a href="http://www.flickr.com/x/t/0096009/photos/unhcr/9005285904/">UNHCR / R. Kostrzyński / October 2012</a>

Im ersten Halbjahr 2013 ist die Zahl der Asylanträge deutlich gestiegen. Doch anders als Bundesinnenminister Friedrich unterstellt, ist dafür nicht massenhafter Asylmissbrauch verantwortlich, sondern die Situation in den Herkunftsländern.

Im ers­ten Halb­jahr des lau­fen­den Jah­res sind die Asyl­an­trags­zah­len in Deutsch­land deut­lich gestie­gen, wie aus einer Pres­se­er­klä­rung des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums her­vor­geht. So wur­den im ers­ten Halb­jahr 2013 beim Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge 43.016 Asy­l­erst­an­trä­ge gestellt – im Ver­gleich zum ers­ten Halb­jahr 2012 ist die Zahl der Asyl­su­chen­den damit um knapp 20.000 Per­so­nen gestiegen.

Ange­sichts der gestie­ge­nen Asyl­an­trags­zah­len fol­gert Innen­mi­nis­ter Fried­rich, nun müs­se „der Auf­ent­halt derer, die nur aus miss­bräuch­li­chen oder asyl­frem­den Grün­den zu uns kom­men, schnell been­det wer­den.“ Fried­rich unter­stellt damit, der Anstieg sei auf mas­sen­haf­ten Asyl­miss­brauch zurück­zu­füh­ren. Die­se Unter­stel­lung ist gefähr­lich und falsch.

Nicht die Schutz­su­chen­den sind ver­ant­wort­lich für die hohen Asyl­an­trags­zah­len, son­dern die Situa­ti­on in ihren Her­kunfts­län­dern. An zwei­ter und drit­ter Stel­le der Haupt­her­kunfts­län­der ste­hen Syri­en (4.517) und Afgha­ni­stan (3.448). An ers­ter Stel­le der Haupt­her­kunfts­län­der steht die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on (9.957 Asyl­an­trä­ge). Dies geht auf die kata­stro­pha­le Men­schen­rechts­la­ge im Nord­kau­ka­sus zurück. In Tsche­tsche­ni­en, Dage­stan und Ingu­sche­ti­en herr­schen Will­kür und Ver­fol­gung von staat­li­cher Sei­te und Gewalt­ta­ten sei­tens isla­mis­ti­scher Grup­pen, wie unter ande­rem aus einem Bericht zur Men­schen­rechts­la­ge in den nord­kau­ka­si­schen Repu­bli­ken Dage­stan, Tsche­tsche­ni­en und Ingu­sche­ti­en der Gesell­schaft für Bedroh­te Völ­ker hervorgeht.

Fried­richs Aus­sa­gen sind ange­sichts des­sen irre­füh­rend und gefähr­lich, sie schü­ren Res­sen­ti­ments gegen Asyl­su­chen­de. Wie gefähr­lich dies ist, zei­gen Pro­tes­te gegen Asyl­be­wer­ber­un­ter­künf­te in Ber­lin-Hel­lers­dorf und an ande­ren Orten, bei denen auch aus der Mit­te der Gesell­schaft her­aus mit ras­sis­ti­schen Ste­reo­ty­pen und Vor­ur­tei­len gegen­über Asyl­su­chen­den argu­men­tiert wird.

Mit sei­ner Aus­sa­ge bekräf­tigt Fried­rich zugleich sei­ne bis­he­ri­ge Stra­te­gie, Asyl­su­chen­de aus ver­meint­lich siche­ren Her­kunfts­re­gio­nen in Schnell­ver­fah­ren zu prio­ri­sie­ren und Ver­fah­ren von Schutz­su­chen­den mit guten Aner­ken­nungs­chan­cen auf die lan­ge Bank zu schie­ben. Dies hat schon in den ers­ten Mona­ten des Jah­res zu einer noch­mals dras­ti­schen Ver­län­ge­rung der Asyl­ver­fah­rens­dau­er gera­de für die­je­ni­gen geführt, die rela­tiv gute Aner­ken­nungs­chan­cen haben. Die­se Stra­te­gie ist fatal: Die einen unter­lie­gen einem sche­ma­ti­schen Schnell­ver­fah­ren, die ande­ren ver­lie­ren Jah­re ihres Lebens in per­ma­nen­ter Ungewissheit.

 PRO ASYL zur Asyl­sta­tis­tik 2013: (10.01.14)

 Das Pro­blem heißt Ras­sis­mus (22.08.13)

 Innen­mi­nis­ter Fried­rich unter­stellt reflex­haft mas­sen­haf­ten Asyl­miss­brauch (16.07.13)