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Unüberwindbare Grenzen nach außen, Entrechtung von Schutzsuchenden im Inneren: So sieht die neue europäische Flüchtlingspolitik aus. Foto: Reuters / Laszlo Balogh

Amnesty International, die Arbeiterwohlfahrt, Diakonie Deutschland, der Paritätische Gesamtverband, der Jesuiten-Flüchtlingsdienst, die Neue Richtervereinigung und PRO ASYL richten angesichts der Sondierungsverhandlungen einen dringenden Appell an die beteiligten Parteien. Die deutsche Bundesregierung bestimmt maßgeblich mit, ob es künftig in Europa überhaupt noch den Zugang zum individuellen Asylrecht gibt.

Die Orga­ni­sa­tio­nen appel­lie­ren vor die­sem Hin­ter­grund an die Par­tei­spit­zen von CDU/CSU, FDP und Bünd­nis 90/Die Grü­nen, »dafür zu sor­gen, dass sich die Bun­des­re­gie­rung für den Erhalt der gel­ten­den völ­ker­recht­li­chen, men­schen­recht­li­chen und euro­pa­recht­li­chen Stan­dards ein­setzt. Men­schen, die vor Krieg, Ter­ror und Ver­fol­gung flie­hen, brau­chen Schutz – auch in Europa.«

Schutz vor Zurück­wei­sung, rechts­staat­li­che Ver­fah­ren, Garan­tie der Über­prü­fung von Behör­den­ent­schei­dun­gen durch unab­hän­gi­ge Gerich­te: all dies ist in Gefahr, wenn die aktu­el­len Plä­ne rea­li­siert wer­den. Asyl­su­chen­de dür­fen nicht ohne inhalt­li­che Prü­fung des Asyl­an­trags an Euro­pas Gren­zen zurück­ge­schickt wer­den. Genau dies ist auf EU-Ebe­ne vor­ge­se­hen. Es geht bei den Son­die­rungs­ver­hand­lun­gen nicht nur um Deutsch­land, es geht um Europa.

»Deutsch­land ist ent­we­der Loko­mo­ti­ve für ein Euro­pa der Men­schen­rech­te oder es macht wei­ter mit in der Alli­anz der Zer­stö­rer der Flücht­lings­rech­te in Europa.«

Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer PRO ASYL

»Ein so gra­vie­ren­der Sys­tem­wech­sel, wie er mit der Umge­stal­tung des Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems aktu­ell geplant ist, darf nicht von einer feder­füh­ren­den Regie­rung vor­an­ge­trie­ben werden«

Ulrich Schnei­der, Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Pari­tä­ti­schen Gesamtverbands

Die Reform des Euro­päi­schen Asyl­sys­tems, in der von der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on vor­ge­schla­ge­nen und von den Mit­glied­staa­ten wei­ter­ver­han­del­ten Form, bedeu­tet einen Abbau des Asyl­rechts und muss jetzt unmiss­ver­ständ­lich the­ma­ti­siert wer­den. Denn kein Koali­ti­ons­part­ner hat spä­ter die Chan­ce, wir­kungs­voll die zwi­schen den mehr­heit­lich »flücht­lings­feind­li­chen« EU-Staa­ten ver­ab­re­de­ten Rege­lun­gen noch zu beein­flus­sen. Die Ver­hand­lun­gen wer­den bereits seit über einem Jahr intrans­pa­rent durch das CDU-geführ­te Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um bestimmt. Der deut­sche Bun­des­tag und klei­ne­re Koali­ti­ons­part­ner wer­den de fac­to vor voll­ende­te Tat­sa­chen gestellt, denn EU-Ver­ord­nun­gen sind sofort gel­ten­des Recht.

»Ich erwar­te von der neu­en Bun­des­re­gie­rung, dass sie sich mit star­ker Stim­me für den Erhalt der Prü­fung von indi­vi­du­el­len Asyl­grün­den in der EU genau­so enga­giert ein­setzt wie sie das beim Ret­tungs­schirm für die Ban­ken oder in der Grie­chen­land­kri­se getan hat. Die­ser glei­che Ein­satz muss auch für eine gerech­te Ver­tei­lung von Flücht­lin­gen in Euro­pa gel­ten. Deutsch­land und die EU sind his­to­risch und recht­lich in der Ver­pflich­tung – und als eine der reichs­ten Regio­nen der Welt auch in der Lage und in der Verantwortung‑, das Men­schen­recht auf Schutz und Asyl zu gewähr­leis­ten. Wenn wir in Euro­pa dafür nicht ein­ste­hen, wer dann?«

Prä­si­dent der Dia­ko­nie Deutsch­land, Ulrich Lilie

Die unter­zeich­nen­den Orga­ni­sa­tio­nen erwar­ten von den Son­die­rungs­par­tei­en, dass sie alles dafür tun, dass künf­tig in Deutsch­land und in der EU eine Flücht­lings­po­li­tik auf Basis der Men­schen­rech­te, der EU-Grund­rech­te­char­ta, der EMRK, des inter­na­tio­na­len Flücht­lings­rechts und selbst­ver­ständ­lich auch ent­spre­chend den Wer­ten und Nor­men des Grund­ge­set­zes ver­folgt wird.