20.12.2019
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Deutschland freut sich aufs Familienfest. Tausende geflüchtete Menschen warten währenddessen immer noch in voller Sorge auf ihre Angehörigen. Foto: Alberto Fabregas / pixabay

Das Fest der Familie steht bevor, doch für viele getrennte Flüchtlingsfamilien wird es keine Wiedersehensfreude geben. Wie befürchtet wird das ohnehin dürftige Monatskontingent nicht ausgeschöpft; die Zahl der erteilten Visa bleibt seit Monaten deutlich unter 1000.

Am 1. August 2018 wur­de das Grund­recht auf Fami­lie für sub­si­di­är Geschütz­te in ein Gna­den­kon­tin­gent von 1.000 Per­so­nen pro Monat umge­wan­delt. 14 Mona­te spä­ter zeigt sich, dass nicht ein­mal die­ser Mini­mal­kon­sens in der Pra­xis voll­stän­dig umge­setzt wird. PRO ASYL hat­te bereits im Som­mer vor die­ser Ent­wick­lung gewarnt.

Kontingent wird nicht ausgeschöpft 

Fast 20 Pro­zent des von der Gro­ßen Koali­ti­on in Ber­lin in einem lan­ge ver­han­del­ten Kom­pro­miss ver­spro­che­nen Visa­kon­tin­gents wur­den bis­her nicht aus­ge­schöpft. Nach aktu­el­len Zah­len des Aus­wär­ti­gen Amtes wur­den in den ers­ten 16 Mona­ten nach Inkraft­tre­ten der Neu­re­ge­lung der Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung für sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­te von den 16.000 mög­li­chen Visa nur rund 13.000 Visa erteilt.

Das bedeu­tet: 3.000 Per­so­nen, die zum Jah­res­en­de 2019 längst mit ihren Ange­hö­ri­gen in Deutsch­land hät­ten ver­eint sein kön­nen, sind wei­ter­hin von die­sen getrennt.

Das bedeu­tet: 3.000 Per­so­nen, die zum Jah­res­en­de 2019 längst mit ihren Ange­hö­ri­gen in Deutsch­land hät­ten ver­eint sein kön­nen, sind wei­ter­hin von die­sen getrennt. Die Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen lei­den in Syri­en, den Anrai­ner­staa­ten und ande­ren Regio­nen welt­weit unter wid­rigs­ten und lebens­be­droh­li­chen Bedin­gun­gen. Dar­un­ter sind auch vie­le Kleinkinder.

Zum 31. August 2019 war­te­ten welt­weit über 24.000 ange­hö­ri­ge Per­so­nen, dar­un­ter vie­le Kin­der auf einen Visum­an­trags­ter­min (Bun­des­tags-Druck­sa­che 19/13890, S. 34 f).

Intransparenter Verfahrensdschungel

Die Grün­de dafür lie­gen unter ande­rem dar­in, dass 2018 die Auf­nah­me der Visa­be­ar­bei­tung durch das über­bü­ro­kra­ti­sier­te Ver­fah­ren lan­ge Zeit in Anspruch nahm. Von den mög­li­chen 5.000 Visa für 2018 wur­den so gera­de mal 2.612 erteilt.

Die offen geblie­be­nen Plät­ze wur­den jedoch nicht in das nach­fol­gen­de Jahr über­tra­gen. Für 2019 lässt sich schon seit Juni anhand der Zah­len des AA fest­stel­len, dass die die für eine Visa­er­tei­lung erfor­der­li­chen Zustim­mungs­ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­wal­tungs­am­tes monat­lich bei unter 1.000 Per­so­nen lie­gen. Die Grün­de hier­für blei­ben in dem sehr intrans­pa­ren­ten Ver­fah­ren viel­fach unklar.

Zur Ent­wick­lung der Zah­len Janu­ar bis Sep­tem­ber 2019: Bun­des­tags-Druck­sa­che 19/14460, Sei­te 25.

Zur Ent­wick­lung im Okto­ber bis Novem­ber 2019 sie­he Ant­wort zur Fra­ge 31 des Ple­nar­pro­to­kolls 19/133 vom 28.November 2019.

Familien bleiben weiter getrennt

Für die betrof­fe­nen Fami­li­en bedeu­tet dies die Fort­set­zung ihre Leids und der Unge­wiss­heit. Kin­der blei­ben von ihren Eltern, Eltern von ihren Kin­dern getrennt, wie die zwei nach­fol­gen­den Fäl­le zeigen.

Der  heu­te 14-jäh­ri­ge Moham­med A. flüch­tet Ende 2015 als 10-Jäh­ri­ger zusam­men mit sei­nem Onkel und des­sen Ehe­frau nach Deutsch­land. Moham­meds Vater ist Mit­glied einer kur­di­schen Par­tei und steht wegen sei­ner poli­ti­schen Akti­vi­tä­ten und der Ver­wei­ge­rung des Mili­tär­diens­tes auf der Fahn­dungs­lis­te des syri­schen Regimes.

Nach der beängs­ti­gen­den Flucht zu Fuß über die Tür­kei, mit dem Schlauch­boot über das Mit­tel­meer und dann per Bus und Zug nach Deutsch­land wird Moham­med meh­re­re Mona­te von sei­nem Onkel und sei­ner Tan­te getrennt unter­ge­bracht. Es geht ihm in die­ser Zeit sehr schlecht und er weint viel. Die Grün­de für eine wei­te­re Tren­nung von den ver­trau­ten Fami­li­en­mit­glie­dern sind ihm nicht zu vermitteln.

Im Febru­ar 2017 erhält Moham­med A. den sub­si­diä­ren Schutz­sta­tus vom Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge. Als ihm erklärt wird, dass er mit die­sem Sta­tus sei­ne Eltern zum dama­li­gen Zeit­punkt nicht wür­de nach­zie­hen las­sen kön­nen, löst dies eine schwe­re Kri­se bei ihm aus. Er ver­wei­gert jeg­li­ches Gespräch über sei­ne Eltern und ver­sucht sei­nen Schmerz und sei­ne Wut zu unter­drü­cken. Moham­med besucht dann aber nach lan­gen Tie­fen erfolg­reich die Schu­le und erhält gute Unterstützung.

Die Situa­ti­on sei­ner Fami­lie, dar­un­ter vier Schwes­tern im Alter zwi­schen 6 und 13 Jah­ren,  im Flücht­lings­la­ger im Nord­irak gestal­tet sich als per­spek­tiv­los. Der Vater lei­det unter Nie­ren­stei­nen, kann sich eine Ope­ra­ti­on jedoch finan­zi­ell nicht leis­ten. Die Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on IS fasst in der Regi­on zuneh­mend wie­der Fuß.

Die Aus­län­der­be­hör­de ver­langt für die vier min­der­jäh­ri­gen Schwes­tern jeweils eine Ver­pflich­tungs­er­klä­rung für Wohn­raum und den Lebens­un­ter­halt. Die Eltern ste­hen vor einem nicht auf­lös­ba­ren Dilemma.

Moham­meds Fami­lie muss in ihrer ver­zwei­fel­ten Lage drei Mal eine Ter­min­num­mer beim Deut­schen Gene­ral­kon­su­lat in Erbil buchen. Zwei­mal wer­den die Ter­min­an­trä­ge auf­grund der ver­än­der­ten Rechts­la­ge für ungül­tig erklärt. Bereits vor Inkraft­tre­ten der Neu­re­ge­lung der Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung zu sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ten zum 01. August 2018 stellt die Fami­lie beim Aus­wär­ti­gen Amt einen Här­te­fall­an­trag, erfolglos.

Im Früh­jahr 2019 erhält die Fami­lie schließ­lich ihren Ter­min zur Visumantragstellung.

Die Anträ­ge lie­gen mitt­ler­wei­le seit meh­re­ren Mona­te bei der loka­len Aus­län­der­be­hör­de. Die­se ver­langt aller­dings für die vier min­der­jäh­ri­gen Schwes­tern jeweils eine Ver­pflich­tungs­er­klä­rung für Wohn­raum und den Lebens­un­ter­halt. Die Eltern ste­hen vor einem nicht auf­lös­ba­ren Dilemma.

Herr. Z. ist 40 Jah­re alt und kommt aus dem Sudan. Mit­te 2015 flüch­tet er nach Deutsch­land. Zwei Jah­re spä­ter, 2017, erhält er vom Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge den sub­si­diä­ren Schutz­sta­tus. Er ist ver­hei­ra­tet und hat zwei Töch­ter im Alter von 5 und 9 Jah­ren. Die Ehe­frau muss sich bis heu­te vor den Repres­sa­li­en der suda­ne­si­schen Poli­zei ver­ste­cken und lebt bei Ver­wand­ten auf dem Dorf.

Herr Z. erlernt die deut­sche Spra­che und arbei­tet bereits seit rund 2 Jah­ren sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig in der geho­be­nen Gastronomie.

Die Fami­lie lebt seit vier­ein­halb Jah­ren von­ein­an­der getrennt.

Als zum 01. August 2018 die Neu­re­ge­lung der Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung zu sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ten nach vor­he­ri­ger 2,5‑jähriger Aus­set­zung in Kraft tritt, bean­tragt die Ehe­frau einen Ter­min zur Visum­an­trags­stel­lung bei der Deut­schen Bot­schaft Khar­tum. Mehr­fach ver­sucht der Unterstützer*innenkreis einen bal­di­gen Ter­min zu erhal­ten. Die mas­si­ven Unru­hen im Sudan im Jahr 2019 beun­ru­hig­ten Herrn Z. und die Fami­lie sehr.

Lan­ge Zeit spä­ter kön­nen die Visa­an­trä­ge end­lich gestellt wer­den. Nun lie­gen sie bei der loka­len Aus­län­der­be­hör­de. Die­se weist dar­auf hin, dass eine Prü­fung nun wei­te­re Mona­te dau­ern wer­de. Die Fami­lie lebt seit vier­ein­halb Jah­ren von­ein­an­der getrennt.

(akr)