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EuGH-Urteil: Frontex-Leitlinien undemokratisch
EU muss menschenrechtliche Leitlinien für Frontex-Seepatrouillen neu regeln
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 5. September 2012 den Beschluss über die See-Operationen von Frontex für nichtig erklärt. Die darin geregelten Leitlinien bleiben jedoch so lange in Kraft, bis im Rahnen einer angemessenen Frist eine Neuregelung erlassen wird.
Leitlinien nicht weitgehend genug
Die nun für rechtswidrig erklärten Frontex-Leitlinien regeln, welche menschenrechtlichen Maßstäbe Seepatrouillen einhalten müssen. Zum Beispiel ist darin festgelegt, dass die Frontex-Patrouillen das Zurückweisungsverbot nach der Genfer Flüchtlingskonvention beachten müssen. Menschenrechtsorganisationen gehen die bestehenden Leitlinien nicht weit genug. Sie sehen darin nicht mehr als einen ersten Schritt, um die Menschenrechte auf hoher See wirksam durchzusetzen. Die Frontex-Leitlinien sind an mehreren Stellen zu unkonkret, zum Beispiel in der Frage, wann Bootsflüchtlinge auf EU-Territorium gebracht werden müssen.
Kompetenz des EU-Parlaments umgangen
Der EuGH hat die Frontex-Leitlinien nun jedoch nicht aus inhaltliche Gründen gekippt, sondern weil sie nicht unter ausreichend demokratischer Beteiligung zustande gekommen sind. Sie wurden nämlich nur vom Rat und nicht auch vom EU-Parlament verabschiedet. Mit dem Beschluss wurden jedoch wesentliche Bestimmungen des Schengener Grenzkodexes geändert, der vom Parlament mitbeschlossen worden ist. Die Gesetzgebungskompetenz des EU-Parlaments wurde durch den Beschluss der Leitlinien also in unzulässiger Weise umgangen.
Menschenrechte von Bootsflüchtlingen „wesentlich“
Der Gerichtshof stellt fest, dass der Gesetzgeber der Europäischen Union eine Materie dann selbst zu regeln hat, wenn sie wesentlich ist. Der EU-Gesetzgeber besteht in der Regel aus Rat und Parlament. Dass der EuGH den menschenrechtskonformen Umgang mit Bootsflüchtlingen als „wesentlich“ eingestuft hat, ist zu begrüßen. Die Wesentlichkeit ergibt sich laut EuGH unter anderem daraus, dass bei Frontex-Einsätzen in die Grundrechte der betroffenen Bootsflüchtlinge in relevanter Weise eingegriffen werden könnte.
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