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EU-Gipfel: 40.000 Flüchtlinge sollen umgesiedelt werden
Alleine im ersten Halbjahr 2015 kamen 102.000 Bootsflüchtlinge nach Italien und Griechenland. Die humanitäre Not wächst: Tausende bleiben ohne Versorgung und sind obdachlos. Die EU-Staaten wollen nun innerhalb von zwei Jahren 40.000 umsiedeln. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Den Preis zahlen die Flüchtlinge.
Nach zähem Ringen haben sich die europäischen Staats- und Regierungschefs darauf geeinigt, innerhalb von zwei Jahren 40.000 Flüchtlinge – vor allem syrische und eritreische Schutzsuchende – aus Italien (24.000) und Griechenland (16.000) umzusiedeln. Zudem sollen 20.000 Flüchtlinge aus Syriens Nachbarländern aufgenommen werden. Dies geht aus einer Mitteilung des EU-Ratspräsidenten hervor.
Verbindliche Zusagen gibt es jedoch nicht. Jeder EU-Staat entscheidet selbst, wie viele aufgenommen werden. Der Vorschlag einer verbindlichen Quote zur Verteilung der 60.000 Flüchtlinge innerhalb der EU scheiterte. Großbritannien, Spanien und osteuropäische Staaten votierten dagegen.
Angesichts der akuten humanitären Krise in Staaten wie Griechenland und Italien sind diese unverbindlichen Zusagen völlig unzureichend. Zehntausende Flüchtlinge sind obdachlos. Es fehlt selbst am Nötigsten. In den ersten sechs Monaten des Jahres kamen nach Angaben des UNHCR in Griechenland bereits 48.000 und in Italien 54.000 Schutzsuchende an. Damit haben sich die Ankunftszahlen im krisengeschüttelten Griechenland im Vergleich zum Vorjahr versechsfacht. Dabei saßen bereits zuvor hunderttausende Schutzsuchende ohne staatliche Hilfe in den beiden Krisenstaaten fest.
Die Ankunftszahlen übersteigen die anvisierten Aufnahmezahlen um ein Vielfaches – selbst wenn die EU-Staaten die vereinbaren 40.000 Plätze zur Verfügung stellen. Ob diese Zahl überhaupt erreicht wird, ist zudem unklar – Deutschland will wohl 8.000 Flüchtlinge aufnehmen. Im Juli wollen die Mitgliedsstaaten noch einmal verhandeln. Mit konkreten Schritten ist nicht vor Herbst zu rechnen. Die EU zeigt sich angesichts einer dramatischen humanitären Krise auf ihrem eigenen Territorium tatenlos und lässt die Staaten an den Außengrenzen und die Flüchtlinge im Stich. Der Druck auf die EU-Grenzstaaten, ihre Grenzen zu Bollwerken gegen Schutzbedürftige auszubauen, wächst damit. Die Folge: An die EU angrenzenden Staaten werden ihrerseits mit Grenzschließungen reagieren, Obdachlosigkeit und soziale Not von Flüchtlingen werden weiterhin zunehmen.
Während nicht einmal ein minimaler EU-Konsens zur Solidarität bei der Aufnahme erzielt werden konnte, sind sich die Staats- und Regierungschefs einig, Abschottungsmaßnahmen auszubauen. „Wir haben vereinbart, unsere Handels- und Entwicklungshilfeabkommen auf der Basis des „more for more“-Prinzips zu nutzen. Zudem wird Frontex mehr Kompetenzen und Ressourcen erhalten um bei der Abschiebung von illegalen Migranten zu helfen“. Konkret bedeutet dies, dass die EU mehr Sammelabschiebungen organisieren will und gleichzeitig von Transitstaaten wie etwa Niger oder Mali erwartet, dass als Gegenleistung für Entwicklungshilfe und Handelsabkommen die Durchreise von Flüchtlingen verhindert wird. Die Gefahr: Das Sterben wird vom Mittelmeer in die Sahara verschoben. Eine verschärfte Rückführungspolitik als Lösungsansatz für die aktuelle Krise zu präsentieren, ist völlig abwegig. Der Großteil der Flüchtlinge, die nun in der EU ankommen, stammt aus Syrien, Irak, Afghanistan, Eritrea und Somalia. Sie werden in der Regel als Flüchtlinge anerkannt und bleiben langfristig in der EU.
Dass die EU Staats- und Regierungschefs die Aufnahme von lediglich 20.000 Flüchtlingen aus Syriens Nachbarländern vereinbart haben, ist beschämend. Seit Ausbruch des Krieges sind mehr als 4 Millionen Menschen aus Syrien geflohen, von denen knapp 1,8 Millionen Personen alleine in der Türkei registriert wurden. Allein in Deutschland liegen 60.000 Anträge von Menschen vor, die darauf hoffen, über ein Bundesprogramm zu ihren Verwandten nach Deutschland kommen zu können. Wenn die Bundesrepublik weiter auf Europa wartet, lässt sie die Familien der 130.000 Syrer im Stich, die in Deutschland leben.