25.09.2020
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Das neue Camp Moria 2.0 auf einem ehemaligen Militärstützpunkt in Kara Tepe, Lesbos. Foto: picture alliance / NurPhoto / Nicolas Economou

Gestern ordnete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an, zwei besonders schutzbedürftige Personen aus dem Elend von Moria 2.0 zu befreien. Der Fall wird von Anwält*innen von PRO ASYL/ RSA vertreten. Dennoch verfolgt die griechische Regierung das Ziel, Moria 2.0 alternativlos zu machen.

Ges­tern, am 24.09.2020, wies der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) die grie­chi­sche Regie­rung an, das Leben und die kör­per­li­che Unver­sehrt­heit von zwei vul­ner­ablen Asyl­su­chen­den zu schüt­zen, die in dem neu­en Zelt­la­ger in »Kara Tepe« – Moria 2.0 –  fest­ge­hal­ten wer­den. Das Lager wur­de nach der Zer­stö­rung des EU-Hot­spots Moria Anfang Sep­tem­ber 2020 auf Les­bos eingerichtet.

Der Fall S.A. und O.A. gegen Grie­chen­land wird von den Anwält*innen unse­rer Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on Refu­gee Sup­port Aege­an (RSA) ver­tre­ten. Bereits am 17.Juli 2020 wur­den bei­de als beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge Per­so­nen iden­ti­fi­ziert und hät­ten die Insel ver­las­sen dür­fen. Trotz der vor­he­ri­gen Ent­schei­dung der grie­chi­schen Behör­den, befin­den sich die Antrag­stel­ler nach den Brän­den in Moria Anfang Sep­tem­ber noch immer unter men­schen­un­wür­di­gen Bedin­gun­gen auf der Insel. Unmit­tel­bar nach dem Brand hat die grie­chi­sche Regie­rung ein all­ge­mei­nes Aus­rei­se­ver­bot für Les­bos verhängt.

Der EGMR gewähr­te nun eine vor­läu­fi­ge Maß­nah­men –soge­nann­te »Rule 39« – und ord­ne­te die grie­chi­sche Regie­rung an , »alle erfor­der­li­chen Maß­nah­men zu ergrei­fen, um Leib und Leben der Antrag­stel­ler gemäß Arti­kel 2 und 3 der Kon­ven­ti­on zu schüt­zen und Rück­sicht auf die beson­de­ren Umstän­de und der Ver­wund­bar­keit der Antrag­stel­ler zu neh­men, die in der Ent­schei­dung vom 17. Juli 2020 fest­ge­stellt wurden«.

Arti­kel 39 der Ver­fah­rens­ord­nung erlaubt es, vom Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) vor­läu­fi­ge Maß­nah­men zu ver­lan­gen, wenn ein nicht­wie­der­gut­zu­ma­chen­der Scha­den droht. Im April sind eini­ge sol­cher Ver­fah­ren für vul­nerable Geflüch­te­te aus Moria posi­tiv ver­lau­fen.

Noch vor dem Brand in Moria hat­te das Straß­bur­ger Gericht bereits meh­re­re vor­läu­fi­ge Maß­nah­men ange­ord­net, um die sofor­ti­ge Über­stel­lung meh­re­rer beson­ders schutz­be­dürf­ti­ger Per­so­nen aus dem nun abge­brann­ten EU-Hot­spot Moria zu ver­fü­gen, da die dort herr­schen­den Lebens­be­din­gun­gen nicht den Men­schen­rech­ten entsprachen.

Angriff auf Alternativen zu Moria 2.0

Der­weil kün­dig­te der grie­chi­sche Migra­ti­ons­mi­nis­ters, Notis Mit­a­ra­kis, an, alter­na­ti­ve Auf­nah­me­struk­tu­ren auf Les­bos zu schlie­ßen. Das kom­mu­na­le Camp »Kara Tepe« muss zum Ende des Jah­res sei­ne Arbeit ein­stel­len. Das selbst­or­ga­ni­sier­te Camp »PIKPA« muss Ende Okto­ber schließen.

Die Ankün­di­gung, PIKPA zu schlie­ßen, ist ein Angriff auf alter­na­ti­ve, huma­ne Unterbringungsstrukturen!

Die bei­den Camps haben über die letz­ten Jah­re zehn­tau­sen­de vul­nerable Schutz­su­chen­de auf­ge­nom­men und eine Unter­brin­gung ent­spre­chend ihrer Bedürf­nis­se gewähr­leis­tet. Die Ankün­di­gung, sie nun zu schlie­ßen, ist ein Angriff auf alter­na­ti­ve, huma­ne Unter­brin­gungs­struk­tu­ren. Die grie­chi­sche Regie­rung baut mit dem neu­en »Kara Tepe« ein Moria 2.0. Huma­ne Gegen­ent­wür­fe fin­den in ihren Poli­tik kei­nen Platz.

Evakuierung jetzt!

PRO ASYL und RSA wie­der­ho­len ihren Appell an die grie­chi­sche Regie­rung, die Ver­sor­gung von Schutz­su­chen­den mit aus­rei­chend Nah­rung und Was­ser, sowie ihre Unter­brin­gung in ange­mes­se­nen Unter­künf­ten sicher­zu­stel­len. Die Tau­sen­den auf Les­bos ver­blie­be­nen Schutz­su­chen­den müs­sen gesi­cher­ten Zugang zu sani­tä­ren Ein­rich­tun­gen und zur Gesund­heits­ver­sor­gung erhal­ten. Ihre Gesund­heit und kör­per­li­che Unver­sehrt­heit ist auf­grund der der­zei­ti­gen Bedin­gun­gen in dem neu­en Zelt­la­ger »Kara Tepe« gefährdet.

PRO ASYL und RSA ver­ur­tei­len die Ankün­di­gung des grie­chi­schen Migra­ti­ons­mi­nis­ters, Notis Mit­a­ra­kis, alter­na­ti­ve Auf­nah­me­struk­tu­ren zu schlie­ßen. Das selbst­or­ga­ni­sier­te Camp »PIKPA« und das kom­mu­na­le Camp »Kara Tepe« müs­sen wei­ter arbei­ten dürfen.

Die grie­chi­sche Regie­rung muss für die sofor­ti­ge Über­stel­lung der Schutz­su­chen­den in Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen auf dem Fest­land sor­gen. Euro­päi­sche Mit­glieds­staa­ten wie Deutsch­land müs­sen unmit­tel­bar mehr Kapa­zi­tä­ten zur  Auf­nah­me der Schutz­su­chen­den zur Ver­fü­gung stellen.

(rsa / mz)