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Ein Flüchtlingsbekämpfungs-Deal nach dem anderen: Die EU und ihre »Migrationspartnerschaften«
Das Treffen des Europäischen Rats am 20./21.10. wird zum Abschottungsgipfel: Unter dem Label »Migrationspartnerschaft« werden Abkommen mit einer Reihe von Staaten in Afrika und Asien vorbereitet. Dahinter steckt eine Auslagerungs- und Abschiebepolitik in neokolonialer Manier.
Menschenrechtlich begründete Tabus scheinen sich für die EU erledigt zu haben. In einem PRO ASYL vorliegenden Beschlussentwurf des Europäischen Rates wird gefordert, nach der Schließung der Fluchtroute über die Ägäis nunmehr auch die zentrale Mittelmeerroute dicht zu machen. Auch die Abschiebungen von Griechenland in die Türkei sollen erhöht werden.
EU-Türkei-Deal als Blaupause
Der Türkei-Deal soll verschärft umgesetzt werden. Die EU fordert »weitere Anstrengungen zur Rückführung von Personen von den griechischen Inseln in die Türkei«. Und der schäbige Türkei-Deal soll als Blaupause dienen: Unter dem freundlichen Label »Migrationspartnerschaften« verbirgt sich jedoch neokoloniale Attitüde – nur wer spurt, bekommt EU-Unterstützung.
Unter Einsatz aller finanziellen Daumenschrauben sollen Transit – und Herkunftsländer dabei zur willfährigen Mitarbeit bei der »Flucht- und Migrationskontrolle« gebracht werden. Kurzum: Der bei der Flüchtlingsaufnahme heillos zerstrittene Club der 28 zeigt sich plötzlich einig und entschlossen, wenn es darum geht, eine robuste Abschottungsgemeinschaft zu formen.
Partner mit zweifelhaftem Ruf
Solche Abkommen sollen mit Jordanien und dem Libanon geschlossen werden, außerdem mit den afrikanischen Staaten Niger, Nigeria, Senegal, Mali und Äthiopien. Die EU- Kommission will darüber hinaus das Engagement in Tunesien und Libyen verstärken.
Prüfen will die EU-Außenbeauftragte Mogherini auch Abkommen mit Afghanistan, Pakistan oder Bangladesch. Mit Ägypten gebe es derweil laufende Gespräche, aber Kairo habe bisher keinen Wunsch nach einer »Migrationspartnerschaft« geäußert.
Humanitärer Anstrich, menschenfeindlicher Kern
Die sogenannten »Migrationspartnerschaften« werden dabei als Plan zur Bekämpfung von Fluchtursachen verkauft. Tatsächlich sollen die Staaten aber zur Fluchtverhinderung und zur bereitwilligen Rücknahme von Flüchtlingen und Migrant*innen eingekauft werden.
De facto ein Programm zum Festsetzen von Schutzsuchenden außerhalb Europas, das unter dem Slogan »Bekämpfung von Fluchtursachen« einen humanitären Anstrich bekommen soll. Menschen – und Flüchtlingsrechte spielen bei diesem Ansatz allerdings überhaupt keine Rolle.
Die europäische Politik zielt auf ein Unsichtbarmachen von Geflüchteten und Migrant*innen, der gegen sie verübten Rechtsverletzungen und der tatsächlichen Ursachen von Flucht und Vertreibung ab.
Mit Zuckerbrot und Peitsche zur »Partnerschaft«
Bereits im Juni 2016 wurde der neue »Partnerschaftsrahmen« für Beziehungen zu Transit- und Herkunftsländern von der EU-Kommission angekündigt und damit signalisiert, dass die EU Flucht- und Migrationskontrolle ins Zentrum ihrer Außen- und Entwicklungshilfepolitik rücken will. Aus der häufig gepriesenen notwendigen Kohärenz von Außenpolitik‑, Entwicklungs- und Innenpolitik soll nunmehr eine kohärente, kollektive Schutzverweigerungs- und Abschottungspolitik werden.
Die ausgewählten Partnerländer werden dabei mit Zuckerbrot und vor allem Peitsche gefügig gemacht. Die EU-Kommission spricht noch etwas verklausuliert von einem »Mix aus positiven und negativen Anreizen«, um »die Anstrengungen der Länder zu honorieren, die bereit sind, bei der Migrationskontrolle wirksam mit der EU zusammenzuarbeiten, und um Konsequenzen für jene sicherzustellen, die dies verweigern.«
Der Europäische Rat spart sich dieses sprachliche Blendwerk und droht unverblümt den renitenten Transit – und Herkunftsstaaten. Im Entwurf heißt es, der Rat fordere »unter Einsatz aller einschlägigen – auch entwicklungs- und handelspolitischen – Maßnahmen, Instrumente und Hilfsmittel der EU, die erforderliche Hebelwirkung zu erzeugen und zu nutzen.« (Generalsekretariat des Rates vom 10. Oktober 2016)
Deutschland als Motor der EU-Flüchtlingsbekämpfungspolitik
Wie bereits beim EU-Türkei-Deal ist Deutschland der Motor dieser EU-Flüchtlingsbekämpfungspolitik. Während sich Kanzlerin Merkel als Vertreterin der Fluchtursachenbekämpfung geriert, fordert sie eine »nationale Kraftanstrengung zur Rückführung von Flüchtlingen« und besuchte bei ihrem Afrika-Kurztrip auch zweifelhafte afrikanische Regierungschefs.
Beim EU-Ratstreffen sollen die Pläne nun vorangetrieben werden, dort geht es um »konkrete und messbare Ergebnisse bei der zügigen operativen Rückführung irregulärer Migranten«. Denn: Gemessen werden die neuen »Partnerschaften« am Ende an der Zahl der Rückführungen.
Humane Flüchtlingspolitik sieht anders aus!
Bereits im September 2016 forderten Brot für die Welt, medico international und PRO ASYL in einem gemeinsamen Positionspapier, die Konditionalisierung der für Entwicklungszusammenarbeit vorgesehenen Gelder für Grenzsicherung und Fluchtverhinderung zu beenden und kritisierten die europäische Politik der Externalisierung von Grenzkontrollen.
Die europäische Politik zielt auf ein Unsichtbarmachen von Geflüchteten und Migrant*innen, der gegen sie verübten Rechtsverletzungen und der tatsächlichen Ursachen von Flucht und Vertreibung ab. Eine humane Flüchtlingspolitik sieht anders aus.