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Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte von Dublin-Geflüchteten
Mit zwei aktuellen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht die Rechte von Geflüchteten in Dublin-Verfahren gestärkt. Es gab den Verfassungsbeschwerden eines Afghanen, der nach Griechenland abgeschoben werden sollte, und eines somalischen Kindes, das die Bundesrepublik gemeinsam mit seiner Mutter nach Italien überstellen will, recht.
Dabei verpflichteten die Verfassungsrichter*innen ihre Kolleg*innen an den Verwaltungsgerichten zu gründlicherer Prüfung
Im Fall des somalischen Kindes wurde vor allem darum gestritten, ob die humanitären Verhältnisse infolge des sog. »Salvini-Dekrets« unzumutbar geworden sind. Mit dem Dekret, später vom Parlament gebilligt, wurden im Herbst 2018 die Unterbringungsbedingungen für Geflüchtete in Italien deutlich verschlechtert. Dies betrifft besonders schutzbedürftige Personen – also z. B. Familien mit kleinen Kindern – besonders stark.
BVerfG: Lage durch Salvini-Dekret verschärft
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte schon 2014 angesichts der damaligen, ebenfalls besorgniserregenden Verhältnisse entschieden, dass Familien mit Kindern nur nach Italien überstellt werden dürfen, wenn eine individuelle Zusicherung für eine kindgerechte Unterbringung vorliegt. An dieses Urteil sieht sich aber das BAMF seit einiger Zeit nicht mehr gebunden. Auf Grundlage einer globalen Zusage der italienischen Regierung vom Januar 2019, Familien grundsätzlich angemessen unterzubringen, sei die Abschiebung generell wieder möglich.
Das Verwaltungsgericht Würzburg hielt auf dieser Grundlage die Abschiebung des Kindes und seiner Mutter für zulässig und lehnte deren Eilantrag ab. Dem widersprach nun das Bundesverfassungsgericht: Die Lage habe sich durch das Salvini-Dekret grundlegend verändert. Es können nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass eine familien- und kindgerechte Unterbringung in Italien gewährleistet sei. Ein Risiko, dass Mutter und Kind vorübergehend obdachlos werden könnten, sei schlüssig dargelegt. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht die vom Kläger vorgelegten Berichte zur Lage in Italien nicht vollständig gewürdigt. Die Ablehnung des Eilantrags war darum rechtswidrig.
Ein Risiko, dass Mutter und Kind in Italien vorübergehend obdachlos werden könnten, sei schlüssig dargelegt.
Im Fall des Afghanen kritisierte das Bundesverfassungsgericht ebenfalls eine zu wenig gründliche Prüfung durch das Verwaltungsgericht. Zwar hatte es eine Zusicherung der griechischen Behörden gegeben, dass der Mann während seines Asylverfahrens menschenwürdig untergebracht werden sollte.
Menschenwürdige Existenz muss auch NACH dem Asylverfahren gewährleistet sein
Er berief sich aber darauf, dass nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom März diesen Jahres das Verwaltungsgericht auch hätte prüfen müssen, wie seine Lebenssituation nach dem Asylverfahren gewesen wäre und ob eine menschenwürdige Existenz auch nach einer Zuerkennung internationalen Schutzes in Griechenland gesichert gewesen wäre.
Das Verwaltungsgericht verwarf diesen Gedanken, das Bundesverfassungsgericht gab dem Mann recht: Auch nach einer Anerkennung dürfe ihm keine menschenunwürdige Behandlung aufgrund unzureichender Versorgung drohen. Die unterlassene Prüfung durch das Verwaltungsgericht sei willkürlich.
Text: fluchtpunkt Hamburg, 29.10.2019 – vielen Dank für die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung