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Appell an den Bundesrat: Maghrebstaaten sind nicht „sicher“!
Abstimmung im Bundesrat zu Algerien, Tunesien und Marokko als „sicheren“ Herkunftsstaaten: Amnesty International und PRO ASYL wenden sich in einem offenen Brief an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer.
Am kommenden Freitag entscheidet der Bundesrat über das Gesetz zur Einstufung von Maghrebstaaten als „sicheren Herkunftsstaaten“. Seine Entscheidung wird zeigen, ob Menschenrechte und Verfassungsrecht in Deutschland bei der Asylpolitik noch eine Rolle spielen. In einem offenen Brief appellierten Amnesty International und PRO ASYL heute an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer, den Gesetzentwurf im Bundesrat zu stoppen.
Zur Menschenrechtslage in den MaghrebStaaten
Beide Organisationen haben im Gesetzgebungsverfahren mehrfach auf die desolate Menschenrechtslage in Algerien, Tunesien und Marokko hingewiesen: Folter, Verfolgung von Journalisten und politisch Oppositionellen und Unterdrückung von Homo‑, bisexuellen und transgeschlechtlichen Personen.
In Tunesien wurden beispielsweise im Dezember 2015 sechs Männer aufgrund ihrer Homosexualität zu drei Jahren Haft und fünf Jahren anschließender Verbannung aus ihrer Heimatstadt verurteilt. Um ihre Homosexualität zu „beweisen“, wurden sie zu einer Analuntersuchung gezwungen. Das ist eine unmenschliche Behandlung und kommt Folter gleich. Erst nach internationalen Protesten wurde ihre Haftstrafe im Frühjahr 2016 auf einen Monat reduziert und die Verbannung aufgehoben. Auch im Alltag sind Schwule und Lesben ungeschützt. Eine lesbische Frau wurde 2015 viermal von Männern überfallen, verprügelt und mit einem Messer am Hals verletzt. Als sie bei der Polizei Anzeige erstattete, wurde sie gewarnt, dass sie aufgrund ihrer Homosexualität verhaftet werden könnte.
Wie viele Menschenrechtsverletzungen darf sich ein Land leisten, bis es in Deutschland nicht mehr als „sicher“ gilt?
Politische Verfolgung ist in den MaghrebStaaten Alltag
Das Gesetz zur Einstufung der Maghrebstaaten als „sicher“ ist als klar rechtswidrig zu bezeichnen. Das Bundesverfassungsgericht gibt klare Kriterien für eine solche Einstufung vor. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts heißt es: „Das Konzept sicherer Herkunftsstaaten gerät indes schon ins Wanken, wenn ein Staat bei genereller Betrachtung überhaupt zu politischer Verfolgung greift, sei diese auch (zur Zeit) auf eine oder einige Personen- oder Bevölkerungsgruppen begrenzt. Tut er dies, erscheint auch für die übrige Bevölkerung nicht mehr generell gewährleistet, dass sie nicht auch Opfer asylrechtlich erheblicher Maßnahmen wird.“
Fatale Folgen für Asylsuchende
Für Asylsuchende aus „sicheren Herkunftsstaaten“ hat eine solche Bestimmung gravierende Folgen. Ihnen drohen schnellere Abschiebungen, Arbeitsverbote und zugleich die faktische Einschränkung ihres Rechts, Asyl zu suchen, indem sie in der Praxis kein unvoreingenommenes und mit allen Rechten ausgestattetes Asylverfahren erhalten.
Einstufung weiterer Staaten als „sicher“ droht
Wenn die Maghrebstaaten als „sicher“ eingestuft werden, wird die rechtsstaatliche rote Linie überschritten. Weitere Staaten werden folgen. Selbst die Türkei soll trotz der bekannten und offenkundigen Menschenrechtsverletzungen nach den Vorstellungen der EU- Kommission ein „sicherer Herkunftsstaat“ sein.