29.11.2011
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Heinz Ratz und Band beim Protestkonzert gegen den Abschiebeknast Ingelheim

Das UN- Antifolterkomitee zeigt sich besorgt, dass ausreichende Mechanismen fehlen, um besonders schutzbedürftige Abschiebungshäftlinge zu identifizieren.

In der Abschluss­erklä­rung sei­ner dies­jäh­ri­gen Sit­zung in Genf kri­ti­sier­te das Anti­fol­ter­ko­mi­tee der Ver­ein­ten Natio­nen (CAT – Com­mit­tee against Tor­tu­re), dass im Rah­men der Pra­xis der deut­schen Abschie­bungs­haft aus­rei­chen­de Mecha­nis­men fehl­ten, um beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge Abschie­bungs­häft­lin­ge zu iden­ti­fi­zie­ren und ent­spre­chend zu schüt­zen. Es feh­le an medi­zi­ni­schen Ein­gangs­un­ter­su­chun­gen, bei denen auch Trau­ma­ti­sie­run­gen und psy­chi­sche Lei­den erkannt wer­den könn­ten, so das Antifolterkomitee.

Des­halb wer­den immer wie­der auch Min­der­jäh­ri­ge, trau­ma­ti­sier­te Men­schen, Fol­ter­op­fer und psy­chisch kran­ke Men­schen der Abschie­bungs­haft und damit Bedin­gun­gen unter­wor­fen, die schutz­be­dürf­ti­ge Men­schen trau­ma­ti­sie­ren oder bereits vor­han­de­ne Trau­ma­ta aktua­li­sie­ren kön­nen. Wie auch das Anti­fol­ter­ko­mi­tee kri­ti­sier­te, wer­den Abschie­bungs­häft­lin­ge immer wie­der zusam­men mit Straf- und Unter­su­chungs­häft­lin­gen inhaf­tiert, obwohl Abschie­bungs­haft sich nach EU-Richt­li­ni­en von Straf­haft unter­schei­den muss – denn Abschie­bungs­häft­lin­ge haben nichts verbrochen.

Wie ein Bericht des Jesui­ten-Flücht­lings­diens­tes zeigt, ver­schlech­tert sich die psy­chi­sche und kör­per­li­che Ver­fas­sung der Abschie­bungs­häft­lin­ge wäh­rend der Haft rapi­de, drei Vier­tel der Häft­lin­ge bekom­men nach drei Mona­ten hin­ter Git­tern psy­chi­sche Pro­ble­me. Dies zei­gen auch Sui­zi­de in Abschie­bungs­haft: Zwi­schen 1993 und 2010 haben sich 62 Abschie­bungs­häft­lin­ge selbst getötet.

Ein exem­pla­ri­scher Fall aus dem Jahr 2010: Am 28 Juni wur­de Sla­wik C., ein Ange­hö­ri­ger der arme­ni­schen Min­der­heit Aser­bei­dschans in Win­sen (Nie­der­sach­sen) fest­ge­nom­men, als der bei der Aus­län­der­be­hör­de sei­ne Dul­dung ver­län­gern woll­te. Anschlie­ßend wur­de er in die Abschie­bungs­haft in Han­no­ver-Lan­gen­ha­gen über­führt. Sla­wik C. hat­te mit sei­ner Frau und sei­nem Sohn elf Jah­re in Deutsch­land gelebt und soll­te nun ohne sei­ne Fami­lie abge­scho­ben wer­den. Aus Ver­zweif­lung erhäng­te sich Sla­wik C. in der Zel­le mit dem Strom­ka­bel eines Was­ser­ko­chers. Nach sei­nem Tod ent­schied vor Kur­zem der Bun­des­ge­richts­hof post­hum, dass Sla­wik C. zu Unrecht inhaf­tiert wor­den war.

Zum Bericht des Comi­tees against Tor­tu­re (doc, engl.)

 Abschie­bungs­haft: Zu schnell, zu oft, zu lan­ge (13.09.12)

 Bund-Län­der-Kom­mis­si­on zur Ver­hü­tung von Fol­ter: Rück­zug des Vor­sit­zen­den Hans-Jörg Gei­ger (31.08.12)

 Abschie­bungs­haft ist und darf kei­ne Stra­fe sein (15.02.12)

 Land­ge­richt Leip­zig: Abschie­be­haft zusam­men mit Straf­häft­lin­gen rechts­wid­rig (08.11.11)