09.07.2025
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Drei junge Geflüchtete sitzen in einem Raum der Erstaufnahme. picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Im März 2025 eröffnete die Bundesregierung ein Dublin-Zentrum in Eisenhüttenstadt, um Abschiebungen nach Polen zu beschleunigen. In einem Protestbrief schildern die Bewohner*innen ihre Sorge, in Polen eingesperrt zu werden und kein faires Asylverfahren zu erhalten. PRO ASYL warnt vor Abschiebungen nach Polen.

Asyl­su­chen­de, die im Dub­lin-Zen­trum Eisen­hüt­ten­stadt unter­ge­bracht sind, haben sich drei Mona­te nach des­sen Inbe­trieb­nah­me in einem Pro­test­brief an die Öffent­lich­keit gewandt. »Es wird viel über uns gespro­chen«, so die Geflüch­te­ten, die unter ande­rem aus dem Sudan und Kenia kom­men. »Nun möch­ten wir uns selbst äußern.« Sie berich­ten, vor Krieg und extre­mer Gewalt geflo­hen und nach Deutsch­land gekom­men zu sein – auf der Suche nach Sicher­heit und dem Wunsch, Teil die­ser Gesell­schaft zu werden.

Im März 2025 kün­dig­te Innen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser die Eröff­nung von zwei soge­nann­ten Dub­lin-Zen­tren in Ham­burg-Rahl­stedt und im bran­den­bur­gi­schen Eisen­hüt­ten­stadt an. Ziel die­ser »Zen­tren« sei es, Dub­lin-Ver­fah­ren effi­zi­en­ter zu gestal­ten und Men­schen schnel­ler in die jeweils zustän­di­gen EU-Staa­ten abzu­schie­ben. In Eisen­hüt­ten­stadt sol­len Asyl­su­chen­de inner­halb von zwei bis drei Wochen nach ihrer Ankunft in Deutsch­land nach Polen über­stellt wer­den. In der Pra­xis gelingt das bis­lang jedoch kaum.

Dublin-Zentrum: Große Angst vor Abschiebung nach Polen

Vie­le Schutz­su­chen­de, die über Polen nach Deutsch­land ein­rei­sen, befin­den sich bei ihrer Ankunft in einem äußerst schlech­ten phy­si­schen und psy­chi­schen Zustand. Die meis­ten von ihnen haben auf ihrer Flucht im pol­nisch-bela­rus­si­schen Grenz­ge­biet mas­si­ve Gewalt und wie­der­hol­te rechts­wid­ri­ge Zurück­wei­sun­gen – soge­nann­te Push­backs – erlebt. Eini­ge muss­ten mona­te­lang in den Wäl­dern unter kata­stro­pha­len Bedin­gun­gen aus­har­ren. Berater*innen im Dub­lin-Zen­trum berich­ten von sicht­ba­ren Ver­let­zun­gen, Erfrie­run­gen und deut­li­chen Anzei­chen schwe­rer Traumatisierung.

Das Leben im Dub­lin-Zen­trum desta­bi­li­siert die Schutz­su­chen­den zusätz­lich. In ihrem Pro­test­brief berich­ten die Bewohner*innen von mas­si­ven Leis­tungs­kür­zun­gen, unan­ge­kün­dig­ten Kon­trol­len sowie erheb­li­chen Ein­schrän­kun­gen ihrer Bewe­gungs­frei­heit und Pri­vat­sphä­re. Zudem spü­ren sie den mas­si­ven Druck aus­zu­rei­sen: »Wir leben in stän­di­ger Angst und Furcht vor Abschie­bung«. Die Verfasser*innen des Brie­fes befürch­ten, in Polen will­kür­li­cher Inhaf­tie­rung sowie  erheb­li­chen Hür­den beim Zugang zu Asyl­ver­fah­ren aus­ge­setzt zu sein. Pol­ni­sche Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen bestä­ti­gen die­se Sor­gen und berich­ten von ver­gleich­ba­ren Erfah­run­gen, bei denen grund­le­gen­de Men­schen­rech­te ver­letzt wurden.

In der Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung Eisen­hüt­ten­stadt sind in einem abge­son­der­ten Bereich 150 Plät­ze vor­ge­se­hen, mit der Erwei­te­rungs­op­ti­on auf 250, für Per­so­nen mit einem Tref­fer für Polen in der EURO­DAC-Daten­bank. Tat­säch­lich sind laut Bran­den­burgs Innen­mi­nis­ter René Wil­ke seit Mit­te März bis­lang erst 61 Geflüch­te­te in das Dub­lin-Zen­trum in Eisen­hüt­ten­stadt ein­ge­zo­gen. Nur drei von ihnen wur­den bis­her abge­scho­ben.

Über eine so genann­te Nacht­zeit­ver­fü­gung sind die Bewohner*innen ver­pflich­tet, sich zwi­schen 22 Uhr und 6 Uhr im Dub­lin-Zen­trum auf­zu­hal­ten. Zudem gilt durch­gän­gig die Resi­denz­pflicht: Die Bewohner*innen dür­fen das Stadt­ge­biet Eisen­hüt­ten­stadt nur in Aus­nah­me­fäl­len verlassen.

Nach Erhalt des Dub­lin-Bescheids, der Polen als zustän­di­gen Staat für das Asyl­ver­fah­rens aus­weist, erhal­ten die Bewohner*innen ledig­lich  »Bett, Brot und Sei­fe« –  also Unter­kunft, Ver­pfle­gung und Hygie­ne­ar­ti­kel –, jedoch kein Taschen­geld für den täg­li­chen Bedarf. Den Bus neh­men, Anwalts­kos­ten bezah­len oder not­wen­di­ge Klei­dung kau­fen – all das geht also nicht. Die­se dras­ti­schen und aus Sicht von PRO ASYL ein­deu­tig ver­fas­sungs­wid­ri­gen Sozi­al­leis­tungs­kür­zun­gen wur­den unter der letz­ten Regie­rung im Rah­men des soge­nann­ten Sicher­heits­pa­kets eingeführt. 

Infor­mel­le Beschei­ni­gun­gen statt gesetz­lich gere­gel­te Auf­ent­halts­pa­pie­re füh­ren im All­tag zu Pro­ble­men und den Asyl­su­chen­den bleibt durch die beschleu­nig­ten Ver­fah­ren kaum Zeit, sich recht­lich bera­ten zu lassen.

Nicht nur Betrof­fe­ne und NGOs bezwei­feln die Sinn­haf­tig­keit die­ser Ein­rich­tung. Auch der neue Bran­den­bur­ger Innen­mi­nis­ter stellt die Not­wen­dig­keit des Dub­lin-Zen­trums mitt­ler­wei­le offen infra­ge. Die meis­ten Men­schen, die nach Polen abge­scho­ben wer­den, keh­ren inner­halb weni­ger Stun­den oder Tage wie­der nach  Deutsch­land zurück.

Doch deut­sche Ver­wal­tungs­ge­rich­te stop­pen Dub­lin-Abschie­bun­gen nach Polen der­zeit nur in sel­te­nen Aus­nah­me­fäl­len – etwa, wenn Fami­li­en mit klei­nen Kin­dern betrof­fen sind. Im Jahr 2024 waren ledig­lich 14 Pro­zent aller ein­ge­reich­ten Eil­an­trä­ge gegen eine Zustän­dig­keits­ent­schei­dung Polens im Dub­lin-Ver­fah­ren erfolg­reich. In vie­len Fäl­len wird des­halb aus Man­gel an  Erfolgs­aus­sich­ten auf eine Kla­ge ver­zich­tet, da nach einer Ableh­nung die sechs­mo­na­ti­ge Über­stel­lungs­frist von Neu­em zu lau­fen beginnt. Ein Blick nach Polen zeigt jedoch, dass die der­zei­ti­ge deut­sche Ent­schei­dungs­pra­xis und Recht­spre­chung der tat­säch­li­chen Situa­ti­on von Dub­lin-Rück­keh­ren­den dort nicht gerecht wird.

»Asylgefängnisse mit Elektro- und Stacheldrahtzäunen«: Angst, erneut eingesperrt zu werden

»Wenn wir nach Polen abge­scho­ben wer­den, ist das Risi­ko für uns sehr hoch, wie­der ins Gefäng­nis zu kom­men«, schrei­ben die Asyl­su­chen­den aus Eisen­hüt­ten­stadt. Sie berich­ten, vor ihrer Wei­ter­flucht nach Deutsch­land in pol­ni­schen »Asyl­ge­fäng­nis­sen mit Elek­tro- und Sta­chel­draht­zäu­nen« ein­ge­sperrt gewe­sen zu sein. Auch schwan­ge­re Frau­en und unbe­glei­te­te Min­der­jäh­ri­ge hät­ten sie dort ange­trof­fen. Sie berich­ten von Depres­sio­nen und Selbst­mord­ver­su­chen, die auch eini­ge von ihnen über­lebt hätten.

Tat­säch­lich kommt es in Polen regel­mä­ßig zu will­kür­li­cher Inhaf­tie­rung von Schutz­su­chen­den. Auch für Dub­lin-Rück­keh­ren­de besteht ein rea­les Risi­ko, nach ihrer Abschie­bung ein­ge­sperrt zu wer­den. Pol­ni­sche Grenzbeamt*innen unter­stel­len ihnen häu­fig  eine »Flucht­ge­fahr«, da sie zuvor nach Deutsch­land wei­ter­ge­reist sind, und nut­zen dies als Begrün­dung für ihre Inhaftierung.

Will­kür­li­che Inhaf­tie­rung bedeu­tet, dass im Ein­zel­fall nicht geprüft wird, ob eine Haft­maß­nah­me  not­wen­dig oder gerecht­fer­tigt ist. Dabei soll­te Inhaf­tie­rung stets das letz­te  Mit­tel sein – doch bei Schutz­su­chen­den wer­den Alter­na­ti­ven zur Haft meist weder geprüft noch ange­wandt, was einen Rechts­ver­stoß dar­stellt. Pol­ni­sche Behör­den erlas­sen Anord­nun­gen zur Inhaf­tie­rung sowie deren Ver­län­ge­rung statt­des­sen weit­ge­hend auto­ma­tisch und rou­ti­ne­mä­ßig. Auch Fami­li­en mit Kin­dern, unbe­glei­te­te Min­der­jäh­ri­ge und Fol­ter­op­fer kön­nen ein­ge­sperrt wer­den. Laut dem AIDA-Län­der­be­richt zu Polen, der die recht­li­chen und tat­säch­li­chen Bedin­gun­gen für Asyl­su­chen­de doku­men­tiert, erhal­ten Inhaf­tier­te zudem kei­nen Zugang zu effek­ti­vem Rechtsschutz. 

Rechtswidrig: Keine Informationen, kein Rechtsschutz, keine psychologische Betreuung

Die Bedin­gun­gen in pol­ni­schen Haft­zen­tren sind abso­lut men­schen­un­wür­dig. Der AIDA-Bericht kri­ti­siert unter ande­rem, dass Geflüch­te­te kei­ne Infor­ma­tio­nen dazu erhal­ten, war­um sie inhaf­tiert wur­den und wie lan­ge ihre Inhaf­tie­rung andau­ern soll. Das Sicher­heits­per­so­nal set­ze Gewalt, Iso­la­ti­ons­haft und ernied­ri­gen­de Lei­bes­vi­si­ta­tio­nen ein, bei denen Schutz­su­chen­de gezwun­gen wür­den, sich voll­stän­dig aus­zu­zie­hen. Der pol­ni­sche Men­schen­rechts­kom­mis­sar beklag­te bereits im Febru­ar 2022, dass die medi­zi­ni­sche und psy­cho­lo­gi­sche Betreu­ung in den Haft­ein­rich­tun­gen mehr als unzu­rei­chend sei

Die Zeit in Haft kann so häu­fig ver­län­gert wer­den, dass eini­ge Asyl­su­chen­de ihr gesam­tes Asyl­ver­fah­ren in einer Haft­ein­rich­tung ver­brin­gen – oft­mals ohne zu wis­sen, aus wel­chem Grund und für wel­chen Zeit­raum sie ein­ge­sperrt sind. Die PRO ASYL-Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on Hel­sin­ki Foun­da­ti­on for Human Rights (HFHR) weist dar­auf hin, dass die­se auto­ma­ti­sier­ten und lang­an­dau­ern­den Inhaf­tie­run­gen in Ver­bin­dung mit man­geln­der psy­cho­lo­gi­scher Betreu­ung bereits mehr­fach zu Hun­ger­streiks und Sui­zid­ver­su­chen geführt haben.

Die Anord­nung von Haft ohne Prü­fung mil­de­rer Alter­na­ti­ven, ohne die Betrof­fe­nen über die Grün­de der Inhaf­tie­rung zu infor­mie­ren, ohne effek­ti­ven Zugang zu Rechts­mit­teln sowie die Pra­xis auto­ma­ti­scher Haft­ver­län­ge­run­gen ver­sto­ßen ein­deu­tig gegen EU-Recht. Ange­sichts die­ser Rechts­ver­let­zun­gen und der alar­mie­ren­den Zustän­de in pol­ni­schen Haft­ein­rich­tun­gen ist eine sorg­fäl­ti­ge Ein­zel­fall­prü­fung zwin­gend erfor­der­lich, bevor eine Abschie­bung nach Polen ver­an­lasst wird.

Erhebliche Hürden beim Zugang zu Asylverfahren

Dub­lin-Rück­keh­ren­de sto­ßen in Polen auf erheb­li­che Hür­den, wenn sie einen neu­en Asyl­an­trag stel­len oder ein bereits vor ihrer Wei­ter­rei­se begon­ne­nes Asyl­ver­fah­ren fort­set­zen möch­ten. Nach einer Dub­lin-Abschie­bung müs­sen Schutz­su­chen­de ihr Asyl­ge­such zunächst gegen­über pol­ni­schen Grenzschutzbeamt*innen äußern, die sie anschlie­ßend einer bestimm­ten Auf­nah­me­ein­rich­tung zuwei­sen sol­len. Um das Ver­fah­ren offi­zi­ell ein­zu­lei­ten, müs­sen sie sich inner­halb weni­ger Tage per­sön­lich in die­ser Unter­kunft melden.

Wäh­rend die­ser Frist erhal­ten die Betrof­fe­nen kei­ner­lei finan­zi­el­le Unter­stüt­zung – weder für Fahrt­kos­ten noch für eine Unter­kunft auf dem Weg. Häu­fig befin­den sich die zuge­wie­se­nen Ein­rich­tun­gen meh­re­re Hun­dert Kilo­me­ter ent­fernt, wie auch Schutz­su­chen­de aus Eisen­hüt­ten­stadt berich­ten, die bereits eine Abschie­bung nach Polen erlebt haben. Unter die­sen Bedin­gun­gen gelingt es vie­len nicht, recht­zei­tig am Ziel­ort zu erschei­nen. Pol­ni­sche Kolleg*innen berich­ten von Fäl­len, in denen Asyl­su­chen­de, die die Frist ver­säu­men, ihr Recht auf ein regu­lä­res Asyl­ver­fah­ren ver­lie­ren und ledig­lich einen Fol­ge­an­trag stel­len kön­nen – ein Schritt, der mit erheb­li­chen Hür­den und Nach­tei­len ver­bun­den ist.

EU-rechtswidrig: Asylanträge gelten automatisch als Folgeanträge 

Der Zugang zum Asyl­ver­fah­ren ist für Dub­lin-Rück­keh­ren­de in Polen selbst dann nicht gewähr­leis­tet, wenn sie dort bereits einen Asyl­an­trag gestellt hat­ten, aber anschlie­ßend nach Deutsch­land wei­ter­ge­reist sind. Denn ein neu­er Antrag gilt auto­ma­tisch als Fol­ge­an­trag, wenn die betref­fen­de Per­son ihr vor­he­ri­ges Ver­fah­ren neun Mona­te lang nicht aktiv wei­ter­ver­folgt hat – ein kla­rer Ver­stoß gegen EU-Recht. Das Pro­blem dabei ist, dass ein Fol­ge­an­trag, der auf den­sel­ben Tat­sa­chen beruht wie der ursprüng­li­che, als unzu­läs­sig abge­lehnt wird. Das ist fatal, da Dub­lin-Rück­keh­ren­den so der effek­ti­ve Zugang zum Asyl­ver­fah­ren ver­sperrt wird. Im AIDA-Bericht wer­den wei­te­re Kon­stel­la­tio­nen beschrie­ben, in denen Schutz­su­chen­de selbst inner­halb der 9‑Monatsfrist kei­ne Mög­lich­keit haben, ein Asyl­ver­fah­ren wie­der auf­zu­neh­men und nur noch einen Fol­ge­an­trag stel­len dürfen.

HFHR berich­tet im AIDA-Bericht zudem, dass selbst in Fäl­len, in der Dub­lin-Rück­keh­ren­de nach pol­ni­schem Recht berech­tigt wären, ihr ers­tes Ver­fah­ren wie­der auf­zu­neh­men, pol­ni­sche Grenzschutzbeamt*innen sie in den »Haft­an­stal­ten für Aus­län­der« regel­mä­ßig dazu drän­gen, statt­des­sen einen Fol­ge­an­trag zu stellen. 

Systemische Mängel des polnischen Asylsystems?

Ange­sichts der geschil­der­ten Fall­kon­stel­la­tio­nen und der viel­fäl­ti­gen Hür­den beim Zugang zum Asyl­ver­fah­ren, dürf­te von sys­te­mi­schen Män­geln im pol­ni­schen Asyl­sys­tem aus­zu­ge­hen sein. Der Zugang zum Asyl­ver­fah­ren ist nicht gewähr­leis­tet und wird in vie­len Fäl­len offen­bar sys­te­ma­tisch ver­hin­dert. Dies ver­stößt klar gegen das Uni­ons­recht. Ohne Zugang zum Asyl­ver­fah­ren droht Schutz­su­chen­den in Polen zudem Ver­elen­dung, da es außer­halb des Asyl­ver­fah­rens kei­ne Ver­sor­gung gibt.

Neben den sys­te­mi­schen Män­geln gibt es wei­te­re Hür­den, die den effek­ti­ven Zugang zu Asyl­ver­fah­ren in Polen erschwe­ren oder sogar ver­hin­dern. Unzu­rei­chen­de Auf­klä­rung über die eige­nen Rech­te, feh­len­de Über­set­zungs­leis­tun­gen sowie eine  unvoll­stän­di­ge Erfas­sung der Flucht­grün­de füh­ren in der Pra­xis häu­fig dazu, dass Geflüch­te­te von einem fai­ren Asyl­ver­fah­ren aus­ge­schlos­sen wer­den. Nur wer das Glück hat, eine unter­stüt­zen­de NGO an sei­ner Sei­te zu haben, hat über­haupt eine Chan­ce, sei­ne Rech­te durchzusetzen.

Die ver­spä­te­te Regis­trie­rung von Asyl­an­trä­gen oder die Ver­wei­ge­rung von Grenzschutzbeamt*innen, Asyl­an­trä­ge zu regis­trie­ren, führt dazu, dass eine Rück­kehr­pro­ze­dur ein­ge­lei­tet und womög­lich eine Rück­kehr­ent­schei­dung getrof­fen wird. In der Fol­ge kön­nen Betrof­fe­ne aus Polen abge­scho­ben wer­den, ohne jemals die Mög­lich­keit gehabt zu haben, ihre Flucht­grün­de vor­zu­tra­gen. Es kön­nen Abschie­bun­gen in unsi­che­re Dritt­staa­ten sowie (Ket­ten-) Abschie­bun­gen ins Her­kunfts­land dro­hen, in denen eine Gefahr für Leib und Leben nicht aus­ge­schlos­sen ist. Damit besteht die Gefahr einer Ver­let­zung des abso­lu­ten Non-Refoulement-Gebots.

Pushbacks und massive Gewalt: Zurück ins Land der Traumatisierung?!

In dem Pro­test­brief berich­ten die Schutz­su­chen­den zudem von exzes­si­ver Gewalt durch Grenzbeamt*innen, die sie auf ihrer Flucht an der pol­nisch-bela­rus­si­schen Gren­ze erfah­ren haben: »Freun­de sind im Wald an den Fol­gen von Push­backs, an Unter­ernäh­rung und Dehy­drie­rung, gestor­ben. Wir wur­den geschla­gen, Tele­fo­ne wur­den zer­stört, Hun­de bis­sen uns, und auf­grund der Push­backs konn­ten wir kein Asyl bean­tra­gen.« Es ist unzu­mut­bar, von Asyl­su­chen­den zu ver­lan­gen, in ein Land zurück­zu­keh­ren, in dem sie der­art schwer ver­letzt und ihrer Rech­te beraubt wurden. 

Rechts­wid­ri­ge und oft­mals bru­ta­le Push­backs, Miss­hand­lun­gen durch pol­ni­sche und bela­rus­si­sche Sicher­heits­kräf­te sowie unter­las­se­ne Hil­fe­leis­tun­gen sind auch unter der neu­en Regie­rung von Minis­ter­prä­si­dent Donald Tusk wei­ter­hin all­täg­lich. Bereits im Jahr 2020 hat der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR)  Polen wegen sei­ner Push­back-Pra­xis ver­ur­teilt. Den­noch ster­ben oder ver­schwin­den wei­ter­hin regel­mä­ßig Schutz­su­chen­de im pol­nisch-bela­rus­si­schen Grenz­ge­biet infol­ge die­ser Pushbacks. 

Asyl­an­trä­ge an der öst­li­chen Gren­ze zu Bela­rus wer­den seit lan­gem regel­mä­ßig igno­riert, was zu Ver­stö­ßen gegen das Non-Refou­le­ment-Gebot führt. Am 13. März 2025 hat der pol­ni­sche Senat einem Gesetz zuge­stimmt, das die vor­über­ge­hen­de Aus­set­zung des Asyl­rechts an der Gren­ze zwi­schen Polen und Bela­rus gesetz­lich ver­an­kert. Die gewalt­vol­le und rechts­wid­ri­ge Push­back-Pra­xis wur­de damit wei­ter zementiert.

Kein Vertrauen in Polens Umgang mit Geflüchteten

Für die deut­sche Ent­schei­dungs­pra­xis spielt es bei der Fra­ge der Abschie­bung nach Polen jedoch kei­ne Rol­le, ob Geflüch­te­te Opfer gewalt­tä­ti­ger Push­backs und ande­rer Miss­hand­lun­gen durch pol­ni­sche Grenzbeamt*innen gewor­den sind. So behaup­tet das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) in einem PRO ASYL vor­lie­gen­den Fall, sys­te­ma­ti­sche Miss­hand­lun­gen und her­ab­wür­di­gen­de Behand­lun­gen von Schutz­su­chen­den sei­tens pol­ni­scher Grenzbeamt*innen sei­en der Asyl­be­hör­de nicht bekannt. Ver­feh­lun­gen ein­zel­ner Beamt*innen könn­ten in Polen zur Beschwer­de gebracht wer­den. Zudem wer­de aus­ge­schlos­sen, dass die betrof­fe­ne Per­son nach einer Dub­lin-Über­stel­lung erneut einer ver­gleich­ba­ren Situa­ti­on an der öst­li­chen Gren­ze aus­ge­setzt sei. Die schwer­wie­gen­den Trau­ma­ti­sie­run­gen durch die­se Erleb­nis­se blei­ben bei einer Abschie­be­an­ord­nung somit unberücksichtigt.

Dabei gel­ten Per­so­nen, die Fol­ter, Ver­ge­wal­ti­gung oder sons­ti­ge schwe­re For­men psy­chi­scher oder sexu­el­ler Gewalt erlit­ten haben, nach der EU-Auf­nah­me­richt­li­nie als beson­ders schutz­be­dürf­tig. Sie haben Anspruch auf beson­de­re Garan­tien, etwa auf ange­mes­se­ne medi­zi­ni­sche und psy­cho­lo­gi­sche Ver­sor­gung. In der Pra­xis sieht es jedoch häu­fig anders aus: Nach einer Über­stel­lung nach Polen müs­sen Dub­lin-Rück­keh­ren­de ihren Asyl­an­trag bei Grenzbeamt*innen stel­len, die meist nicht dafür geschult sind, beson­de­re Schutz­be­dar­fe zu erken­nen. Beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge Per­so­nen lan­den in Polen regel­mä­ßig in Haft, wo sie kei­nen aus­rei­chen­den Zugang zu medi­zi­ni­scher oder psy­cho­lo­gi­scher Hil­fe erhal­ten – auch Rück­keh­ren­de im Dub­lin-Ver­fah­ren sind hier­von nicht ausgenommen.

Warnung vor Abschiebungen nach Polen

Auf Polen ist beim Schutz der Rech­te von Geflüch­te­ten kein Ver­lass. Ange­sichts des gut doku­men­tier­ten, lang­jäh­ri­gen und oft­mals bru­ta­len Vor­ge­hens Polens gegen Schutz­su­chen­den soll­te die ver­brei­te­te Annah­me eines recht­mä­ßi­gen Umgangs mit Asyl­su­chen­den in Fra­ge gestellt wer­den. Den­noch schlie­ßen sich deut­sche Ver­wal­tungs­ge­rich­te häu­fig der Ein­schät­zung des BAMF an und behaup­ten teil­wei­se ohne ver­läss­li­che Infor­ma­ti­ons­grund­la­ge, dass gegen eine Abschie­bung nach Polen kei­ne recht­li­chen Beden­ken bestehen. 

Die­se Auf­fas­sung ist mit Blick auf die tat­säch­li­che Rechts­la­ge und ‑pra­xis in Polen nicht halt­bar. Deut­sche Behör­den und Gerich­te müs­sen die Rea­li­tä­ten in Polen bei ihren Ent­schei­dun­gen end­lich voll­um­fäng­lich berück­sich­ti­gen. Vor dem Hin­ter­grund der beschrie­be­nen, teils mas­si­ven Defi­zi­te im pol­ni­schen Asyl­sys­tem und der rechts­wid­ri­gen Hand­lun­gen des pol­ni­schen Staa­tes warnt PRO ASYL vor Abschie­bun­gen nach Polen.

 

(ja, hk)