Hintergrund
Weitere Aufenthaltstitel und Aufenthaltsverfestigung für Geflüchtete mit Schutzstatus

Viele Menschen sind verunsichert, weil sie um ihren Schutzstatus fürchten oder sogar Angst vor einer Abschiebung haben. Andere sind besorgt, weil sie durch die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte ihre Familie viele weitere Jahre nicht sehen können.
Wir zeigen hier auf, welche Möglichkeiten es gibt, einen weiteren Aufenthaltstitel zu erhalten oder den Aufenthalt durch eine Niederlassungserlaubnis zu verfestigen. Da die Voraussetzungen leider sehr hoch sind, kommt dies vor allem für Menschen infrage, die schon lange in Deutschland leben, die eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben und arbeiten.
Über die Möglichkeit direkt aus dem Asylverfahren in einen Fachkräfteaufenthalt zu wechseln, können Sie hier nachlesen. Welche Wege es gibt, um von der Duldung in einen gesicherten Aufenthalt zu kommen haben wir hier erklärt.
Weitere Aufenthaltstitel
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 19. März 2013 entschieden, dass einem Ausländer grundsätzlich mehrere Aufenthaltstitel nebeneinander erteilt werden können, solange das Gesetz nichts anderes bestimmt, da unterschiedliche Aufenthaltserlaubnisse verschiedene Rechtsfolgen haben. Das Gericht begründete dies folgendermaßen: „Denn nur so kann der Ausländer von den mit beiden Aufenthaltstiteln verbundenen Rechtsvorteilen effektiv Gebrauch machen. Müsste er sich für einen der beiden Aufenthaltstitel entscheiden, würden ihm hierdurch die nur mit dem anderen Titel verbundenen Rechtsvorteile verlorengehen, obwohl er nach dem Gesetz auch auf diesen Titel und die damit verbundenen Rechtsvorteile einen Anspruch hat.“ (Rn. 19, BVerwG 1 C 12.12). Weitere Informationen und Rechtsprechung können Sie hier nachlesen.
Konkret heißt das für Personen mit Schutzstatus, dass sie gleichzeitig zu ihrer bestehenden Aufenthaltserlaubnis auch zusätzliche Aufenthaltserlaubnisse erhalten können, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. Ein Familiennachzug kann dann auch über die Voraussetzungen nach dieser weiteren Aufenthaltserlaubnis möglich sein. Leider zeigt sich in der Praxis, dass die Erteilung weiterer Aufenthaltstitel nicht immer leicht durchzusetzen ist.
Im Falle eines oftmals befürchteten Widerrufs des Schutzstatus, bspw. bei Flüchtlingen aus Syrien, können sich Menschen durch einen zusätzlichen Aufenthaltstitel zudem von diesem Szenario unabhängig machen und Ihren Aufenthalt selbst anderweitig absichern.
Zu beachten ist bei diesen weiteren Aufenthaltserlaubnissen, dass im Gegensatz zur Aufenthaltserlaubnis für subsidiär Geschützte, die ohne Reisepass erteilt werden muss, ein gültiger Pass zwingend notwendig ist. Dies kann bedeuten, dass Betroffene zur Passbeschaffung bei der Botschaft ihres Herkunftslandes aufgefordert werden. Nur in Fällen, in denen die Passbeschaffung unzumutbar ist – wofür es sehr hohe Hürden gibt – fällt diese Voraussetzung weg.
Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit Berufsausbildung oder Hochschulabschluss
Wer einen anerkannten oder als gleichwertig geltenden akademischen oder nicht-akademischen Berufsabschluss hat und als Fachkraft beschäftigt ist oder ein entsprechendes Arbeitsplatzangebot vorweisen kann, erhält eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18a oder b AufenthG. Eine Beschäftigung als Fachkraft erfordert, dass dabei Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden.
Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG: Fachkräfte mit Berufsausbildung
- 18a AufenthG ist eine Aufenthaltserlaubnis für Personen, die als Fachkraft beschäftigt sind und einen deutschen oder einen in Deutschland anerkannten qualifizierten Berufsabschluss (mit einer mindestens zweijährigen Berufsausbildung, vergleiche § 2 Abs. 12a AufenthG) besitzen.
Für die Feststellung der Gleichwertigkeit ihres Abschlusses müssen die nicht-akademischen Fachkräfte ein Anerkennungsverfahren durchlaufen. Das Verfahren endet meist mit einem Bescheid, der Nachqualifizierungen oder Anpassungsmaßnahmen erfordert.
Aufenthaltserlaubnis nach § 18b AufenthG: Fachkräfte mit akademischer Ausbildung
- 18b AufenthG ist die Aufenthaltserlaubnis für Personen mit einem deutschen oder in Deutschland als gleichwertig geltenden Hochschulabschluss für eine qualifizierte Beschäftigung, die als Fachkraft beschäftigt sind.
Bei der Feststellung der Gleichwertigkeit des Abschlusses akademischer Fachkräfte gibt es je nach Beruf Unterschiede: Bei reglementierten Berufen (Liste siehe hier) ist die Anerkennung des ausländischen Abschlusses zwingend notwendig. Bei nicht-reglementierten Berufen kann die Gleichwertigkeit über die anabin-Datenbank geprüft werden. Ist die Qualifikation in der Datenbank nicht gelistet, muss eine Zeugnisbewertung bei der Zentralstelle ausländisches Bildungswesen (ZAB) beantragt werden. Mehr dazu siehe hier.
Familiennachzug zu Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18a oder b AufenthG
Subsidiär Geschützte oder Personen mit anderen Aufenthaltserlaubnissen, bei denen ein Nachzug nur eingeschränkt (§ 29 Abs. 3 S. 1 AufenthG) oder gar nicht (§ 29 Abs. 3 S. 2 AufenthG) möglich ist, können mit dem Aufenthaltstitel als Fachkraft die Aussetzung des Familiennachzugs umgehen. Für sie besteht die Möglichkeit eines Nachzugs ihrer Angehörigen über den zweiten Aufenthaltstitel.
Es gelten die Regelerteilungsvoraussetzungen, aber
- es muss kein ausreichender Wohnraum nachgewiesen werden ( 29 Abs. 5 AufenthG)
- die nachziehenden Familienangehörigen, also Ehepartner*in und minderjährige Kinder, müssen keine Deutschkenntnisse nachweisen (§ 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AufenthG; 32 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 AufenthG).
Wenn die Aufenthaltserlaubnis zum ersten Mal nach dem 1. März 2024 erteilt wurde, können auch die Eltern nachziehen. Gleiches gilt für die Schwiegereltern, wenn der Ehegatte der Fachkraft dauerhaft im Bundesgebiet lebt (§ 36 Abs. 3 AufenthG). Hierbei müssen aber die Regelerteilungsvoraussetzungen erfüllt werden, also unter anderem ein ausreichender Krankenversicherungsschutz bestehen, was nur mit sehr hohem Einkommen zu erreichen ist, siehe dazu hier.
Aufenthaltserlaubnis nach § 19c AufenthG
Hinter § 19c AufenthG stecken verschiedene Aufenthaltserlaubnisse für Beschäftigte, über die wir hier einen kurzen Überblick geben. Es handelt sich bei diesen Aufenthaltserlaubnissen um „Kann-Vorschriften“, also um Ermessens-Regelungen. Das heißt, es gibt keinen Anspruch auf eine solche Aufenthaltserlaubnis, selbst wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Bundesagentur für Arbeit prüft die Beschäftigungsbedingungen und in manchen Fällen wird auch eine sogenannte Vorrangprüfung durchgeführt.
Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1 AufenthG (in Verbindung mit Einzelvorschriften der BeschV)
- 19c Abs. 1 AufenthG ist eine Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung, die grundsätzlich unabhängig von der Qualifikation als Fachkraft besteht, wenn dies durch die Beschäftigungsverordnung (BeschV) zugelassen wird. Hierunter fallen sowohl Berufe, für die gar keine, als auch solche, für die eine Ausbildungsdauer von unter zwei Jahren erforderlich ist. Dies eröffnet zum Beispiel für Pflegehilfskräfte (§ 22a BeschV), die eine nur einjährige Ausbildung erhalten und daher nicht als Fachkräfte gelten, eine Möglichkeit, um einen zusätzlichen Aufenthaltstitel zu beantragen.
In einigen Fällen bedarf die Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, in anderen Fällen gibt es eine Zustimmungserfordernis. Im Rahmen dieser muss zudem in bestimmten Fällen eine Vorrangprüfung durchgeführt werden, also ob bevorrechtigte Deutsche oder EU-Bürger*innen für die ausgeschriebene Stelle zur Verfügung stehen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann die Bundesagentur für Arbeit ihre Zustimmung erteilen. Zur Klärung dieser Fragen sollte gegebenenfalls individueller anwaltlicher Rat eingeholt werden.
Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 2 AufenthG: Beschäftigung mit Berufserfahrung
- 19c Abs. 2 AufenthG ist eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung, bei der jedoch davon ausgegangen wird, dass sie auch von formal unqualifizierten Arbeitskräften mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen („Quasi-Fachkräfte“) ausgeübt werden kann. Erforderlich hierfür ist eine mindestens zweijährige Berufserfahrung innerhalb der letzten fünf Jahre. Zudem gibt es Voraussetzungen im Hinblick auf die Höhe des Gehalts sowie zur ausländischen Berufsqualifikation oder Berufsabschluss oder Hochschulabschluss (§ 6 BeschV). Eine Anerkennung in Deutschland ist nicht erforderlich, aber die Zentralstelle ausländisches Bildungswesen (ZAB) muss – außer bei IT-Fachleuten – festgestellt haben, dass der Abschluss im Herkunftsland anerkannt ist.
Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 3 AufenthG: Beschäftigung im öffentlichen Interesse
- 19c Abs. 3 AufenthG ist eine Aufenthaltserlaubnis, die unabhängig von der Qualifikation für eine qualifizierte Tätigkeit erteilt werden kann, wenn an der Beschäftigung im Einzelfall „ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht“ (§19c Abs. 3 AufenthG). Ausführlichere Informationen zu § 19c und weiteren Aufenthaltserlaubnissen finden Sie hier.
Familiennachzug zu Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19c AufenthG
Subsidiär Geschützte können mit einer der vorgenannten Aufenthaltserlaubnisse die Aussetzung des Familiennachzugs umgehen. Gleiches gilt im Übrigen in Bezug auf die hohen Hürden des § 29 Abs. 3 AufenthG für Menschen mit Abschiebungsverboten. Für beide Personengruppen besteht die Möglichkeit eines Nachzugs ihrer Angehörigen über den zweiten Aufenthaltstitel.
Es gelten die Regelerteilungsvoraussetzungen.
Für Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18a, 18b oder § 19 c Abs. 2 AufenthG und für bestimmte Führungskräfte und Wissenschaftler*innen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1 AufenthG haben, gibt es diese Erleichterungen:
- Es muss kein ausreichender Wohnraum nachgewiesen werden ( 29 Abs. 5 AufenthG)
- Die nachziehenden Familienangehörigen, also Ehepartner*in und minderjährige Kinder, müssen keine Deutschkenntnisse nachweisen (§ 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AufenthG; 32 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 AufenthG).
- Wenn die Aufenthaltserlaubnis zum ersten Mal nach dem 1. März 2024 erteilt wurde, können auch die Eltern und Schwiegereltern nachziehen (§ 36 Abs. 3 AufenthG). Hierbei müssen aber die Regelerteilungsvoraussetzungen erfüllt werden und ein ausreichender Krankenversicherungsschutz bestehen, was nur mit sehr hohem Einkommen zu erreichen ist, siehe dazu hier.
Niederlassungserlaubnis
Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an Personen mit subsidiärem Schutz ist in § 26 Abs. 4 AufenthG geregelt.
Die Voraussetzungen sind:
- seit mindestens fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis (dabei wird die Dauer des vorangegangenen Asylverfahrens angerechnet)
- ausreichend Wohnraum
- Deutschkenntnisse auf B1-Niveau
- Grundkenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung (z.B. durch den Test „Leben in Deutschland“)
- Sicherung des Lebensunterhaltes
- mindestens 60 Monate Beiträge zur Rentenversicherung
- keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit
Unabhängig von einem möglichen Familiennachzug, der für subsidiär Geschützte mit einer Niederlassungserlaubnis weiterhin möglich ist, empfiehlt es sich für alle, die dauerhaft in Deutschland bleiben wollen, sich zu einem solchen Antrag auf unbefristeten Aufenthalt individuell beraten zu lassen, wenn sie diese Voraussetzungen erfüllen.
Eine individuelle, fachliche Beratung ist auch wichtig, weil die Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis im Hinblick auf die Identitätsklärung und Passbeschaffung etwas anders sind als bei der Aufenthaltserlaubnis für subsidiär Geschützte. Eine Aufenthaltserlaubnis für subsidiär Geschützte muss erteilt werden, auch wenn kein Reisepass vorliegt. Bei einer Niederlassungserlaubnis kann die Ausländerbehörde im Ermessen davon absehen, muss es aber nicht. Es sei denn, die Passbeschaffung ist unzumutbar. Das bedeutet, dass eine Niederlassungserlaubnis unter Umständen erst dann erteilt wird, wenn ein Nationalpass vorgelegt werden kann. In der Praxis zeigt sich, dass dies in manchen Fällen eine sehr hohe Hürde sein kann.
Familiennachzug zu Personen mit einer Niederlassungserlaubnis:
Beim Familiennachzug gelten die Regelerteilungsvoraussetzungen. Subsidiär Geschützte, die eine Niederlassungserlaubnis erhalten haben, sind von der Aussetzung des Familiennachzugs nicht betroffen. Ihre Angehörigen können weiterhin Visaanträge bei deutschen Auslandsvertretungen stellen. Im Übrigen können Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis wegen Abschiebungsverboten können, sobald sie eine Niederlassungserlaubnis haben, die hohen Hürden für einen Familiennachzug umgehen.
Einbürgerung
Eine Einbürgerung ist direkt aus dem subsidiären Schutz möglich. Die Voraussetzungen können Sie hier nachlesen.
Familiennachzug zu deutschen Staatsbürgern:
Zum Familiennachzug zu deutschen Staatsbürger*innen berät der Verband binationaler Familien.