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Integrationsgipfel 20 Jahre nach Solingen

Der heutige sechste Integrationsgipfel der Bundesregierung findet fast auf den Tag genau 20 Jahre nach dem rechtsextremistischen Brandanschlag von Solingen statt, bei dem fünf türkeistämmige Mädchen und Frauen starben und weitere Menschen schwer verletzt wurden. Über Rassismus wird nicht gesprochen.
Integrationsgipfel vertane Chance im Kampf gegen Rassismus
Die Bundesregierung nutzt den Integrationsgipfel aber nicht dazu, mit der Zivilgesellschaft über Rassismus als Menschenrechtsverletzung und Integrationshindernis zu sprechen und gemeinsame Konzepte zu seiner Überwindung auf den Weg zu bringen. So wird der Gipfel zu einer vertanen Chance im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Deutschland hat ein Rassismus-Problem, das endlich auf die Tagesordnung des Gipfels gesetzt werden muss.
Seit 1990 mehr als 180 Menschen durch rassistische Gewalt getötet
Die Opfer des Solinger Brandanschlags reihen sich in die mehr als 180 Menschen ein, die nach Recherchen der Amadeo Antonio-Stiftung im Kontext rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt seit 1990 ums Leben gekommen sind. Diese Tötungsdelikte sind nur die Spitze des Eisbergs. Nach den aktuellen Daten des Bundesinnenministeriums haben als ‚fremdenfeindlich‘ klassifizierte Straf- und Gewalttaten im Jahr 2012 erneut stark zugenommen. Und die Ignoranz der Ermittlungsbehörden z.B. gegenüber den NSU-Morden lässt eine hohe Dunkelziffer befürchten.
Ablehnung von Minderheiten in der Mitte der Gesellschaft verankert
Gleichzeitig machen repräsentative Einstellungsbefragungen regelmäßig deutlich, dass die Ablehnung von gesellschaftlichen Minderheiten und die Bereitschaft zu ihrer Diskriminierung auch in der Mitte der Gesellschaft fest verankert sind. Die Bundesregierung in Person von Bundesinnenminister Friedrich fördert in der aktuellen Debatte um die Freizügigkeit in der Europäischen Union solche Ressentiments insbesondere gegenüber Roma.
Strategie gegen Rassismus und Diskriminierung fehlt
Wer Rassismus überwinden will, muss die bestehenden Verhältnisse offen benennen und aktiv angehen. Notwendig ist eine umfassende und handlungsorientierte gesamtgesellschaftliche Strategie gegen Rassismus und Diskriminierung, die der institutionellen und gesetzlichen Ausgrenzung gesellschaftlicher Minderheiten entgegenarbeitet, auf die Überwindung rassistischer Einstellungen und Vorurteilsstrukturen hinwirkt, dauerhafte Strukturen und Projekte gegen Rassismus und Diskriminierung ausbaut und fördert. Sie muss den rechtlichen Schutz vor Rassismus und Diskriminierung ausweiten und die Opfer von Rassismus und Diskriminierung bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützen.
Notwendiges Handeln darf dabei nicht durch wohlfeile Gipfel ersetzt werden. Die Verantwortung für fortbestehende oder neu entstehende Integrationsprobleme darf die Bundesregierung nicht gesellschaftlichen Minderheiten in die Schuhe schieben.
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