25.03.2021

PRO ASYL warnt vor dra­ma­ti­schen men­schen­recht­li­chen und außen­po­li­ti­schen Folgen 

Am 25. und 26. März tagt der Euro­päi­sche Rat – auf der Tages­ord­nung steht auch ein Bericht zur Tür­kei. Die Ver­hand­lun­gen der EU über einen neu­en Deal mit der Tür­kei sind im Gan­ge. PRO ASYL warnt ein­dring­lich vor weit­rei­chen­den außen­po­li­ti­schen und men­schen­recht­li­chen Fol­gen für Schutz­su­chen­de und Menschenrechte.

»Wer Deals mit der Tür­kei schließt, nimmt hin, dass Men­schen­rech­te außer Kraft gesetzt wer­den. Mit der Men­schen­rechts­la­ge in der Tür­kei geht es seit Jah­ren berg­ab – und die EU sieht zu. Im Innern erhält Erdoğan freie Hand zur Unter­drü­ckung der Oppo­si­ti­on, in der kriegs­trei­ben­den Außen­po­li­tik wer­den Hun­der­tau­sen­de in die Flucht getrie­ben. Der EU-Tür­kei-Deal ist ein men­schen­recht­li­ches Fias­ko«, warnt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

PRO ASYL for­dert von der EU den kom­plet­ten Kurs­wech­sel. Einen neu­en Deal auf Kos­ten von Men­schen­rech­ten und Geflüch­te­ten mit der Tür­kei darf es nicht geben. Die Tür­kei ist nicht sicher für Schutz­su­chen­de, dies belegt ein neu­es Gut­ach­ten von PRO ASYL. Auch für Menschenrechtler*innen ist es gefähr­lich. Es spricht Bän­de, dass PRO ASYL die Verfasser*innen des Gut­ach­tens nicht ver­öf­fent­li­chen kann. »Wir haben Angst, dass die Autor*innen gefähr­det wer­den«, so Burkhardt.

Pre­kä­re Men­schen­rechts­la­ge in der Tür­kei – kriegs­trei­ben­de Poli­tik in der Region

Die Tür­kei erhält fak­tisch einen Frei­brief im Innern zu machen was sie will, Haupt­sa­che, sie rie­gelt rigo­ros gegen Schutz­su­chen­de ab. Nun ver­han­delt man in aller Stil­le, ob euro­päi­sches Geld die Fol­gen eines des völ­ker­rechts­wid­ri­gen Ein­mar­sches in Syri­en abfe­dern soll und in Nord­sy­ri­en ein­ge­setzt wird.

Die Fol­gen sind ein men­schen­recht­li­ches und auch außen­po­li­ti­sches Desas­ter. Die kriegs­trei­ben­de Poli­tik Erdoğans im syri­schen, ira­ki­schen und tür­ki­schen Teil Kur­di­stans oder Aser­bei­dschan und Liby­en wird tole­riert, eben­so die Ver­fol­gung von Min­der­hei­ten und Oppo­si­tio­nel­len in der Türkei.

Die ver­ein­te Flucht­ver­hin­de­rung von Tür­kei, Grie­chen­land, NATO und Fron­tex trifft auch tür­ki­sche Oppo­si­tio­nel­le, die flie­hen wol­len. Ein Nacht­sicht­ge­rät sieht nicht die Natio­na­li­tät, bereits jetzt flie­hen aus der Tür­kei ver­folg­te tür­ki­sche Staatsbürger*innen und wer­den an der Flucht gehindert.

Die Tür­kei ist zum Ver­fol­ger­staat geworden

Seit dem Putsch­ver­such am 15. Juli 2016 wur­den in der Tür­kei mehr als 100.000 Staats­be­diens­te­te ent­las­sen. Zehn­tau­sen­de Men­schen wur­den inhaf­tiert – unter ihnen hun­der­te Journalist*innen und Anwält*innen. Bei der Zahl der Asylantragssteller*innen in Deutsch­land nimmt die Tür­kei hin­ter Syri­en, dem Irak und Afgha­ni­stan bereits den vier­ten Platz ein. 2019 waren es 11.423 Asyl­ge­su­che, 2020 belief sich die Zahl coro­nabe­dingt auf 6.562. Die Schutz­quo­te betrug 2019 52,7%, 2020 waren es 47,7%. Die­se Zah­len des Bun­des­amts für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) bele­gen die pre­kä­re Men­schen­rechts­si­tua­ti­on in der Tür­kei. Erst ver­gan­ge­ne Woche ist die Tür­kei aus der Istan­bul Kon­ven­ti­on zum Schutz der Frau vor Gewalt aus­ge­dreh­ten – mehr als 300 Frau­en sind im ver­gan­ge­nen Jahr Opfer von Femi­zi­den geworden.

Kei­ne Deals auf Kos­ten von Menschenrechten! 

PRO ASYL warnt ein­dring­lich vor den geplan­ten Zurück­schie­bun­gen aus der EU in die Tür­kei. Für Flücht­lin­ge gibt es in der Tür­kei weder Schutz noch Per­spek­ti­ven – dies gilt ins­be­son­de­re für afgha­ni­sche Flücht­lin­ge. Afgha­ni­stan ist das Haupt­her­kunfts­land von neu­an­kom­men­den Schutz­su­chen­den in der Tür­kei – Afghan*innen sind auch eine der größ­ten Flücht­lings­grup­pe in Griechenland.

Die oben genann­te von PRO ASYL in Auf­trag gege­be­ne Stu­die zeigt deut­lich, dass afgha­ni­sche Schutz­su­chen­de in der Tür­kei in einer ver­zwei­fel­ten Lage sind. Die meis­ten sind in die Ille­ga­li­tät gedrängt und leben in der stän­di­gen Angst vor Kon­trol­le, Inhaf­tie­rung und Abschie­bung. Die Tür­kei ist kein siche­rer Dritt­staat. »Wer das Gegen­teil annimmt, schließt vor der Rea­li­tät in der Tür­kei die Augen«, warnt Burkhardt.

Zur aus­führ­li­chen Kri­tik von PRO ASYL an der EU-Flücht­lings­po­li­tik und dem EU-Tür­kei-Deal geht es hier.

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