16.12.2009

PRO ASYL und Flücht­lings­rat Nie­der­sach­sen for­dern Kon­se­quen­zen: Aus­he­be­lung des Rechts­wegs durch spä­te Zustel­lung muss been­det werden

Das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) unter­nimmt eini­ges, um Asyl­su­chen­den, für die angeb­lich ein ande­rer EU-Staat zustän­dig ist, den Rechts­weg zu ver­bau­en. Den betrof­fe­nen Flücht­lin­gen wird der schrift­li­che Bescheid, dass ein Asyl­ver­fah­ren in Deutsch­land nicht durch­ge­führt wird, erst am Tag der Abschie­bung aus­ge­hän­digt. Damit wird der Rechts­schutz für die Betrof­fe­nen ausgehebelt.

Das Ver­wal­tungs­ge­richt Han­no­ver hat in einem Beschluss vom 10. Dezem­ber 2009 (Az.: 13 B 6047/09) die­se Pra­xis des Bun­des­am­tes als Grund­rechts­ver­stoß kri­ti­siert. Das Bun­des­amt ver­ken­ne das Gebot des effek­ti­ven Rechts­schut­zes des Art. 19 IV GG, so das VG in sei­ner Kam­mer­ent­schei­dung. Nur wenn eine früh­zei­ti­ge Zustel­lung des Beschei­des auf­grund einer kurz­fris­tig anbe­raum­ten Rück­füh­rung tat­säch­lich nicht mög­lich sei, dür­fe der Bescheid am Tag der Abschie­bung über­ge­ben werden.

Grund­sätz­lich habe die Bekannt­ga­be des Bescheids jedoch wei­ter­hin „so bald wie mög­lich“ zu erfol­gen. Dies gebie­te das Gebot des effek­ti­ven Rechts­schut­zes (Arti­kel 19 IV GG). Die­ses Grund­recht beinhal­te eben nicht nur die for­ma­le Mög­lich­keit, Gerich­te anzu­ru­fen, son­dern auch den Anspruch, tat­säch­lich wirk­sa­me gericht­li­che Kon­trol­le zu erlan­gen. Der Rechts­schutz dür­fe weder aus­ge­schlos­sen noch in unzu­mut­ba­rer, aus Sach­grün­den nicht gerecht­fer­tig­ter Wei­se erschwert wer­den. Ange­wen­det auf den zu ent­schei­den­den Ein­zel­fall stellt das Gericht fest: „Um den Anspruch des Antrag­stel­lers auf die Inan­spruch­nah­me des gericht­li­chen Rechts­schut­zes zu sichern, erach­tet die Kam­mer eine Frist von min­des­tens drei Werk­ta­gen (…) in dem hier vor­lie­gen­den Fall für noch ange­mes­sen.“ Das Bun­des­amt saß bereits seit dem 22. Okto­ber 2009 auf dem fer­ti­gen Bescheid. Der Rechts­an­walt des Betrof­fe­nen erhielt ihn am 30. November.

Im vor­lie­gen­den Fall geht es um die Abschie­bung eines 16-jäh­ri­gen Kur­den, den man nach Slo­we­ni­en über­stel­len will. Er floh allein nach Deutsch­land, weil bereits sein Vater hier lebt. Fest­ge­stellt wur­de, dass sei­ne Fin­ger­ab­drü­cke bereits in Slo­we­ni­en in die Euro­dac-Datei gekom­men waren. Dar­auf­hin wur­de der Min­der­jäh­ri­ge – auch dies ein mas­si­ver Skan­dal und ein Ver­stoß gegen die UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on – in der JVA Han­no­ver inhaf­tiert. Eine Prü­fung, was im Inter­es­se des Kin­des­wohls zu tun sei, erfolg­te nicht, wie der ein­ge­schal­te­te Han­no­ve­ra­ner Rechts­an­walt Dündar Kel­log­lu feststellte.

Das Ver­wal­tungs­ge­richt ver­weist in sei­ner Ent­schei­dung dar­auf, dass das Wohl von unbe­glei­te­ten Min­der­jäh­ri­gen gegen­über einem Wie­der­auf­nah­me­ge­such eines ande­ren EU-Mit­glied­staa­tes stets den Vor­rang haben soll­te. Die auch in Arti­kel 6 Absatz 1 der Dub­lin II-Ver­ord­nung vor­ge­se­he­ne Prü­fung unter die­sem Gesichts­punkt hat das Bun­des­amt jedoch nicht vorgenommen.

PRO ASYL und der Flücht­lings­rat Nie­der­sach­sen begrü­ßen die Ent­schei­dung. Sie for­dern das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge auf, sei­ne flä­chen­de­cken­de Pra­xis der Blo­cka­de des Rechts­wegs zu been­den und das Rechts­schutz­ge­bot des Arti­kels 19 IV GG end­lich ernst zu nehmen.

Kon­takt:

PRO ASYL, Tel. 069 23 06 95, presse@proasyl.de

Flücht­lings­rat Nie­der­sach­sen, Tel. 05121 15 605, kw@nds-fluerat.org

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