11.11.2014

Im Ver­fah­ren des US-Deser­teurs André She­p­herd (37) hat heu­te die Gene­ral­an­wäl­tin des Euro­päi­schen Gerichts­hofs Ele­a­n­or Sharps­ton ihren Schluss­an­trag gestellt. Er ent­hält rich­tungs­wei­sen­de Erwä­gun­gen zur Aus­le­gung der soge­nann­ten Qua­li­fi­ka­ti­ons­richt­li­nie der Euro­päi­schen Uni­on. Mit ihr sol­len unter ande­rem die­je­ni­gen geschützt wer­den, die sich einem völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg oder völ­ker­rechts­wid­ri­gen Hand­lun­gen ent­zie­hen und infol­ge­des­sen mit Ver­fol­gung rech­nen müssen.

André She­p­herd, ehe­mals Mecha­ni­ker für Kampf­hub­schrau­ber im Irak-Ein­satz, hat­te sich bei einem Deutsch­land­auf­ent­halt der Fort­set­zung sei­nes Ein­sat­zes ent­zo­gen und stell­te 2008 einen Asyl­an­trag, der 2011 vom Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) abge­lehnt wur­de. Die hier­ge­gen ein­ge­leg­te Kla­ge führ­te dazu, dass das Ver­wal­tungs­ge­richt Mün­chen wesent­li­che Fra­gen zur Aus­le­gung der Qua­li­fi­ka­ti­ons­richt­li­nie dem Euro­päi­schen Gerichts­hof in Luxem­burg vor­leg­te. Die Gene­ral­an­wäl­tin kam in ihrem Schluss­vor­trag zu fol­gen­den Einschätzungen:

  • In den Schutz­be­reich der Qua­li­fi­ka­ti­ons­richt­li­nie fal­len auch Sol­da­ten, die nicht direkt an Kampf­hand­lun­gen betei­ligt waren, wenn ihr Han­deln zu men­schen­rechts­wid­ri­gen Hand­lun­gen bei­trägt. Das BAMF hat­te dies bis­her verneint.
  • Der Deser­teur muss im Rah­men des Asyl­ver­fah­rens nicht bewei­sen, dass er in men­schen­rechts­wid­ri­ge Hand­lun­gen ver­strickt war oder wer­den wür­de, wie vom BAMF ver­langt. Es genügt eine auf Tat­sa­chen gestütz­te Prognose
  • Auch ein UN Man­dat für den Krieg, in dem der Deser­teur ein­ge­setzt war oder ein­ge­setzt wer­den soll­te, schließt eine Flücht­lings­an­er­ken­nung nicht grund­sätz­lich aus.
  • Der Deser­teur muss im Asyl­ver­fah­ren nach­wei­sen, dass er ent­we­der ein exis­tie­ren­des Ver­fah­ren zur Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung durch­lau­fen hat oder aber ein sol­ches aus kon­kre­ten Grün­den nicht in Anspruch neh­men konnte.
  • Bei der Beur­tei­lung der Fra­ge, ob ein Mili­tär­dienst­ver­wei­ge­rer Mit­glied einer sozia­len Grup­pe im Sin­ne des Flücht­lings­rech­tes ist, ist die Ernst­haf­tig­keit der Gewis­sens­über­zeu­gung zu prü­fen, eben­so, ob die Ange­hö­ri­gen die­ser Grup­pe in ihrem Her­kunfts­land aus­ge­grenzt würden.
  • Zu prü­fen haben die natio­na­len Behör­den wei­ter, ob die sozia­le Grup­pe, der der Antrag­stel­ler ange­hört, wahr­schein­lich auf dis­kri­mi­nie­ren­de Wei­se anders behan­delt wird, weil ein Mili­tär­ge­richts­ver­fah­ren oder eine uneh­ren­haf­te Ent­las­sung drohen.

Das Inter­na­tio­na­le Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rungs­netz­werk Con­nec­tion e.V. und PRO ASYL, die André She­p­herds Ver­fah­ren seit Jah­ren unter­stüt­zen, sehen sich, eben­so wie She­p­herds Anwalt Dr. Rein­hard Marx, in ihrer Über­zeu­gung bestä­tigt, dass ein Schutz für Deser­teu­re auf der Basis der EU-Qua­li­fi­ka­ti­ons­richt­li­nie mög­lich ist.

Rudi Fried­rich von Con­nec­tion e.V. erklär­te heu­te: „Wenn der EUGH dem Schluss­an­trag folgt, wird das die Posi­ti­on von Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rern und Deser­teu­ren im Asyl­ver­fah­ren erheb­lich stärken.“

„Soll­te das Gericht dem Schluss­an­trag fol­gen, hat dies Grund­satz­be­deu­tung. Ich hof­fe, dass Deser­teu­re dem­nächst euro­pa­weit deut­lich bes­ser geschützt wer­den.“, erklär­te Bernd Meso­vic von PRO ASYL.

„Der Schluss­an­trag stimmt mich sehr opti­mis­tisch, sowohl für mein Ver­fah­ren als auch für die Rech­te von ande­ren Deser­teu­ren“, so She­p­herd nach Bekannt­ga­be des Schlussantrages.

Schluss­an­trä­ge der Gene­ral­an­wäl­tin Ele­a­n­or Sharps­ton vom 11.11.2013. Rechts­sa­che C‑472/13 And­re Law­rence She­p­herd / Bun­des­re­pu­blik Deutschland

PM des EUGH vom 11.11.2014: Schluss­an­trä­ge der Gene­ral­an­wäl­tin in der Rechts­sa­che C‑472/13 And­re Law­rence She­p­herd / Bun­des­re­pu­blik Deutschland

Con­nec­tion e.V.: Chro­no­lo­gie im Fall Shepherd

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