01.05.2020

PRO ASYL kri­ti­siert: Deutsch­land ver­hin­dert Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung trotz kata­stro­pha­ler Konsequenzen

Das Recht auf Fami­li­en­le­ben genießt nach dem Grund­ge­setz einen hohen Rang. In der Rea­li­tät ist die­ses Grund­recht jedoch für Schutz­be­rech­tig­te und Flücht­lin­ge in Deutsch­land der­zeit fak­tisch auf­ge­ho­ben: Infol­ge der Maß­nah­men der Bun­des­re­gie­rung zur Ein­däm­mung des Coro­na-Virus ist der Fami­li­en­nach­zug von Ange­hö­ri­gen zu aner­kann­ten Schutz­be­rech­tig­ten in Deutsch­land kom­plett zum Erlie­gen gekom­men. Es wer­den kei­ne Anträ­ge mehr auf­ge­nom­men, und selbst Per­so­nen, die schon ein Visum erhal­ten haben, kön­nen nicht mehr zu ihren Ange­hö­ri­gen nach Deutsch­land einreisen.

»Die Coro­na-Pan­de­mie darf nicht dazu füh­ren, dass der grund- und men­schen­recht­lich ver­brief­te Anspruch, end­lich mit der Fami­lie wie­der ver­eint zu wer­den, Geflüch­te­ten ver­wehrt bleibt«, so Bel­lin­da Bar­to­luc­ci, Lei­te­rin der Abtei­lung Rechts­po­li­tik von PRO ASYL. Die Ange­hö­ri­gen von aner­kann­ten Schutz­be­rech­tig­ten über­le­ben oft unter schwie­rigs­ten Bedin­gun­gen, ohne jeg­li­che Schutz­maß­nah­men und ohne ärzt­li­che Behand­lung als intern Ver­trie­be­ne in ihren Her­kunfts­län­dern oder in Flücht­lings­la­gern der Nach­bar­län­der (sie­he Coro­na: UN-Hoch­kom­mis­sar besorgt über Mil­lio­nen Flücht­lin­ge). Die hier leben­den Aner­kann­ten ver­zwei­feln an der andau­ern­den Familientrennung.

PRO ASYL for­dert die Bun­des­re­pu­blik auf, alle Maß­nah­men zu ergrei­fen, dass das Grund­recht auf den Schutz der Fami­lie auch unter Ein­be­zug aller Maß­nah­men zur Bekämp­fung der Coro­na-Epi­de­mie wei­ter­hin garan­tiert und umge­setzt wird. Für Betrof­fe­ne, die nach uner­träg­li­chem War­ten und oft unter Inkauf­nah­me hoher Kos­ten und Risi­ken für ihre Sicher­heit über­haupt ein Visum erhal­ten haben, muss die Ein­rei­se gewähr­leis­tet wer­den. Auch Flug­ver­bin­dun­gen müs­sen für die­se Men­schen orga­ni­siert wer­den. Dane­ben muss die Antrag­stel­lung prak­tisch ermög­licht wer­den und die­se Anträ­ge müs­sen schnell bear­bei­tet wer­den – not­falls im schrift­li­chen Ver­fah­ren. Visa müs­sen ihre Gül­tig­keit bis zur Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung behalten.

Das Pro­blem ablau­fen­der Visa

Wer­den Visa in einer bestimm­ten Zeit nicht genutzt, lau­fen sie ab. Laut Aus­wär­ti­gem Amt braucht es dann einen neu­en Antrag. Das ist gegen­über Ange­hö­ri­gen in Kriegs-und Kri­sen­ge­bie­ten sowie Tran­sit­staa­ten unzu­mut­bar und absurd und ver­ur­sacht erneut Angst und Unge­wiss­heit. PRO ASYL for­dert min­des­tens, dass bereits erteil­te Fami­li­en­nach­zugs­vi­sa unbü­ro­kra­tisch ver­län­gert werden.

Dass es auch ein­fa­cher geht, zeigt die Bun­des­re­gie­rung selbst: Dritt­staats­an­ge­hö­ri­gen, die mit einem Schen­gen-Visum vor der Coro­na-Kri­se ein­ge­reist sind und nicht aus­rei­sen kön­nen, wird ohne Kon­takt mit der zustän­di­gen Aus­län­der­be­hör­de eine fik­ti­ve Ver­län­ge­rung ihres Visums gewährt.

Beson­ders pro­ble­ma­tisch wird es, wenn es um den Eltern­nach­zug zu min­der­jäh­ri­gen Kin­dern geht, die in Deutsch­land bereits als Schutz­be­rech­tig­te aner­kannt sind. Wer­den sie im Lau­fe des mona­te- und jah­re­lan­gen War­tens voll­jäh­rig, ver­lie­ren sie nach der bis­he­ri­gen Pra­xis ihren Anspruch auf Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung – trotz der ein­deu­ti­gen Klar­stel­lung des EuGH, dass unver­schul­de­te Ver­zö­ge­run­gen in den Ver­fah­ren nicht den Betrof­fe­nen zum Nach­teil gerei­chen kön­nen. Dem Ver­neh­men nach sol­len nun die­se Fäl­le über die soge­nann­te Här­te­fall­klau­sel gelöst wer­den (§ 36 Abs. 2 Auf­enthG) – das wür­de jedoch bedeu­ten, dass der bestehen­de Rechts­an­spruch der Betrof­fe­nen zu einem Gna­den­recht verkommt.

Ein­rei­se ermöglichen!

Die Bun­des­re­gie­rung hat es bereits bewerk­stel­ligt, rund 240.000 deut­sche Urlauber*innen aus der gan­zen Welt in orga­ni­sier­ten Char­ter­flü­gen nach Hau­se zu holen. Bei ein paar tau­send Ange­hö­ri­gen von hier Schutz­be­rech­tig­ten, bei denen es um die Umset­zung ihres Grund- und Men­schen­rechts auf Fami­li­en­le­ben geht, sind eben­so drin­gen­de Hand­lun­gen zu erwarten.

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