21.09.2012

Die zahl­rei­chen Län­der­initia­ti­ven zei­gen deut­lich den poli­ti­schen Hand­lungs­be­darf, um die Situa­ti­on von lang­jäh­rig gedul­de­ten Men­schen wirk­sam zu verbessern.

„Die Betrof­fe­nen brau­chen end­lich eine siche­re Auf­ent­halts­per­spek­ti­ve“, sag­te Marei Pel­zer, rechts­po­li­ti­sche Refe­ren­tin von PRO ASYL. „Wer Men­schen dau­er­haft ohne Auf­ent­halts­si­cher­heit dahin­ve­ge­tie­ren lässt, ver­baut Lebens­ent­wür­fe und ver­schul­det deren sozia­le Ausgrenzung.“

Trotz Absichts­er­klä­rung im Koali­ti­ons­ver­trag hat die Bun­des­re­gie­rung nach drei Jah­ren Amts­zeit nur mar­gi­na­le Rege­lun­gen im huma­ni­tä­ren Bereich getrof­fen. Sie hat ledig­lich eine eng begrenz­te Rege­lung für „gut inte­grier­te“ Jugend­li­che ein­ge­führt, die aller­dings in der Pra­xis wegen zahl­rei­cher Restrik­tio­nen nur einem klei­nen Teil der Betrof­fe­nen zu einem Blei­be­recht ver­hol­fen hat.

Ham­burgs Gesetz­ge­bungs­in­itia­ti­ve will mehr: Die Rege­lung für Jugend­li­che (§ 25a Auf­enthG) soll ver­ein­facht wer­den, star­re Alters­gren­zen eben­so wie der bis­lang nach­zu­wei­sen­de sechs­jäh­ri­ge Schul­be­such als Anfor­de­rung ent­fal­len. Statt­des­sen soll aus­rei­chen, dass Jugend­li­che seit vier Jah­ren in Deutsch­land leben und der­zeit „erfolg­reich“ die Schu­le besu­chen oder bereits einen Schul­ab­schluss besitzen.

Mit der Bun­des­rats­in­itia­ti­ve will Ham­burg dar­über hin­aus eine all­ge­mei­ne Blei­be­rechts­re­ge­lung für Gedul­de­te schaf­fen. Anders als bei den bis­he­ri­gen Alt­fall­re­ge­lun­gen soll es sich dabei nicht um eine Stich­tags­re­ge­lung han­deln, die nur für Per­so­nen gilt, die bis zu einem bestimm­ten Zeit­punkt ein­ge­reist sind. Statt­des­sen soll eine Dau­er­re­ge­lung Gedul­de­ten die Blei­be­rechts­per­spek­ti­ve eröff­nen, wenn sie über einen län­ge­ren Zeit­raum in Deutsch­land gelebt haben.

PRO ASYL gehen die nun von Län­der­sei­te vor­ge­schla­ge­nen Rege­lun­gen jedoch nicht weit genug. Das Erfor­der­nis, den Lebens­un­ter­halt (über­wie­gend) durch Erwerbs­ar­beit sichern zu müs­sen, wider­spricht der schwie­ri­gen Lebens­rea­li­tät der Betrof­fe­nen. Sie wur­den als Asyl­su­chen­de oder gedul­de­te Flücht­lin­ge jah­re­lang per Ver­bot vom Arbeits­markt und Qua­li­fi­zie­rungs­maß­nah­men fern­ge­hal­ten. In vie­len Kom­mu­nen muss­ten sie in abge­le­ge­nen Lagern leben, ohne Chan­ce auf Par­ti­zi­pa­ti­ons­mög­lich­kei­ten oder Inte­gra­ti­on in den Arbeitsmarkt.

Wenn es nun im Ham­bur­ger Gesetz­ent­wurf heißt, die „eigen­ver­ant­wort­li­che Siche­rung des Lebens­un­ter­halts gehört zu den Grund­vor­aus­set­zun­gen einer nach­hal­ti­gen Inte­gra­ti­on, die vom Aus­län­der anzu­stre­ben ist“ wird einem Gesell­schafts­mo­dell das Wort gere­det, in dem Hil­fe­be­dürf­ti­ge aus­ge­grenzt wer­den. PRO ASYL for­dert, dass das Bemü­hen um eine eigen­stän­di­ge Lebens­un­ter­halts­si­che­rung aus­rei­chen muss, um ein Blei­be­recht zu erhalten.

Wäh­rend der Gesetz­ent­wurf von den Betrof­fe­nen ein Bekennt­nis zur „frei­heit­li­chen demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung“ ver­langt, soll der Schutz des Grund­ge­set­zes für ihre Fami­li­en nicht gel­ten: Fami­li­en­nach­zug soll gene­rell aus­ge­schlos­sen werden.

Kri­tik­wür­dig ist zudem, dass die restrik­ti­ven Aus­schluss­grün­de, die bereits frü­he­re Rege­lun­gen für vie­le Betrof­fe­nen zu rei­nen Papier­ti­gern gemacht haben, erneut auf­ge­nom­men wur­den. Die ver­wei­ger­te Mit­wir­kung an der eige­nen Abschie­bung soll eben­so wie in der Ver­gan­gen­heit erfolg­te Straf­ver­ur­tei­lun­gen wegen kleins­ter Ver­ge­hen zum Aus­schluss vom Blei­be­recht führen.

Fort­ge­schrie­ben wer­den sol­len auch restrik­ti­ve Aus­schluss­grün­de vom Blei­be­recht wie etwa die Ver­wei­ge­rung, an der eige­nen Abschie­bung mit­zu­wir­ken oder Bagatellstraftaten.

PRO ASYL begrüßt den Ham­bur­ger Vor­schlag als eine Ver­bes­se­rung. Er muss aber deut­lich nach­ge­bes­sert wer­den, um huma­ni­tä­ren Anfor­de­run­gen zu genügen. 

PRO ASYL hat eine Syn­op­se der ver­schie­de­nen Län­der­initia­ti­ven erstellt »

Bun­des­rats-Druck­sa­che 505/12 »

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