07.02.2013

Drei Jah­re nach dem Hartz IV-Urteil am 9.2.2010 und gut ein hal­bes Jahr nach­dem das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt am 18.7.2012 die Höhe der Leis­tun­gen nach dem Asyl­bewerberleistungsgesetz (Asyl­bLG) für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt hat, for­dern die Lan­des­flücht­lings­rä­te die Abschaf­fung die­ses dis­kri­mi­nie­ren­den Geset­zes und kei­ne Neu­auf­la­ge, wie von der Bun­des­re­gie­rung geplant. Nur eine Ein­glie­de­rung der Flücht­lin­ge in das Sys­tem der Sozi­al­hil­fe bzw. des Arbeits­lo­sen­gel­des II und der sofor­ti­ge, gleich­be­rech­tig­te Zugang zum Arbeits­markt wer­den die jah­re­lan­ge Dis­kri­mi­nie­rung von Flücht­lin­gen been­den und deren Inte­gra­ti­on von Anfang an unterstützen.

Bereits am 9. Febru­ar 2010 hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im sog. Hartz IV-Urteil aus­ge­führt, dass das Grund­recht auf Gewähr­leis­tung eines men­schen­wür­di­gen Exis­tenz­mi­ni­mums allen Hil­fe­be­dürf­ti­gen nicht nur die phy­si­sche Exis­tenz, son­dern auch ein Min­dest­maß an Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen, kul­tu­rel­len und poli­ti­schen Leben sowie die nöti­gen Geld­mit­tel zur Pfle­ge zwi­schen­mensch­li­cher Bezie­hun­gen umfasst. Spä­tes­tens seit die­sem Urteil ist klar, was Ver­bän­de, PRO ASYL und die Lan­des­flücht­lings­rä­te seit Jah­ren for­mu­liert haben: Eine „Men­schen­wür­de mit Rabatt“ wider­spricht dem Sozi­al­staats­prin­zip und lässt sich mit dem Grund­ge­setz nicht vereinbaren.

Dem Gedan­ken, es gäbe ein Exis­tenz­mi­ni­mum unter­halb des Exis­tenz­mi­ni­mums, hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im Juli letz­ten Jah­res daher eine gründ­li­che Absa­ge erteilt. Das Grund­recht auf ein men­schen­wür­di­ges Exis­tenz­mi­ni­mum sei migra­ti­ons­po­li­tisch nicht zu rela­ti­vie­ren, so das Bundesverfassungsgericht.

Der vor­lie­gen­de Refe­ren­ten­ent­wurf des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Arbeit und Sozia­les BMAS hält weit­ge­hend am alten Sys­tem fest. Schon der Name des Geset­zes bleibt eine Mogel­pa­ckung. Längst wer­den in die­sem Gesetz nicht nur die Leis­tun­gen für Asyl­be­wer­ber gere­gelt, son­dern auch für Men­schen mit Dul­dung und für Men­schen mit einem huma­ni­tä­ren Auf­ent­halt. Der Ent­wurf über­nimmt zwar im Wesent­li­chen die Beträ­ge der vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ver­ord­ne­ten Über­gangs­re­ge­lung, die sich an der Sozi­al­hil­fe (SGB II/XII) ori­en­tiert, aller­dings wird am Vor­rang der Sach­leis­tungs­ver­sor­gung fest­ge­hal­ten. Die Dis­kri­mi­nie­rung  durch die Ein­wei­sung in Sam­mel­la­ger statt Woh­nun­gen und die in Bay­ern, Baden-Würt­tem­berg, Nie­der­sach­sen und vie­len Land­krei­sen in ande­ren Bun­des­län­dern übli­che Ver­sor­gung mit Essens­pa­ke­ten oder Wert­gut­schei­nen soll wei­ter­hin mög­lich blei­ben. Dies ist umso unver­ständ­li­cher als in der Geset­zes­be­grün­dung selbst auf die kos­ten­güns­ti­ge­ren Bar­geld­leis­tun­gen hin­ge­wie­sen wird.

Dar­über hin­aus soll der Anspruch auf medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung nach wie vor auf die Behand­lung aku­ter Erkran­kun­gen und Schmerz­zu­stän­de beschränkt blei­ben. Dies führt zu Aus­wüch­sen wie in Thü­rin­gen, wo den Flücht­lin­gen nur pro­vi­so­ri­sche Zahn­plom­ben ein­ge­setzt wer­den oder gleich zur Extrak­ti­on geschrit­ten wird. Seit Jah­ren macht das Land Bre­men vor, dass es auch anders geht. Hier erhält jeder Asyl­bLG-Berech­tig­te eine Ver­si­cher­ten­kar­te der AOK und muss nicht vor jedem Arzt­be­such erst beim Sozi­al­amt einen Kran­ken­schein beantragen.

Die Abschaf­fung des Asyl­bLG, die Ein­glie­de­rung der Flücht­lin­ge in das Sys­tem der Sozi­al­hil­fe bzw. des Arbeits­lo­sen­gel­des II und der sofor­ti­ge, gleich­be­rech­tig­te Zugang zum Arbeits­markt ist der Schlüs­sel zu gesell­schaft­li­cher Teil­ha­be und Inklusion.

 Uni­ons­po­li­ti­ker for­dern Leis­tungs­kür­zun­gen bei Flücht­lin­gen (17.08.15)

 Zum Anstieg der Asyl­be­wer­ber­leis­tun­gen (12.09.13)

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