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»Ein Freund von mir, der in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnt, hat sich letzte Woche mit einem Messer selbst verletzt. Zum Glück haben seine Mitbewohner Schlimmeres verhindert.« Foto: Tim Wegner

Ramin Mohabat (28) flüchtete im August 2015 aus Herat, Afghanistan, vor den Taliban. Nachdem er gegen seine Ablehnung geklagt hat, hat er Chancen hier zu bleiben. Viele andere haben das Glück nicht - bei seiner Unterstützung für andere Flüchtlinge sieht er viel Angst und Unsicherheit.

PRO ASYL: Ramin, wir haben uns am Frank­fur­ter Flug­ha­fen bei einer Demons­tra­ti­on gegen Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan ken­nen­ge­lernt. Du bist geflüch­tet und zeigst jetzt in der PRO ASYL-Kam­pa­gne dein Gesicht für das Motiv »Ich ver­tei­di­ge Dei­ne Rech­te«. War­um sind dir Rech­te und Men­schen­rech­te so wichtig?

Ramin Moha­bat: Ich habe schon in Afgha­ni­stan die Rech­te von Men­schen ver­tei­digt und ich kämp­fe für die Rech­te der Men­schen auch hier in Deutsch­land. Nicht alles in Deutsch­land fin­de ich gut. Zum Bei­spiel ver­die­nen Frau­en für die glei­che Arbeit weni­ger als Männer.

Und in der Flücht­lings­po­li­tik wird mit Men­schen­le­ben gespielt. Man schickt ein biss­chen Geld nach Afgha­ni­stan und dann schiebt man dort­hin ab, das geht nicht. Alle wis­sen, Afgha­ni­stan ist kein siche­res Land und trotz­dem wird abge­scho­ben. Dage­gen kämp­fe ich und orga­ni­sie­re zum Bei­spiel zusam­men mit ande­ren Protestdemos.

Hast du dich auch in Afgha­ni­stan schon poli­tisch engagiert?

Ja, auch in Afgha­ni­stan habe ich schon Demos orga­ni­siert. Ich ken­ne mich da ziem­lich gut aus. Als hier in Deutsch­land die Abschie­bun­gen nach Afgha­ni­stan los­gin­gen, habe ich mit mei­nem deut­schen Nach­barn und Freund dar­über gespro­chen. Wir haben zuerst in Hof­heim, das ist eine klei­ne Stadt bei Frank­furt, wo ich lebe, demons­triert, da kamen immer­hin 200 Leu­te. Spä­ter haben wir dann an einer grö­ße­ren Demo am Frank­fur­ter Flug­ha­fen teilgenommen.

»Vie­le haben kei­ne Kraft mehr. Wenn ich ihnen sage ‚Bit­te lernt Deutsch, sucht eine Arbeit, eine Aus­bil­dung‘, sagen sie ‚War­um, wenn ich kei­ne Chan­ce habe und zurück muss‘.«

Was machen die Abschie­bun­gen mit den afgha­ni­schen Flücht­lin­gen hier in Deutsch­land, wie geht es den Menschen?

Es geht ihnen schlecht. Ein Freund von mir, der in einer Gemein­schafts­un­ter­kunft wohnt, hat sich letz­te Woche mit einem Mes­ser selbst ver­letzt. Zum Glück haben sei­ne Mit­be­woh­ner Schlim­me­res ver­hin­dert. Ein 19jähriger afgha­ni­scher Jun­ge in Mün­chen hat sich letz­te Woche getö­tet. Die Men­schen haben jetzt rich­tig Angst, vie­le haben kei­ne Kraft mehr. Wenn ich ihnen sage ‚Bit­te lernt Deutsch, sucht eine Arbeit, eine Aus­bil­dung‘, sagen sie ‘War­um, wenn ich kei­ne Chan­ce habe und zurück muss‘.

Das heißt: Die Angst abge­scho­ben zu wer­den ver­hin­dert, dass die Leu­te Arbeit suchen, dass sie Fuß fassen?

Wenn du Angst hast, lernst du nicht. Wenn du nicht weißt, ob du in Deutsch­land blei­ben kannst oder nicht, inte­grierst du dich nicht. Auch in den Asyl­ver­fah­ren kommt es immer wie­der zu Fehlern.

»Du musst dir vor­stel­len, dass in dem Moment über dein gan­zes Leben ent­schie­den wird.«

In dei­nem Ver­fah­ren war das auch der Fall.

Ja, bei mir auch. Die Tali­ban woll­ten mich töten, weil ich über sie berich­tet hat­te. Ich habe in Afgha­ni­stan fünf Jah­re als Jour­na­list gear­bei­tet. Ich kam mit Video­da­tei­en, Nach­wei­sen und Zer­ti­fi­ka­ten hier in Deutsch­land an und habe alles in mei­nem Asyl­ver­fah­ren vor­ge­legt. Der Anhö­rer sag­te zu mir: »OK, wei­ter! Ich muss mir das nicht anschau­en, das brau­che ich nicht«. Aber im Bescheid stand dann, dass man mir nicht glaubt.

Mein Asyl­an­trag wur­de abge­lehnt. Du musst dir vor­stel­len, dass in dem Moment über dein gan­zes Leben ent­schie­den wird. Mein deut­scher Nach­bar und Freund war bei der Anhö­rung dabei und kann zum Glück das, was ich sage, bestätigen.

Du selbst muss­test vor den Tali­ban flie­hen. Der Druck, den die Tali­ban aus­üben, äußert sich in Afgha­ni­stan ja nicht nur in Anschlä­gen und Toten. Wie ist das all­täg­li­che Leben unter dem Ein­fluss einer sol­chen Bedrohung?

Die Tali­ban sind sehr mäch­tig und ver­fü­gen über her­vor­ra­gen­de Kon­tak­te. Wenn sie dich suchen, bist du über­all in Gefahr. Im End­ef­fekt hast du in Afgha­ni­stan kei­ne Chan­ce, ihnen zu ent­kom­men. Ich wuss­te nicht, wohin ich hät­te gehen können.

Du wirst ja hof­fent­lich auch hier in Deutsch­land blei­ben. Mitt­ler­wei­le hast du gegen die feh­ler­haf­te Ableh­nung geklagt. Du hast einen Anwalt und auch PRO ASYL unter­stützt dich. Jetzt hat das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge den ableh­nen­den Bescheid auf­ge­ho­ben und es wird eine erneu­te Anhö­rung geben.

Ja, ich habe Glück. Aber tau­sen­de afgha­ni­sche Flücht­lin­ge haben die­ses Glück nicht.

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Foto: Tim Wegner

Es ist wich­tig, Kon­tak­te zu haben, um sich gegen Ableh­nun­gen und Abschie­bun­gen zu weh­ren. Du lebst ja, wie du erzählt hast, in einer ganz nor­ma­len Nach­bar­schaft. Das hat dir dabei gehol­fen, neue Bekannt­schaf­ten zu schlie­ßen und Freun­din­nen und Freun­de zu fin­den. Ande­re haben die­se Chan­ce nicht, sie leben iso­liert in gro­ßen Sam­mel­un­ter­künf­ten. Vor allem in Bay­ern sol­len Asyl­su­chen­de dem­nächst gene­rell in Lagern fest­ge­hal­ten wer­den. Das erschwert doch jeden Kontakt.

Wenn du dich hier zurecht­fin­den willst, brauchst du die Chan­ce, Men­schen zu tref­fen. Und du musst Deutsch lernen.

Du setzt dich hier mitt­ler­wei­le ja auch für ande­re Flücht­lin­ge ein. Was genau tust du?

Ich hel­fe ganz ein­fach. Ich küm­me­re mich um ihre Rech­te im Asyl­ver­fah­ren, über­set­ze Asyl­be­schei­de und bera­te die Leu­te, wenn sie zur Behör­de gehen. Ich mache für sie Arzt­ter­mi­ne aus, suche mit ihnen einen Anwalt, sol­che Sachen.

»Ich hof­fe, ich kann irgend­wann mit deut­scher Unter­stüt­zung nach Afgha­ni­stan zurück­ge­hen. Viel­leicht ist es dort irgend­wann ein biss­chen sicherer.«

Und du selbst, was möch­test du für dich in Zukunft tun? Was wür­dest du in Deutsch­land machen wol­len, wenn hof­fent­lich bald posi­tiv über dei­nen Asyl­an­trag ent­schie­den wurde.

Ich möch­te Poli­tik stu­die­ren. Und ich hof­fe, ich kann irgend­wann mit deut­scher Unter­stüt­zung nach Afgha­ni­stan zurück­ge­hen. Viel­leicht ist es dort irgend­wann ein biss­chen siche­rer. Es gibt so vie­le intel­li­gen­te jun­ge Leu­te in Afgha­ni­stan, die eine Aus­bil­dung und eine Chan­ce brau­chen, dabei wür­de ich ger­ne helfen.

Inter­view: Gün­ter Burkhardt