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Verdoppelung der Klagen: Verwaltungsgerichte müssen fehlerhafte BAMF-Entscheidungen ausbaden
Tausende fehlerbehaftete Bescheide und die rigorose Ablehnungspraxis beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben zur Folge, dass Gerichte die Entscheidungen des Bundesamtes neu prüfen müssen. Die Zahl der Klagen gegen Asylentscheidungen steigt dramatisch.
Mit 200.000 Verfahren rechnet der Bund Deutscher Verwaltungsrichter dieses Jahr. Das entspricht einer Verdoppelung der Klagen im Vergleich zum Vorjahr und eine Vervierfachung im Vergleich zu 2015. Auch die Richter*innen selbst stöhnen vor Überlastung.
Der Vorsitzende des Richterbundes, Robert Seegmüller, schlägt dazu vor, dass das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nun losgelöst vom Einzelfall über grundsätzliche Fragen entscheiden solle. Doch: Die Klärung vor dem BVerwG löst nicht das Problem, dass das Bundesamt die Verantwortung auf die Gerichte abwälzt. Das BAMF selbst muss vielmehr seine eigenen Aufgaben wahrnehmen: Sachverhalte gründlich ermitteln, Länderinformationen ausreichend berücksichtigen und fehlerhafte Bescheide auch außerhalb des Gerichtsverfahrens aufheben.
Das Bundesamt selbst muss endlich mit der eigenen Überprüfung der fehlerhaften Ablehnungen beginnen!
Keine Sonderregelung im Asylrecht!
Seegmüllers Vorschlag widerspricht dem deutschen Rechtssystem. Es gibt kein solches »Vorabverfahren«, keine »Vorlagefragen« beim höchsten Verwaltungsgericht – das gibt es nur vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem europäischen Gerichtshof. Im Bundesverwaltungsgericht aber sitzen Richter, die im Asylrecht erst nach erster und zweiter Instanz allein rechtliche Fragen klären sollen.
Eine Verkürzung dieses Rechtswegs als Sonderregelung im Asylrecht macht keinen Sinn: Gerade hier ist eine gründliche Aufbereitung der Fälle entscheidend. Die Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte klären rechtliche und tatsächliche Fragen, führen Beweiserhebungen durch, holen Stellungnahmen und weitere Auskünfte ein. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet als Revisionsinstanz nur über rechtliche Fragen auf der Grundlage der bereits aufbereiteten Tatsachenfeststellungen.
Die vorinstanzlichen Gerichte haben dabei einen größeren Erfahrungsschatz durch die Vielzahl der unterschiedlichen Fälle. Sollte es in ähnlichen Fallkonstellationen unterschiedliche Ansichten geben, so gibt es durch die Instanzenzüge eine breite Diskussion auf Fachebene. Eine Verkürzung bei Grundsatzfragen allein auf die Richter am Bundesverwaltungsgericht würde letztlich zum Qualitätsverlust führen.
Bundesamt muss Hausaufgaben machen
Der Vorschlag lenkt vom eigentlichen Problem ab: Das BAMF nimmt seine eigenen Aufgaben nicht ausreichend wahr. Anhörungen erfolgen unter Zeitdruck, Sachverhalte werden nicht gründlich ermittelt. Trotzdem müssen die oft unzureichenden Protokolle als Entscheidungsgrundlage im Gerichtsverfahren herhalten. Noch immer gibt es die Trennung von anhörender und entscheidender Person beim Bundesamt. Den Bescheiden fehlt es an individueller Begründung, abstrakt vorformulierte Textbausteine ersetzen oftmals einzelne Ausführungen.
»Zusätzliche und überflüssige Arbeit entsteht in der Richterschaft schließlich durch das schon als demonstrativ empfundene Desinteresse des BAMF am weiteren Schicksal seiner Bescheide, wenn sie vor Gericht angefochten werden.«
Auch in den Gerichtsverfahren ist die Strategie des BAMF: Kein Erscheinen vor Gericht, mangelnde Reaktion auf Rückfragen der Richter. Schon im Juni formulierte die Neue Richtervereinigung einen offenen Brief an Innenminister de Maizière und Bundesamtspräsidentin Cordt: Das Verhalten des Bundesamtes führe zu Klagen, die nicht nur vermeidbar wären, sondern auch insgesamt die Verfahren in die Länge ziehen.
Mit der Verlagerung der Probleme auf die Justiz, wo im Asylrecht qualifizierte Richter*innen ohnehin Mangelware sind, wird das Problem nicht zu lösen sein. Das Bundesamt selbst muss nun endlich mit der eigenen Überprüfung der fehlerhaften Ablehnungen beginnen.
(beb)