06.06.2014
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Minderheiten und Homosexuelle werden in den Balkanstaaten existenzbedrohend diskriminiert. Einen Schutz vor rassistischen Angriffen gibt es nicht. Foto: flickr/Milos Milosevic

Während Minderheiten und Homosexuelle in den Balkanstaaten angegriffen und existenzbedrohend diskriminiert werden, erklärt der Bundesinnenminister Flüchtlinge aus diesen Ländern pauschal zu Armutsflüchtlingen.

Heu­te wird im Bun­des­tag das „Gesetz zur Ein­stu­fung wei­te­rer Staa­ten als siche­re Her­kunfts­staa­ten und zur Erleich­te­rung des Arbeits­markt­zu­gangs für Asyl­be­wer­ber und gedul­de­te Aus­län­der“ in ers­ter Lesung bera­ten. Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na, Maze­do­ni­en und Ser­bi­en sol­len als siche­re Her­kunfts­staa­ten ein­ge­stuft wer­den. Damit wür­de eine fai­re Anhö­rung der Flucht­grün­de nicht mehr mög­lich sein.

PRO ASYL wider­spricht der Auf­fas­sung des Bun­des­in­nen­mi­nis­ters Tho­mas de Mai­ziè­re, dass Asyl­be­wer­ber aus den Bal­kan­staa­ten kei­nen Schutz brau­chen und Armuts­zu­wan­de­rer sei­en. Wer exis­tenz­ge­fähr­den­de Lebens­be­din­gun­gen und Bedro­hun­gen nicht als Flucht­grund akzep­tie­ren möch­te, der soll­te aller­dings zur Kennt­nis neh­men, dass euro­päi­sches Recht einen durch­aus wei­ter gefass­ten Begriff der Ver­fol­gung beinhal­tet, so etwa in Arti­kel 9 der EU-Qua­li­fi­ka­ti­ons­richt­li­nie. Danach kön­nen sich auch Dis­kri­mi­nie­run­gen und Aus­gren­zun­gen, die jede für sich genom­men noch nicht als Ver­fol­gung anzu­se­hen sind, in ihrem Zusam­men­wir­ken als Ver­fol­gung darstellen.

Ein aktu­el­les Gut­ach­ten von PRO ASYL zu Ser­bi­en, Maze­do­ni­en und Bos­ni­en Her­ze­go­wi­na, zeigt das Aus­maß an men­schen­recht­li­chen Defi­zi­ten in den Bal­kan­staa­ten auf. Das Gut­ach­ten stützt sich dabei unter ande­rem auf Doku­men­te der EU-Kom­mis­si­on, des US Sta­te Depart­ments und des Men­schen­rechts­kom­mis­sars des Euro­pa­rats. Beson­ders gefähr­det sind Min­der­heits­an­ge­hö­ri­ge und Homo­se­xu­el­le. Het­ze und ras­sis­ti­sche Angrif­fe sind an der Tages­ord­nung. Einen effek­ti­ven Schutz durch Poli­zei und Jus­tiz gibt es nicht.

Wenn Roma kei­nen Zugang zu sau­be­rem Trink­was­ser, zu Bil­dung, zu medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung haben, ihre Sied­lun­gen zwangs­ge­räumt wer­den und dies alles im Zusam­men­wir­ken mas­si­ve Fol­gen hat, dann kann dies kumu­la­ti­ve Ver­fol­gung dar­stel­len. Jeden­falls ist eine ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Betrach­tung in einem sorg­fäl­ti­gen und indi­vi­du­el­len Asyl­ver­fah­ren nötig. Die geplan­te Ein­stu­fung der drei Bal­kan­staa­ten ver­hin­dert jedoch genau die­se ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Auf­klä­rung der Fluchtgründe.

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