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Nur ein Erinnerungsfoto: Der krebskranke Syrer Samer darf Frau und Kinder nicht zu sich holen. Foto: Najem Al-Khalaf

Samer (49) ist unheilbar krank. Im Juli 2017 wurde bei ihm Schilddrüsenkrebs diagnostiziert. Eine Operation im August ergab, dass der Tumor bereits gestreut hat. Samer hofft, dass er lange genug am Leben bleibt, um seine Familie noch einmal vereint zu sehen. Samer lebt mit Tochter Sara (22) in einer niedersächsischen Kleinstadt, seine Frau Maha (48) und die vier Söhne, heute zwischen 11 und 18 Jahren alt, in Jordanien.

Samer hat­te gehofft, sei­ne Frau und die Kin­der zu sich holen zu kön­nen, als er und Sara nach einer lan­gen und gefähr­li­chen Flucht im Sep­tem­ber 2015 in Deutsch­land ein­tra­fen. Doch das BAMF sprach ihnen ledig­lich sub­si­diä­ren Schutz zu, vom Recht auf Fami­li­en­nach­zug ist Samer damit bis März 2018 ausgeschlossen.

SAMER LÄUFT DIE ZEIT DAVON

Samer hat gegen den Bescheid Kla­ge ein­ge­reicht, das Ver­fah­ren läuft. Doch er fürch­tet, dass ihm nicht mehr aus­rei­chend Zeit bleibt. Hin­zu kommt, dass sein ältes­ter Sohn Hasan inzwi­schen voll­jäh­rig ist und somit gene­rell von einem Fami­li­en­nach­zug aus­ge­schlos­sen wäre. Auch Sara hat als voll­jäh­ri­ge Toch­ter grund­sätz­lich kei­nen Anspruch dar­auf, ihre Mut­ter und ihre min­der­jäh­ri­gen Geschwis­ter zu sich nach Deutsch­land holen zu dür­fen. Alle Hoff­nun­gen der Fami­lie lie­gen daher auf Samer. Der see­li­sche Druck belas­tet ihn zusätz­lich zu sei­ner unheil­ba­ren Erkrankung.

Samer will sei­ne Frau und sei­ne Söh­ne noch ein­mal in die Arme schlie­ßen kön­nen – in Deutsch­land, denn eine ande­re Mög­lich­keit bleibt ihnen nicht. Samers Gesund­heits­zu­stand lässt eine Rei­se ohne­hin nicht zu, er hät­te aber auch kei­ne Chan­ce, ein Ein­rei­se­vi­sum für Jor­da­ni­en zu bekom­men, um sich dort von sei­ner Fami­lie zu verabschieden.

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»Mei­ne Frau war immer der Motor unse­rer Fami­lie. Sie hat alles zusam­men­ge­hal­ten und mit ihrer Ziel­stre­big­keit allen Hoff­nung gege­ben« Foto: Najem Al-Khalaf

Flucht nach Europa als einziger Ausweg

Im  August 2013 war die aus Damas­kus stam­men­de Fami­lie zunächst gemein­sam nach Jor­da­ni­en geflo­hen. In Irbid, der dritt­größ­ten Stadt Jor­da­ni­ens rund 85 Kilo­me­ter nörd­lich der Haupt­stadt Amman gele­gen, gelang es ihnen, eine klei­ne Woh­nung anzu­mie­ten. Doch die Lebens­be­din­gun­gen in der Wüs­ten­stadt waren extrem schwie­rig. Weder Samer, der in Damas­kus als Ein­zel­händ­ler gear­bei­tet hat­te, noch sei­ne Frau oder die älte­ren Kin­der erhiel­ten in Jor­da­ni­en eine Arbeits­er­laub­nis. Anfangs beka­men sie Unter­stüt­zung von einer Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on, doch bald muss­ten sie ihren All­tag mit Gele­gen­heits­jobs und  Almo­sen bestrei­ten. Maha, die an schwe­rem Asth­ma lei­det, konn­te vor Ort nur unzu­rei­chend medi­zi­nisch ver­sorgt werden.

In die­ser Situa­ti­on sahen Samer und sei­ne Frau kei­nen ande­ren Aus­weg, als die Fami­lie zu tren­nen. Samer und sei­ne damals bereits voll­jäh­ri­ge Toch­ter soll­ten ver­su­chen, es bis nach Euro­pa zu schaf­fen und dann die übri­gen Fami­li­en­mit­glie­der auf siche­rem Wege nach­ho­len. Dafür opfer­te die Fami­lie ihre letz­ten Erspar­nis­se. Sei­ner Frau und den jün­ge­ren Kin­dern woll­te Samer die beschwer­li­che und gefähr­li­che Rei­se nicht zumu­ten. Auch der ältes­te Sohn soll­te als Unter­stüt­zung bei der Mut­ter blei­ben. Ihre Flucht führ­te Samer und Sara durch die Tür­kei, über das Mit­tel­meer und die Bal­kan­rou­te schließ­lich nach Deutsch­land. Kurz nach ihrer Ankunft im Sep­tem­ber 2015 stell­ten bei­de einen Asyl­an­trag. Erst im Janu­ar 2017 bekam Samer den Bescheid vom BAMF.

Verzweiflung über Willkür der Behörden

Neben sei­ner gesund­heit­li­chen Situa­ti­on ver­zwei­felt der 49-Jäh­ri­ge vor allem an den aus sei­ner Sicht will­kür­li­chen Ent­schei­dun­gen der Behör­den: Er weiß, dass der Fami­li­en­nach­zug bis März 2016 auch für sub­si­di­är Geschütz­te noch mög­lich war. Er weiß auch, dass syri­sche Flücht­lin­ge vor­her über­wie­gend als GFK-Flücht­lin­ge vom BAMF aner­kannt wur­den. Hät­te Samer also sei­ne Flucht nur weni­ge Mona­te vor­her ange­tre­ten oder wäre sein Antrag beim BAMF schnel­ler bear­bei­tet wor­den, hät­te er Maha und die vier Söh­ne ver­mut­lich schon längst bei sich. Statt­des­sen leben die­se wie vor unter wid­rigs­ten Bedin­gun­gen in Jordanien.

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Trotz allem ver­su­chen Sara und Samer sich ein halb­wegs nor­ma­les Leben auf­zu­bau­en. Foto: Najem Al-Khalaf

Ringen um Normalität

Trotz allem haben Samer und Sara zunächst ver­sucht, sich ein mög­lichst nor­ma­les Leben in Deutsch­land auf­zu­bau­en. Bei­de haben einen Inte­gra­ti­ons­kurs besucht und Sara steht kurz vor ihrer B2-Sprach­prü­fung. Sie möch­te gern ihr in Syri­en begon­ne­nes Stu­di­um der Öko­tropho­lo­gie in Deutsch­land fort­set­zen. Doch Samers Gesund­heits­zu­stand, die inzwi­schen jah­re­lan­ge Tren­nung der Fami­lie und die schwin­den­de Hoff­nung auf ein Wie­der­se­hen zeh­ren an bei­den. Mitt­ler­wei­le absor­bie­ren der Kum­mer und die Sor­ge um ihre Ange­hö­ri­gen einen Groß­teil ihrer Lebens­kraft. „Mei­ne Frau war immer der Motor unse­rer Fami­lie. Sie hat alles zusam­men­ge­hal­ten und mit ihrer Ziel­stre­big­keit allen Hoff­nung gege­ben“, sagt Samer.

Petition: Familien gehören zusammen!

Wie Sara und Samer ergeht es vie­len Flücht­lin­gen in Deutsch­land. Sie blei­ben über Jah­re hin­weg von ihren Fami­li­en getrennt. Die­se Situa­ti­on ist uner­träg­lich und muss geän­dert werden!

mfe