21.09.2012
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Scheffner besuchte die Angehörigen von Grigore Velcu und Eudache Caldera in Rumänien. Bild: Svenja L. Harten

Die filmische Dokumentation rekonstruiert einen Kriminalfall um zwei rumänische Flüchtlinge, die im Nirgendwo des deutschen Grenzgebiets tot aufgefunden wurden.

Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Juni 1992. Auf einem Feld in der Nähe der Gren­ze zu Polen fin­den Vor­bei­kom­men­de die Lei­chen zwei­er Män­ner, erschos­sen. Die Poli­zei wird spä­ter zwei Jäger dafür ver­ant­wort­lich machen, die behaup­ten, sie hät­ten die Män­ner für Wild­schwei­ne gehal­ten.  Der Zwi­schen­fall ereig­net sich zwei Mona­te vor den Über­fäl­len in Rostock-Lichtenhagen.

Die bei­den Getö­te­ten sind die Flücht­lin­ge Gri­go­re Vel­cu und Euda­che Cal­de­ra. Sie gehö­ren der Roma-Min­der­heit in Rumä­ni­en an. Einer von ihnen befin­det sich auf der Rück­kehr zu sei­ner Fami­lie, die in einer Unter­kunft für Asyl­su­chen­de bei Ros­tock lebt. Nach der Schän­dung des Gra­bes sei­ner Mut­ter in Deutsch­land hat er in Rumä­ni­en Papie­re für die Über­füh­rung ihres Leich­nams besorgt. 

Rät­sel­haf­te Todesumstände

Erst sie­ben Jah­re spä­ter fällt ein Gericht das Urteil über die bei­den Jäger: Frei­spruch. Fil­me­ma­cher Phil­ip Scheff­ner erfährt bei sei­nen Recher­chen: Das Feld, in dem die bei­den Flücht­lin­ge erschos­sen wur­den, brennt nur Stun­den nach der Tat aus. Einer der bei­den Män­ner war mög­li­cher­wei­se noch am Leben, als die Täter sich davon machten. 

Doch die Ermitt­lun­gen wer­den schlam­pig geführt. Die Ange­hö­ri­gen der Toten wer­den nicht ange­hört. Erst 20 Jah­re spä­ter erfah­ren sie durch den Ber­li­ner Fil­me­ma­cher Nähe­res über die Todes­um­stän­de von Gri­go­re Vel­cu und Euda­che Cal­de­ra, und dass es den Pro­zess gege­ben hat. 

Was ist die Geschich­te der bei­den Män­ner? War­um star­ben sie? Es sind Fra­gen, auf die ange­sichts der mehr als 18 000 Men­schen, die zwi­schen 1988 und 2012 an Euro­pas Außen­gren­zen star­ben, eine Ant­wort aus­steht. „Revi­si­on“ ist ein Film über ein kol­lek­ti­ves Ver­schwei­gen und eine kol­lek­ti­ve Unter­las­sung von Hil­fe, von Nach­for­schun­gen, wie sie auch heu­te jeden Tag an den Außen­gren­zen Euro­pas stattfindet.

Täg­lich Tote an Euro­pas Außengrenzen

Täg­lich ster­ben Men­schen bei dem Ver­such, vor Elend und Ver­fol­gung nach Euro­pa zu flie­hen. Sie ster­ben am Grenz­zaun zwi­schen Marok­ko und der spa­ni­schen Enkla­ve Mel­il­la. Sie  ster­ben auf Minen­fel­dern vor der grie­chisch-tür­ki­schen Gren­ze. Die immer stär­ke­re Abschot­tung der Gren­zen Euro­pas zwingt Flücht­lin­ge auf immer gefähr­li­che­re Wege. Allein 2011 star­ben mehr als 2500 Men­schen bei dem Ver­such, das Mit­tel­meer in Rich­tung Euro­pa zu über­que­ren. Ihre Namen, ihre Geschich­ten blei­ben in Euro­pa unbekannt.

„Revi­si­on“ wirkt durch alle Erzähl­ebe­nen hin­durch wie ein Brenn­glas, das sich auf den men­schen­ver­ach­ten­den Umgang mit Asyl­su­chen­den rich­tet und den Ras­sis­mus im Umgang mit ihnen auf schmerz­haf­te Wei­se sicht­bar macht. Der Film beschäf­tigt sich mit einem Vor­gang von vor 20 Jah­ren. Doch bei den Gesprä­chen des Regis­seurs mit den Ange­hö­ri­gen der Toten tritt eine Igno­ranz der Öffent­lich­keit in Deutsch­land zu Tage, die an die Ermitt­lun­gen gegen den NSU erin­nert, bei denen Opfer zu Tätern gemacht wurden.

Phil­ip Scheff­ner ver­sucht mit sei­nem Film, den ver­meint­lich namen­lo­sen Gestor­be­nen und ihren Fami­li­en einen Platz in der Geschichts­schrei­bung zu geben.

Der Film „Revi­si­on“ wird am 21. Sep­tem­ber 2012 um 20.30 Uhr im Film­fo­rum Höchst gezeigt. PRO ASYL lädt zu einem anschlie­ßen­den Gespräch mit den Regis­seur ein.

 Miss­brauchs­de­bat­te schürt Ras­sis­mus (15.10.12)