24.10.2013
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Bei der Hetze gegen Schutzsuchende ist die NPD ganz vorne mit dabei. Das Bild zeigt eine rassistische Kundgebung in Marzahn-Hellersdorf im August 2013. Foto: flickr / ekvidi

An vielen Orten protestieren Neonazis zusammen mit rassistisch eingestellten Bürgerinnen und Bürger gegen die Unterbringung von Flüchtlingen. An einigen Orten kam es bereits zu Anschlägen. Gewaltdrohungen sind unbedingt ernstzunehmen – nicht nur seitens der Polizei.

Für die rech­te Sze­ne war es ein gro­ßer Erfolg: 800 bis 1500 Men­schen nah­men am Sams­tag, den 19. Okto­ber in Schnee­berg (Sach­sen) an einem von der NPD initi­ier­ten Fackel­marsch „gegen Asyl­miss­brauch“ teil. Anlass des Auf­mar­sches war die Unter­brin­gung von 500 Asyl­su­chen­den in einer Kaser­ne am Ran­de der Stadt. Zuvor hat­ten die Orga­ni­sa­to­ren auf einer Face­book­sei­te Stim­mung gegen Flücht­lin­ge gemacht.

Eine ähn­li­che Face­book-Sei­te hetzt der­zeit gegen die Unter­brin­gung von Flücht­lin­gen in Pätz (Bran­den­burg), in den Kom­men­ta­ren der Sei­te fin­den sich immer wie­der Gewalt­auf­ru­fe und ras­sis­ti­sche Dif­fa­mie­run­gen. „Brennt die Schei­ße schon vor­her ab“, heißt es da etwa. Sie­ben Per­so­nen gefällt das.

Das Mus­ter der ver­schie­de­nen loka­len Pro­tes­te ist immer wie­der ähn­lich: „Plä­ne für eine neue Ein­rich­tung wer­den bekannt, eine ver­meint­li­che Bür­ger­initia­ti­ve grün­det sich und hetzt on- wie off­line gegen die Hei­me“, so das Pro­jekt Netz gegen Nazis. „Kaum ein ande­res The­ma eig­net sich der­zeit so gut zur ras­sis­ti­schen Stim­mungs­ma­che für NPD und Kon­sor­ten wie die Flücht­lings­dis­kus­si­on – mit erschre­cken­den Ergebnissen“.

Allein in den letz­ten drei Mona­ten wur­de in Deutsch­land über acht Anschlä­ge berich­tet, bei denen ein ras­sis­ti­sches Motiv ver­mu­tet wer­den muss:

- Am 21. Okto­ber wur­de mit­tags eine Asyl­un­ter­kunft in Essen ver­mut­lich mit einer Schleu­der beschos­sen. Glück­li­cher­wei­se durch­schlu­gen die Metall­ge­schos­se nicht die Schei­ben, ver­letzt wur­de nie­mand. Schon am 18. Okto­ber war auf das Gebäu­de geschos­sen wor­den. Der Staats­schutz wur­de eingeschaltet.

- In der Nacht zum 21. Okto­ber ver­such­ten Unbe­kann­te in Olden­burg das Kul­tur­zen­trum für Sin­ti und Roma „Maro Kher“ in Brand zu set­zen. Die Poli­zei will zum gegen­wär­ti­gen Zeit­punkt „kei­ne Hin­wei­se auf einen frem­den­feind­li­chen Hin­ter­grund“ sehen. Der Ver­ein, der das Kul­tur­zen­trum betreibt, berich­tet dage­gen von wie­der­hol­ten anti­zi­ga­nis­ti­schen Drohungen.

- In Wehr (Baden-Würt­tem­berg) wird am 19. Okto­ber ein Brand­an­schlag auf eine Unter­kunft ver­übt, in der Asyl­su­chen­de unter­ge­bracht sind, Unbe­kann­te ent­zün­de­ten Ben­zin auf einer Trep­pe im Erd­ge­schoss. Bewoh­ner konn­ten das Feu­er aus­tre­ten, ver­letzt wur­de nie­mand. „Das Motiv für die Tat ist der­zeit völ­lig unklar“, heißt es sei­tens der Poli­zei. Es wer­de in alle Rich­tun­gen ermittelt.

- Am 18. Okto­ber legen Unbe­kann­te an einem Asyl­be­wer­ber­heim in Gemün­den (Bay­ern) Feu­er. Es heißt, die Poli­zei schlie­ße „Brand­stif­tung mitt­ler­wei­le nicht mehr aus.“ Ein Zeu­ge will zwei Jugend­li­che gese­hen haben, die an der Asyl­be­wer­ber­un­ter­kunft gezün­delt hät­ten. Ein Bewoh­ner erlitt eine Rauch­gas­ver­gif­tung, eine Frau wur­de bei der Eva­ku­ie­rung des Gebäu­des verletzt.

- In Güs­trow (Meck­len­burg-Vor­pom­mer) wer­fen am 12. Okto­ber Unbe­kann­te zwei Feu­er­werks­kör­per in einen Plat­ten­bau, der im Juni als Asyl­be­wer­ber­un­ter­kunft in Betrieb genom­men wur­de. Zum Zeit­punkt der Tat befan­den sich 52 Men­schen in dem Gebäu­de. Trotz star­ker Rauch­ent­wick­lung wur­de nie­mand ver­letzt. Der Staats­schutz hat die Ermitt­lun­gen übernommen.

- Am 9. Okto­ber wird in Duis­burg ein aus­schließ­lich von Roma bewohn­tes Haus von Unbe­kann­ten in Brand gesetzt. Die 42 Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner müs­sen sich auf das Dach ret­ten, 17 von ihnen wer­den mit Rauch­gas­ver­gif­tun­gen ins Kran­ken­haus gebracht. Trotz der anhal­ten­den ras­sis­ti­schen Het­ze gegen Roma durch eine Duis­bur­ger Bür­ger­initia­ti­ve und ein­deu­ti­ger Anschlags­dro­hun­gen sieht die Poli­zei „kei­ne Hin­wei­se auf einen frem­den­feind­li­chen Hin­ter­grund“, es wer­de jedoch „in alle Rich­tun­gen“ ermittelt.

- In der Nacht zum 18. Sep­tem­ber wird in Prem­nitz ein Brand­an­schlag auf eine leer­ste­hen­de Schu­le ver­übt, die zu einer Unter­kunft für Asyl­su­chen­de umge­baut wer­den soll. Zwei Wochen zuvor waren Neo­na­zis vor dem Gebäu­de auf­mar­schiert. Die Ermitt­ler gehen von Rechts­extre­mis­ten als Täter aus.

- In der Nacht zum 16. August war­fen Unbe­kann­te einen Brand­an­satz vor ein Asyl­be­wer­ber­heim in Lucken­wal­de. Das Feu­er erlosch von selbst, Per­so­nen wur­den nicht ver­letzt. Der Staats­schutz hat die Ermitt­lun­gen übernommen.

Die Anschlä­ge zei­gen die lebens­ge­fähr­li­che Dimen­si­on der ras­sis­ti­schen Het­ze – und die Bedeu­tung zivil­ge­sell­schaft­li­chen Wider­stands gegen Neo­na­zis und den Ras­sis­mus der gesell­schaft­li­chen Mit­te. In vie­len Orten stel­len sich zahl­rei­che Men­schen aus ver­schie­dens­ten gesell­schaft­li­chen Berei­chen ras­sis­ti­scher Het­ze ent­ge­gen. Um nur ein pro­mi­nen­tes Bei­spiel zu nen­nen: In Mar­zahn-Hel­lers­dorf hat die Initia­ti­ve „Hel­lers­dorf Hilft“ mit Spen­den­ak­tio­nen, Auf­klä­rungs­ar­beit und Gegen­de­mons­tra­tio­nen in die­ser Hin­sicht preis­ge­krön­te Arbeit geleis­tet. Schon für Sams­tag, den 26. Okto­ber ruft die Initia­ti­ve wie­der zu einer Gegen­kund­ge­bung auf, weil die NPD-nahe „Bür­ger­initia­ti­ve Mar­zahn-Hel­lers­dorf“ zu die­sem Zeit­punkt eine Demons­tra­ti­on durch Hel­lers­dorf plant.

Ob Flücht­lin­ge und ande­re, die ras­sis­ti­sche Über­grif­fe und Anschlä­ge fürch­ten müs­sen, mit die­ser Bedro­hung allei­ne gelas­sen wer­den, oder ob sie Soli­da­ri­tät und Schutz erfah­ren, hängt davon ab, ob es vor Ort Gegen­in­itia­ti­ven gibt – und ob Men­schen, die sich gegen Ras­sis­mus aus­spre­chen, tat­säch­lich ihren Auf­ru­fen fol­gen, und auf die Stra­ße gehen.

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