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Rassistische Hetze gegen Flüchtlinge nimmt zu

An vielen Orten protestieren Neonazis zusammen mit rassistisch eingestellten Bürgerinnen und Bürger gegen die Unterbringung von Flüchtlingen. An einigen Orten kam es bereits zu Anschlägen. Gewaltdrohungen sind unbedingt ernstzunehmen – nicht nur seitens der Polizei.
Für die rechte Szene war es ein großer Erfolg: 800 bis 1500 Menschen nahmen am Samstag, den 19. Oktober in Schneeberg (Sachsen) an einem von der NPD initiierten Fackelmarsch „gegen Asylmissbrauch“ teil. Anlass des Aufmarsches war die Unterbringung von 500 Asylsuchenden in einer Kaserne am Rande der Stadt. Zuvor hatten die Organisatoren auf einer Facebookseite Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht.
Eine ähnliche Facebook-Seite hetzt derzeit gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Pätz (Brandenburg), in den Kommentaren der Seite finden sich immer wieder Gewaltaufrufe und rassistische Diffamierungen. „Brennt die Scheiße schon vorher ab“, heißt es da etwa. Sieben Personen gefällt das.
Das Muster der verschiedenen lokalen Proteste ist immer wieder ähnlich: „Pläne für eine neue Einrichtung werden bekannt, eine vermeintliche Bürgerinitiative gründet sich und hetzt on- wie offline gegen die Heime“, so das Projekt Netz gegen Nazis. „Kaum ein anderes Thema eignet sich derzeit so gut zur rassistischen Stimmungsmache für NPD und Konsorten wie die Flüchtlingsdiskussion – mit erschreckenden Ergebnissen“.
Allein in den letzten drei Monaten wurde in Deutschland über acht Anschläge berichtet, bei denen ein rassistisches Motiv vermutet werden muss:
- Am 21. Oktober wurde mittags eine Asylunterkunft in Essen vermutlich mit einer Schleuder beschossen. Glücklicherweise durchschlugen die Metallgeschosse nicht die Scheiben, verletzt wurde niemand. Schon am 18. Oktober war auf das Gebäude geschossen worden. Der Staatsschutz wurde eingeschaltet.
- In der Nacht zum 21. Oktober versuchten Unbekannte in Oldenburg das Kulturzentrum für Sinti und Roma „Maro Kher“ in Brand zu setzen. Die Polizei will zum gegenwärtigen Zeitpunkt „keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund“ sehen. Der Verein, der das Kulturzentrum betreibt, berichtet dagegen von wiederholten antiziganistischen Drohungen.
- In Wehr (Baden-Württemberg) wird am 19. Oktober ein Brandanschlag auf eine Unterkunft verübt, in der Asylsuchende untergebracht sind, Unbekannte entzündeten Benzin auf einer Treppe im Erdgeschoss. Bewohner konnten das Feuer austreten, verletzt wurde niemand. „Das Motiv für die Tat ist derzeit völlig unklar“, heißt es seitens der Polizei. Es werde in alle Richtungen ermittelt.
- Am 18. Oktober legen Unbekannte an einem Asylbewerberheim in Gemünden (Bayern) Feuer. Es heißt, die Polizei schließe „Brandstiftung mittlerweile nicht mehr aus.“ Ein Zeuge will zwei Jugendliche gesehen haben, die an der Asylbewerberunterkunft gezündelt hätten. Ein Bewohner erlitt eine Rauchgasvergiftung, eine Frau wurde bei der Evakuierung des Gebäudes verletzt.
- In Güstrow (Mecklenburg-Vorpommer) werfen am 12. Oktober Unbekannte zwei Feuerwerkskörper in einen Plattenbau, der im Juni als Asylbewerberunterkunft in Betrieb genommen wurde. Zum Zeitpunkt der Tat befanden sich 52 Menschen in dem Gebäude. Trotz starker Rauchentwicklung wurde niemand verletzt. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.
- Am 9. Oktober wird in Duisburg ein ausschließlich von Roma bewohntes Haus von Unbekannten in Brand gesetzt. Die 42 Bewohnerinnen und Bewohner müssen sich auf das Dach retten, 17 von ihnen werden mit Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus gebracht. Trotz der anhaltenden rassistischen Hetze gegen Roma durch eine Duisburger Bürgerinitiative und eindeutiger Anschlagsdrohungen sieht die Polizei „keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund“, es werde jedoch „in alle Richtungen“ ermittelt.
- In der Nacht zum 18. September wird in Premnitz ein Brandanschlag auf eine leerstehende Schule verübt, die zu einer Unterkunft für Asylsuchende umgebaut werden soll. Zwei Wochen zuvor waren Neonazis vor dem Gebäude aufmarschiert. Die Ermittler gehen von Rechtsextremisten als Täter aus.
- In der Nacht zum 16. August warfen Unbekannte einen Brandansatz vor ein Asylbewerberheim in Luckenwalde. Das Feuer erlosch von selbst, Personen wurden nicht verletzt. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.
Die Anschläge zeigen die lebensgefährliche Dimension der rassistischen Hetze – und die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Widerstands gegen Neonazis und den Rassismus der gesellschaftlichen Mitte. In vielen Orten stellen sich zahlreiche Menschen aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen rassistischer Hetze entgegen. Um nur ein prominentes Beispiel zu nennen: In Marzahn-Hellersdorf hat die Initiative „Hellersdorf Hilft“ mit Spendenaktionen, Aufklärungsarbeit und Gegendemonstrationen in dieser Hinsicht preisgekrönte Arbeit geleistet. Schon für Samstag, den 26. Oktober ruft die Initiative wieder zu einer Gegenkundgebung auf, weil die NPD-nahe „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ zu diesem Zeitpunkt eine Demonstration durch Hellersdorf plant.
Ob Flüchtlinge und andere, die rassistische Übergriffe und Anschläge fürchten müssen, mit dieser Bedrohung alleine gelassen werden, oder ob sie Solidarität und Schutz erfahren, hängt davon ab, ob es vor Ort Gegeninitiativen gibt – und ob Menschen, die sich gegen Rassismus aussprechen, tatsächlich ihren Aufrufen folgen, und auf die Straße gehen.
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