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Ein neuer Ausweis für Flüchtlinge soll eingeführt werden - damit will die Bundesregierung das Asylverfahren beschleunigen. Die neue Regelung löst aber die grundlegenden Probleme nicht, es wird damit nur an den Symptomen herumgedoktert. Foto: flickr / Lucas / CC BY-NC-ND 2.0

Am 11. Januar 2016 fand im Deutschen Bundestag eine Anhörung zum neuen „Datenaustauschverbesserungsgesetz“ und dem geplanten Ankunftsnachweis statt. Die Bundesregierung will damit Asylverfahren beschleunigen, schafft aber neue Unsicherheiten und löst keine bürokratischen Probleme.

Im Dezem­ber erklär­te Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Tho­mas de Mai­ziè­re, das neue Gesetz sei ein „wich­ti­ger Schritt“ um die ankom­men­den Per­so­nen schnell und iden­ti­täts­si­chernd zu regis­trie­ren.“ Die auf­ge­nom­men Daten wür­den schnell den zustän­di­gen öffent­li­chen Stel­len zur Ver­fü­gung gestellt wer­den und damit dazu bei­tra­gen, „die Asyl­ver­fah­ren zu beschleu­ni­gen und das Flücht­lings­auf­kom­men bes­ser zu steu­ern.“ Eine Anhö­rung mit Sach­ver­stän­di­gen fand am 11. Janu­ar im Bun­des­tag statt (Kom­plet­te Anhö­rung in der Media­thek des Bun­des­tags). Der Flücht­lings­rat Ber­lin hat eine umfang­rei­che Stel­lung­nah­me zu dem Gesetz ver­öf­fent­licht. Frag­lich ist aber auch nach der Anhö­rung, ob der neue Ankunfts­nach­weis und der Daten­aus­tausch tat­säch­lich zur Beschleu­ni­gung von Asyl­ver­fah­ren bei­tra­gen können?

Was regelt das neue Gesetz?

Durch das „Daten­aus­tausch­ver­bes­se­rungs­ge­setz“ soll  ein neu­er Aus­weis der soge­nann­te Ankunfts­nach­weis, ein­ge­führt wer­den, der per­so­nel­le Daten umfas­sen soll, sowie Infor­ma­tio­nen zur Regis­trie­rung in Deutsch­land, bspw. die zustän­di­ge Auf­nah­me­ein­rich­tung, Ver­mer­ke von zu beglei­ten­den Kin­dern etc. (§ 63a AsylG). Er knüpft an die erst im Okto­ber 2015 ver­recht­lich­te „Beschei­ni­gung über die Mel­dung als Asyl­su­chen­der“ (kurz: BÜMA) an. Die BÜMA gilt als Iden­ti­täts­do­ku­ment und weist nach, dass sich die Per­son in Deutsch­land befin­det, um einen Asyl­an­trag zu stel­len, aber noch in kei­nem lau­fen­den Asyl­ver­fah­ren ist. Dem Asyl­ver­fah­ren ist damit qua­si ein wei­te­res Ver­fah­ren vor­an­ge­schal­tet. Der Ankunfts­nach­weis soll als ein behör­den- und län­der­über­grei­fen­des Doku­ment fungieren.

Lan­ge War­te­zei­ten statt schnel­len Verfahren

Ent­ge­gen der erklär­ten Absicht des Gesetz­ge­bers, wird der neue Ankunfts­nach­weis die Asyl­ver­fah­ren nicht beschleu­ni­gen. Im Gegen­teil, ein ohne­hin pro­ble­ma­ti­sches Ver­fah­ren wird wei­ter aus­ge­baut. Die Über­gangs­pha­se bis zur Stel­lung des Asyl­an­trags taucht in den Sta­tis­ti­ken des Bun­des­amts für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) nicht auf. Wenn es dort heißt, Asyl­ver­fah­ren wür­den in Deutsch­land ca. 5–6 Mona­te durch­schnitt­lich dau­ern, ist die gesam­te War­te­zeit der Asyl­su­chen­den vor Ein­lei­tung des Asyl­ver­fah­rens nicht ein­be­rech­net. Ins­ge­samt müs­sen Asyl­su­chen­de teil­wei­se mehr als ein Jahr oder sogar meh­re­re Jah­re auf das Ende ihres Asyl­ver­fah­rens war­ten. PRO ASYL hat bereits im Okto­ber 2015 gefor­dert, statt die­sem ner­ven­auf­rei­ben­den Zwi­schen­ver­fah­ren sofort nach der Ein­rei­se und der Regis­trie­rung der Schutz­su­chen­den das Asyl­ver­fah­ren begin­nen zu las­sen. Der Gesetz­ent­wurf sieht zudem vor, dass der Ankunfts­nach­weis durch die Behör­den wie­der ein­ge­zo­gen wird, wenn das Asyl­ver­fah­ren beginnt und die Asyl­su­chen­den eine Auf­ent­halts­ge­stat­tung bekom­men. Ver­wal­tungs­ef­fi­zi­enz sieht anders aus. War­um der Gesetz­ge­ber nicht von Anfang an ein ein­heit­li­ches Doku­ment und die sofor­ti­ge Ein­lei­tung des Asyl­ver­fah­rens vor­nimmt, ist schlei­er­haft. Solan­ge die­se ver­schlep­pen­de Büro­kra­tie nicht auf­ge­ho­ben wird, ist kei­ne signi­fi­kan­te Redu­zie­rung der Ver­fah­rens­dau­er zu erwarten.

Ankunfts­nach­weis schafft sozi­al­recht­li­che Unsicherheit

Sozi­al­leis­tun­gen für Asyl­su­chen­de knüp­fen in einer Viel­zahl von Fäl­len an die Vor­aus­set­zung einer „Auf­ent­halts­ge­stat­tung“ an. Nach § 55 Abs. 1 AsylG erhält jedoch nur der­je­ni­ge eine Auf­ent­halts­ge­stat­tung, der/die sich im Asyl­ver­fah­ren befin­det. Die BÜMA und der Ankunfts­nach­weis sind aus­weis­lich des Wort­lauts kei­ne Auf­ent­halts­ge­stat­tung, son­dern ledig­lich eine „Beschei­ni­gung“ oder ein „Nach­weis“.

Die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung von Asyl­su­chen­den knüpft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Asyl­blG an die Auf­ent­halts­ge­stat­tung an. Eben­so lau­fen die War­te­fris­ten für einen Zugang zum Arbeits­markt erst ab dem Zeit­punkt, in der Schutz­su­chen­de eine Auf­ent­halts­ge­stat­tung erhal­ten. Die Teil­nah­me an Inte­gra­ti­ons­kur­sen für bestimm­te Grup­pen mit dau­er­haf­ter Blei­be­per­spek­ti­ve ist eben­falls erst im Asyl­ver­fah­ren mög­lich. Folg­lich sind Per­so­nen, die ledig­lich über eine BÜMA und einen Ankunfts­nach­weis ver­fü­gen, von die­sen Leis­tun­gen eigent­lich aus­ge­schlos­sen. Der Gesetz­ge­ber pro­du­ziert eine sozi­al­po­li­ti­sche Unge­wiss­heit, die Asyl­su­chen­de über Mona­te in War­te­schlei­fen zwingt. Statt die­ses Pro­blem zu behe­ben, wird der Ankunfts­nach­weis die­ses noch wei­ter ver­fes­ti­gen, die Sozi­al­ge­rich­te dürf­ten mit vie­len Kla­gen zu rech­nen haben. Schutz­su­chen­de müs­sen in Deutsch­land schnell regis­triert wer­den und sogleich eine Auf­ent­halts­ge­stat­tung erhal­ten, die ihnen dann die Inan­spruch­nah­me wesent­li­cher Rech­te und Leis­tun­gen ermöglicht.

Ver­wal­tungs­kri­se des Staates

Auch an den grund­sätz­lich behä­bi­gen büro­kra­ti­schen Struk­tu­ren ändern der Aus­weis und die Neu­er­he­bung von Daten im Aus­län­der­zen­tral­re­gis­ter nichts. Wie die erschre­cken­de Lage beim Ber­li­ner Lage­so ver­deut­licht, wol­len sich vie­le Flücht­lin­ge regis­trie­ren las­sen, tref­fen dabei aber auf chao­ti­sche Zustän­de in den Behör­den. Dabei miss­ach­tet das Land Ber­lin auch Art. 6 Abs. 1 der EU-Asyl­ver­fah­rens­richt­li­nie, nach der ein Asyl­su­chen­der spä­tes­tens drei Tage nach Antrags­stel­lung regis­triert wer­den soll. Eine frei­wil­li­ge Hel­fe­rin bemerk­te dort zu Recht: „Das ist kei­ne Flücht­lings­kri­se, das ist eine Verwaltungskrise.“

Mehr Daten, Mehr Aus­tausch, aber zu wel­chem Zweck?

Ein wei­te­rer Bau­stein des Geset­zes ist eine Ände­rung der Erhe­bung und Spei­che­rung von Daten im Aus­län­der­zen­tral­re­gis­ter. Zusätz­lich zu den Grund­per­so­na­li­en sol­len Fin­ger­ab­druck­da­ten, Infor­ma­tio­nen über beglei­ten­de Kin­der und Jugend­li­che, Gesund­heits­un­ter­su­chun­gen und Anga­ben zu schu­li­schen wie beruf­li­chen Qua­li­fi­ka­tio­nen erho­ben wer­den. Pro­ble­ma­tisch ist dabei, dass nun sehr vie­le Behör­den Zugrif­fe auf Daten erhal­ten sol­len – län­der- und res­sort­über­grei­fend. Das Aus­län­der­zen­tral­re­gis­ter ist bis­her beim BAMF ange­sie­delt, wes­halb die Bun­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­te die Kon­trol­le des Daten­schut­zes über­nimmt. Bei einer Daten­bank auf die län­der­über­grei­fend vie­le Behör­den zugrei­fen kön­nen, ist in der Pra­xis zu befürch­ten, dass ein effek­ti­ver Daten­schutz leer­lau­fen wird. Gera­de bei daten­schutz­recht­li­chen Belan­gen muss der Gesetz­ge­ber den Zweck­bin­dungs­grund­satz beach­ten. Daten­ban­ken mit vie­len unter­schied­li­chen per­so­nel­len Daten­sät­zen sind immer für einen Miss­brauch anfäl­lig. Eine spä­te­re – der Zweck­bin­dung zuwi­der­lau­fen­de – Wei­ter­ver­ar­bei­tung darf nicht stattfinden.