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Nach dem Brandanschlag in Tröglitz: Was getan werden muss
In Tröglitz wurde ein Brandanschlag auf eine Asyl-Unterkunft verübt. Nach Anfeindungen war bereits der Bürgermeister zurückgetreten, gegen den Landrat gibt es Morddrohungen. In 2015 gab es bereits 25 Angriffe auf Unterkünfte und 22 Gewalttaten gegen Flüchtlinge – viele davon in Ostdeutschland.
In der Nacht auf Samstag den 4. April wurde in Tröglitz ein Brandanschlag auf eine noch nicht bezogene Flüchtlingsunterkunft verübt. Der Tod von Menschen wurde bei dem feigen Anschlag billigend in Kauf genommen. Derzeit wohnt in dem Haus noch ein Ehepaar. Verletzt wurde zum Glück niemand. Die Stimmung in dem 2816-Einwohner-Ort Tröglitz in Sachsen-Anhalt ist aufgeheizt, seit klar ist, dass 40 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Bereits Anfang März trat der ehrenamtliche Bürgermeister, der die Flüchtlingsunterbringung gegen Anfeindungen verteidigte, von seinem Amt zurück, da er von Neonazis bedroht wurde und sich vom Landratsamt im Stich gelassen fühlte.
Überproportional viele Angriffe in Ostdeutschland
Es ist der dritte Brandanschlag gegen eine Asylunterkunft in 2015. Dazu kommen 22 Sachbeschädigungen an Unterkünften und 22 körperliche Angriffe auf Flüchtlinge. Dies sind nur die Vorfälle die der Amadeu Antonio Stiftung bekannt wurden; tatsächlich dürften die Zahlen höher sein. Überproportional oft kommt es in den ostdeutschen Bundesländern zu Angriffen auf Flüchtlinge und Unterkünfte. Obwohl in den Ost-Ländern inklusive Berlin nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung lebt und der Flüchtlingsanteil deutlich geringer als in den West-Ländern ist, fanden dort 26 von insgesamt 47 Anschläge auf Unterkünfte und Gewalttaten gegen Flüchtlinge statt –mehr als 50 Prozent.
Können jetzt noch Flüchtlinge nach Tröglitz?
Kann Flüchtlingen jetzt überhaupt noch zugemutet werden nach Tröglitz zu ziehen – besteht nicht eine Gefahr für Leib und Leben? Seit Montag steht nun auch der dortige Landrat unter Polizeischutz, da er Morddrohungen von Rechten erhalten hat. Selbst wenn es nicht zu Angriffen kommt: Niemandemkann zugemutet werden, in einem Klima der Angst leben zu müssen.
Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt warnt jedoch davor, die Unterbringung von Flüchtlingen wegen der Drohungen und des Brandanschlags zu stoppen. Sonst hätten sich die Rechtsradikalen durchgesetzt, erklärte der stellvertretende Vorsitzende Ulrich Koehler der Deutschen Presse-Agentur. Auch der Politikwissenschaftler Hajo Funke warnte in der Passauer Neuen Presse vor einen Unterbringungsstopp. „Da entscheidet sich, ob der Rechtsstaat und die engagierten Demokraten kapitulieren und von den Neonazis zurückgeschlagen werden“, so Funke.
Zunächst sollen nun nur zehn Flüchtlinge nach Tröglitz kommen. Es bleibt zu hoffen, dass der Vorschlag des Flüchtlingsrates, diese dezentral in Wohnungen unterzubringen, aufgegriffen wird – große Sammelunterkünfte sind leicht identifizierbare Ziele und sorgen für zusätzliche Stigmatisierung. Zusätzlich braucht es jedoch effektive und nicht nur symbolische polizeiliche Maßnahmen vor Ort. Und: Es muss sichergestellt werden, dass die Neuankommenden wissen an wen sie sich in ihrer Sprache wenden können, wenn sie Bedrohungen wahrnehmen.
Was getan werden muss: Zivilgesellschaft stärken, Opfer schützen
Die Anschläge in Tröglitz und Anderswo finden im Windschatten rechtspopulisitischer Ressentiments statt, wie sie die Pegida-Bewegung bedient. Klar ist jedoch: Nicht jeder der gegen die Einrichtung einer Unterkunft bei sich vor Ort ist, ist ein Rechtsradikaler. Damit menschenverachtende Hetze nicht auf fruchtbaren Boden fällt, braucht es Aufklärung. Insbesondere dann, wenn neue Unterkünfte zu aufgeheizten Debatten führen.
Mut macht: Zehntausende Ehrenamtliche kümmern sich um die Neubürger, sie gründen Helferkreise und treten Ressentiments entgegen. Das erfordert Mut, denn auch sie werden immer öfter Opfer von Anfeindungen und Drohungen. Diesem Engagement muss der Rücken gestärkt werden. Bund und Länder müssen daher endlich ein Förderprogramm zur Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements für Flüchtlinge auflegen, damit diejenigen die sich für andere Einsetzen auch selbst Beratung und Unterstützung erhalten.
Gleichzeitig muss deutschlandweit sichergestellt werden, dass neuankommende Flüchtlinge wissen, wo Sie Bedrohungssituation melden können und Opfer rassistischer Gewalt die Hilfe erhalten die sie benötigen. Dazu ist ein Ausbau der Förderung der Opferberatungsstellen dringend notwendig. Opfer rassistischer Gewalt müssen endlich durch ein gesetzliches Bleiberecht geschützt werden, damit diese aus der Sicherheit heraus gegen ihre Peiniger vorgehen zu können.