07.04.2015
Image
Seit Monaten hetzt die NPD in dem beschaulichen 2800-Einwohner-Ort Tröglitz in Sachsen-Anhalt gegen die Unterbringung von 40 Flüchtlingen. Nun wurde die geplante Unterkunft angezündet. Foto: wikipedia / Jwaller

In Tröglitz wurde ein Brandanschlag auf eine Asyl-Unterkunft verübt. Nach Anfeindungen war bereits der Bürgermeister zurückgetreten, gegen den Landrat gibt es Morddrohungen. In 2015 gab es bereits 25 Angriffe auf Unterkünfte und 22 Gewalttaten gegen Flüchtlinge – viele davon in Ostdeutschland.

In der Nacht auf Sams­tag den 4. April wur­de in Trög­litz ein Brand­an­schlag auf eine noch nicht bezo­ge­ne Flücht­lings­un­ter­kunft ver­übt. Der Tod von Men­schen wur­de bei dem fei­gen Anschlag bil­li­gend in Kauf genom­men. Der­zeit wohnt in dem Haus noch ein Ehe­paar. Ver­letzt wur­de zum Glück nie­mand. Die Stim­mung in dem 2816-Ein­woh­ner-Ort Trög­litz in Sach­sen-Anhalt ist auf­ge­heizt, seit klar ist, dass 40 Flücht­lin­ge unter­ge­bracht wer­den sol­len. Bereits Anfang März trat der ehren­amt­li­che Bür­ger­meis­ter, der die Flücht­lings­un­ter­brin­gung gegen Anfein­dun­gen ver­tei­dig­te, von sei­nem Amt zurück, da er von Neo­na­zis bedroht wur­de und sich vom Land­rats­amt im Stich gelas­sen fühlte.

Über­pro­por­tio­nal vie­le Angrif­fe in Ostdeutschland

Es ist der drit­te Brand­an­schlag gegen eine Asyl­un­ter­kunft in 2015. Dazu kom­men 22 Sach­be­schä­di­gun­gen an Unter­künf­ten und 22 kör­per­li­che Angrif­fe auf Flücht­lin­ge. Dies sind nur die Vor­fäl­le die der Ama­deu Anto­nio Stif­tung bekannt wur­den; tat­säch­lich dürf­ten die Zah­len höher sein. Über­pro­por­tio­nal oft kommt es in den ost­deut­schen Bun­des­län­dern zu Angrif­fen auf Flücht­lin­ge und Unter­künf­te. Obwohl in den Ost-Län­dern inklu­si­ve Ber­lin nur etwa 20 Pro­zent der Bevöl­ke­rung lebt und der Flücht­lings­an­teil deut­lich gerin­ger als in den West-Län­dern ist, fan­den dort 26 von ins­ge­samt 47 Anschlä­ge auf Unter­künf­te und Gewalt­ta­ten gegen Flücht­lin­ge statt –mehr als 50 Prozent.

Kön­nen jetzt noch Flücht­lin­ge nach Tröglitz?

Kann Flücht­lin­gen jetzt über­haupt noch zuge­mu­tet wer­den nach Trög­litz zu zie­hen – besteht nicht eine Gefahr für Leib und Leben? Seit Mon­tag steht nun auch der dor­ti­ge Land­rat unter Poli­zei­schutz, da er Mord­dro­hun­gen von Rech­ten erhal­ten hat. Selbst wenn es nicht zu Angrif­fen kommt: Nie­man­dem­kann zuge­mu­tet wer­den, in einem Kli­ma der Angst leben zu müssen.

Der Flücht­lings­rat Sach­sen-Anhalt warnt jedoch davor, die Unter­brin­gung von Flücht­lin­gen wegen der Dro­hun­gen und des Brand­an­schlags zu stop­pen. Sonst hät­ten sich die Rechts­ra­di­ka­len durch­ge­setzt, erklär­te der stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de Ulrich Koeh­ler der Deut­schen Pres­se-Agen­tur. Auch der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Hajo Fun­ke warn­te in der Pas­sau­er Neu­en Pres­se vor einen Unter­brin­gungs­stopp. „Da ent­schei­det sich, ob der Rechts­staat und die enga­gier­ten Demo­kra­ten kapi­tu­lie­ren und von den Neo­na­zis zurück­ge­schla­gen wer­den“, so Funke.

Zunächst sol­len nun nur zehn Flücht­lin­ge nach Trög­litz kom­men. Es bleibt zu hof­fen, dass der Vor­schlag des Flücht­lings­ra­tes, die­se dezen­tral in Woh­nun­gen unter­zu­brin­gen, auf­ge­grif­fen wird – gro­ße Sam­mel­un­ter­künf­te sind leicht iden­ti­fi­zier­ba­re Zie­le und sor­gen für zusätz­li­che Stig­ma­ti­sie­rung. Zusätz­lich braucht es jedoch effek­ti­ve und nicht nur sym­bo­li­sche poli­zei­li­che Maß­nah­men vor Ort. Und: Es muss sicher­ge­stellt wer­den, dass die Neu­an­kom­men­den wis­sen an wen sie sich in ihrer Spra­che wen­den kön­nen, wenn sie Bedro­hun­gen wahrnehmen.

Was getan wer­den muss: Zivil­ge­sell­schaft stär­ken, Opfer schützen

Die Anschlä­ge in Trög­litz und Anders­wo fin­den im Wind­schat­ten rechts­po­pu­li­si­ti­scher Res­sen­ti­ments statt, wie sie die Pegi­da-Bewe­gung bedient. Klar ist jedoch: Nicht jeder der gegen die Ein­rich­tung einer Unter­kunft bei sich vor Ort ist, ist ein Rechts­ra­di­ka­ler. Damit men­schen­ver­ach­ten­de Het­ze nicht auf frucht­ba­ren Boden fällt, braucht es Auf­klä­rung.  Ins­be­son­de­re dann, wenn neue Unter­künf­te zu auf­ge­heiz­ten Debat­ten führen.

Mut macht: Zehn­tau­sen­de Ehren­amt­li­che küm­mern sich um die Neu­bür­ger, sie grün­den Hel­fer­krei­se und tre­ten Res­sen­ti­ments ent­ge­gen. Das erfor­dert Mut, denn auch sie wer­den immer öfter Opfer von Anfein­dun­gen und Dro­hun­gen. Die­sem Enga­ge­ment muss der Rücken gestärkt wer­den. Bund und Län­der müs­sen daher end­lich ein För­der­pro­gramm zur Unter­stüt­zung des ehren­amt­li­chen Enga­ge­ments für Flücht­lin­ge auf­le­gen, damit die­je­ni­gen die sich für ande­re Ein­set­zen auch selbst Bera­tung und Unter­stüt­zung erhalten.

Gleich­zei­tig muss deutsch­land­weit sicher­ge­stellt wer­den, dass neu­an­kom­men­de Flücht­lin­ge wis­sen, wo Sie Bedro­hungs­si­tua­ti­on mel­den kön­nen und Opfer ras­sis­ti­scher Gewalt die Hil­fe erhal­ten die sie benö­ti­gen. Dazu ist ein Aus­bau der För­de­rung der Opfer­be­ra­tungs­stel­len drin­gend not­wen­dig. Opfer ras­sis­ti­scher Gewalt müs­sen end­lich durch ein gesetz­li­ches Blei­be­recht geschützt wer­den, damit die­se aus der Sicher­heit her­aus gegen ihre Pei­ni­ger vor­ge­hen zu können.