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Zuwenig geschminkt für eine Anerkennung als Flüchtling: Mamurjon muss wegen einer irritierenden Ablehnung durch die Behörden nun die Abschiebung fürchten.

Jedes Jahr begleiten wir zahlreiche verfolgte Menschen in ihren Asylverfahren. Das PRO ASYL-Team hat 2018 tausende Beratungsgespräche geführt, rund 400 Flüchtlingen standen wir mit Mitteln aus dem Rechtshilfefonds zur Seite. Einer davon ist Mamurjon Diyarow* aus Tadschikistan.

Duschan­be, Tadschi­ki­stan, 2011: Mamur­jon Diyarow ist 16 Jah­re alt, als er sei­ner Fami­lie erzählt, dass er homo­se­xu­ell ist. Sei­ne Ange­hö­ri­gen wen­den sich dar­auf­hin von ihm ab, für sie ist er »kein Mensch mehr« – ein­zig sei­ne Mut­ter spricht noch mit ihm. Zeit­wei­se lebt der Jugend­li­che nun schutz­los auf der Straße.

Ständige Drangsalierungen durch Beamte

In den Fol­ge­jah­ren ist Mamur­jon einer andau­ern­den Rei­he von Gewalt­ta­ten und Demü­ti­gun­gen. Er wird auf offe­ner Stra­ße ange­grif­fen und zusam­men­ge­schla­gen. Beam­te des kor­rup­ten Staa­tes drang­sa­lie­ren ihn, ver­let­zen ihn mit Stich­waf­fen und sper­ren ihn ein. Immer wie­der wird er erpresst und muss zah­len, um einer wei­te­ren Ver­fol­gung sei­tens der Behör­den zu ent­ge­hen oder um sich aus der Haft freizukaufen.

»Mei­ne Hän­de waren nach hin­ten gefes­selt und sie haben mit dem Stock auf mei­ne Bei­ne geschlagen…«

Mamur­jon Diyarow

Trotz alle­dem lässt sich Mamur­jon Diyarow nicht ein­schüch­tern. Nach einem erneu­ten Über­fall durch angeb­li­che Sicher­heits­kräf­te geht er zur Poli­zei. Er will Anzei­ge erstat­ten. Doch auf der Poli­zei­sta­ti­on setzt sich der Schre­cken für ihn fort: Die Beam­ten fes­seln ihn und trak­tie­ren ihn mit Schlag­stö­cken und Elek­tro­scho­ckern. Als er sich wei­gert, Geld an sei­ne Pei­ni­ger zu zah­len, wird er in eine psych­ia­tri­sche Kli­nik ver­schleppt. Tat­säch­lich han­delt es sich um ein Poli­zei­ge­fäng­nis, in dem Men­schen wider­recht­lich ein­ge­sperrt werden.

45

Tage wird Mamur­jon inhaf­tiert – weil er homo­pho­be Über­grif­fe anzei­gen wollte.

Polizisten helfen nicht – sondern sperren ihn ein

Meh­re­re Wochen wird der jun­ge Mann dort gewalt­sam fest­ge­hal­ten. Man zwingt ihn, »Tablet­ten gegen Homo­se­xua­li­tät« ein­zu­neh­men. Erneut wird er zusam­men­ge­schla­gen und schwer drang­sa­liert. Schließ­lich – nach 45 Tagen – lässt man ihn frei. Aus Angst vor wei­te­ren Über­grif­fen flieht Mamur­jon Diyarow schließ­lich aus Tadschikistan.

Am 9. Sep­tem­ber 2017 erreicht der 22-Jäh­ri­ge Deutsch­land und stellt einen Antrag auf Asyl. Zwei Mona­te spä­ter fin­det die Anhö­rung statt. Er berich­tet von der Ver­fol­gung, die er im Lau­fe der Jah­re erlei­den muss­te. Er schil­dert Über­grif­fe auf offe­ner Stra­ße, Erpres­sun­gen und Fol­ter durch Staats­be­am­te und Poli­zei. Er erzählt von einem Leben vol­ler Gewalt, Demü­ti­gung und Angst – und der feh­len­den Mög­lich­keit, irgend­wo in sei­nem Land Schutz zu finden.

Äußerst irritierende Ablehnung des Bundesamtes 

Obwohl es auf der Hand liegt, dass Mamur­jon Diyarow auf­grund sei­ner sexu­el­len Ori­en­tie­rung ver­folgt wur­de, lehnt das Bun­des­amt sei­nen Asyl­an­trag im Febru­ar 2018 als »offen­sicht­lich unbe­grün­det« ab. Zugleich wird die Abschie­bung nach Tadschi­ki­stan angedroht.

Begrün­dung der Ableh­nung: Mamur­jon habe kei­nen Schmuck getra­gen und sei nicht geschminkt gewesen.

Die Argu­men­ta­ti­on ist so erschre­ckend wie irri­tie­rend: Der Ent­schei­der des Bun­des­am­tes hält in sei­ner Ableh­nung aus­drück­lich fest, dass der jun­ge Mann bei sei­ner Anhö­rung unauf­fäl­lig geklei­det gewe­sen sei. Er habe kei­nen Schmuck getra­gen und sei dar­über hin­aus auch nicht geschminkt gewe­sen. Auf Nach­fra­ge habe er dann geant­wor­tet, er wol­le nicht, dass die ande­ren in der Flücht­lings­un­ter­kunft ent­de­cken, dass er homo­se­xu­ell sei. Damit scheint für den Ent­schei­der klar: Wer sich so nor­mal ver­hält, kann in Wirk­lich­keit doch nicht schwul sein. Fazit: Der Antrags­stel­ler wür­de »…den Anfor­de­run­gen an einen glaub­haf­ten Sach­vor­trag nicht gerecht«.

PRO ASYL schaltet sich ein

Wir unter­stüt­zen das Kla­ge­ver­fah­ren Mamur­jon Diyarows beim Ver­wal­tungs­ge­richt. Bei der Bera­tungs­stel­le für homo­se­xu­el­le Migran­ten und Flücht­lin­ge der AIDS-Hil­fe, »You’­re wel­co­me – Mas­hal­lah!«, fin­det Herr Diyarow vor Ort auch emo­tio­na­le Hil­fe und Begleitung.

Er wirkt an einem Doku­men­tar­film der Deut­schen Wel­le über Asyl­su­chen­de mit, die auf­grund ihrer sexu­el­len Ori­en­tie­rung ihr Her­kunfts­land ver­las­sen muss­ten. Bei einer Abschie­bung nach Tadschi­ki­stan ist zu befürch­ten, dass er von der Poli­zei erneut fest­ge­nom­men wird. Tadschi­ki­stan ist einer der repres­sivs­ten Staa­ten der Welt – und die­se Ent­wick­lung schrei­tet wei­ter fort: Seit Herbst 2017 wer­den Homo­se­xu­el­le dort offi­zi­ell behörd­lich registriert

Wir unter­stüt­zen das Kla­ge­ver­fah­ren Mamur­jon Diyarows beim Verwaltungsgericht.

Um Schutzsuchenden wie Mamurjon Diyarow zur Seite zu stehen, sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen

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*Name geändert