19.07.2024
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Demoschild bei einem von Geflüchteten in Malta organisiertem Protest mit der Forderung nach Anerkennung und Menschenwürde. Foto: aditus foundation

Malta weigert sich, Menschen in Seenot zu retten und lässt die sogenannte libysche Küstenwache Geflüchtete rechtswidrig zurück nach Libyen schleppen. Schutzsuchende, die es dennoch schaffen, werden inhaftiert, oft für viele Monate. Die PRO ASYL-Partnerorganisation aditus foundation kämpft gegen Menschenrechtsverletzungen in den Haftlagern.

Die Zahl der Geflüch­te­ten, die Mal­ta mit oft­mals see­un­taug­li­chen Boo­ten über das Mit­tel­meer errei­chen, geht seit Jah­ren zurück. Wäh­rend mit 3.406 Ankünf­ten im Jahr 2019 ein Höchst­stand erreicht war, kamen im Jahr 2023 nur noch 380 Men­schen in dem süd­eu­ro­päi­schen Insel­staat an, des­sen Grö­ße etwa der Stadt Bre­men ent­spricht. Die Mehr­zahl der Men­schen floh 2023 über Liby­en, eini­ge weni­ge auch über Tune­si­en. Die Schutz­su­chen­den kamen unter ande­rem aus Ban­gla­desch, Syri­en, Gui­nea und Kamerun.

Der star­ke Rück­gang ist eine Fol­ge der Poli­tik der mal­te­si­schen Regie­rung, die seit Jah­ren aktiv ver­sucht, Ankünf­te auf der Insel zu ver­hin­dern: So igno­riert Mal­ta sys­te­ma­tisch Not­ru­fe und wei­gert sich, Ret­tungs­ein­sät­ze zu koor­di­nie­ren; hält Han­dels­schif­fe aktiv davon ab, zu ret­ten; lehnt es ab, mit Akteur*innen der See­not­ret­tung zu koope­rie­ren und etwa geret­te­te Men­schen anlan­den zu las­sen; drängt Men­schen in See­not vor der mal­te­si­schen Küs­te dazu, wei­ter Rich­tung Ita­li­en zu fah­ren. Sys­te­ma­tisch ver­letzt Mal­ta damit inter­na­tio­na­les Recht. Mit ihrer Abschot­tungs­po­li­tik ver­sperrt die mal­te­si­sche Regie­rung de fac­to den Zugang zu Asyl­ver­fah­ren für Men­schen, die in Mal­ta Zuflucht suchen.

Mal­ta igno­riert sys­te­ma­tisch Not­ru­fe und wei­gert sich, Ret­tungs­ein­sät­ze zu koordinieren

»Die­se Wei­ge­rung, zu ret­ten, ist schlicht inak­zep­ta­bel«, sagt Neil Fal­zon, Geschäfts­füh­rer der mal­te­si­schen Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on adit­us foun­da­ti­on (adit­us), die von PRO ASYL finan­zi­ell unter­stützt wird. »Es geht hier um einen EU-Mit­glied­staat, der eigent­lich grund­le­gen­de Men­schen­rech­te schüt­zen soll­te!« Nach Anga­ben sei­ner Orga­ni­sa­ti­on haben die mal­te­si­schen Behör­den im Jahr 2022 mehr als 20.000 Men­schen in Not igno­riert; 413 Boo­te in See­not in der mal­te­si­schen See­not­ret­tungs-Zone sei­en nicht unter­stützt und nur drei Boo­te von den mal­te­si­schen Streit­kräf­ten geret­tet worden.

20.000

Men­schen in Not ignoriert

Die­se Pra­xis der unter­las­se­nen Hil­fe­leis­tung geht immer wei­ter. Laut dem AIDA-Bericht 2023 gibt es Vor­wür­fe, dass Mal­ta zu ret­ten­de Boo­te nach der Natio­na­li­tät der in See­not gera­te­nen Per­so­nen aus­wäh­le. Dabei wür­den Per­so­nen bevor­zugt, die gerin­ge­re Chan­cen hät­ten, Schutz zu erhal­ten, weil bei ihnen die Wahr­schein­lich­keit höher sei, dass sie zwangs­wei­se zurück­ge­bracht wer­den oder einer frei­wil­li­gen Rück­kehr zustim­men könnten.

Tödliche Politik: Unterlassene Hilfeleistung und Zurückschleppen nach Libyen

Dane­ben ver­folgt Mal­ta eine Stra­te­gie der Exter­na­li­sie­rung von Grenz­kon­trol­le: Der Insel­staat arbei­tet eng mit der soge­nann­ten liby­schen Küs­ten­wa­che zusam­men, um Abfahr­ten aus Liby­en zu unter­bin­den. Die­je­ni­gen, die es trotz allem in mal­te­si­sche Gewäs­ser schaf­fen, wer­den von den liby­schen Mili­zen in rechts­wid­ri­gen »Pull­backs« zurück in das Bür­ger­kriegs­land gezo­gen. Zum Teil weist Mal­ta auch pri­va­te Schif­fe an, Schutz­su­chen­de zwangs­wei­se nach Liby­en zu bringen.

Central Mediterranean SAR Zones Foto: Civil MRCC
Cen­tral Medi­ter­ra­ne­an SAR Zones Foto: Civil MRCC

Im Jahr 2022 sind laut adit­us über 24.600 Men­schen zwangs­wei­se nach Liby­en zurück­ge­schleppt wor­den, und auch 2023 setz­te sich die­se Pra­xis sich fort, was einen tau­send­fa­chen Ver­stoß gegen das Völ­ker­recht und den Grund­satz der Nicht­zu­rück­wei­sung dar­stellt. Denn Liby­en ist kein siche­rer Ort: Schutz­su­chen­de sind dort regel­mä­ßig Fol­ter, Ver­skla­vung und ande­ren mas­si­ven Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen ausgesetzt.

Neil Fal­zon ist Teil des Anwalts­teams, das zwei der drei Ange­klag­ten der als »El Hib­lu 3« bekann­ten Geflüch­te­ten in Mal­ta ver­tei­digt. Die drei Geflüch­te­ten hat­ten sich 2019 fried­lich gegen den Ver­such eines unrechts­mä­ßi­gen Push­backs von über 100 Men­schen auf dem Mit­tel­meer nach Liby­en zur Wehr gesetzt. Dafür wer­den sie nun vom mal­te­si­schen Staat ange­klagt, ihnen droht lebens­lan­ge Haft. Zum Zeit­punkt der Fest­nah­me waren die drei 15, 16 und 19 Jah­re alt. Eine inter­na­tio­na­le Kam­pa­gne, der auch PRO ASYL ange­hört, for­dert, dass die Ankla­ge fal­len gelas­sen wird.

»Wir haben den Ein­druck, dass Mal­ta ver­sucht, durch die Ankla­ge der El Hib­lu 3 Stär­ke und eine Null-Tole­ranz-Poli­tik gegen­über Migrant*innen und Geflüch­te­ten, die Mal­ta irre­gu­lär errei­chen, zu demons­trie­ren«, so Neil Fal­zon, der zudem ernst­haf­te Män­gel in dem bis­he­ri­gen Ver­fah­ren beklagt. So sei­en den bei­den min­der­jäh­ri­gen Ange­klag­ten wäh­rend des gesam­ten Pro­zes­ses nicht die Rech­te und Ver­fah­rens­ga­ran­tien gewährt wor­den, die das Gericht Kin­dern hät­te gewäh­ren müs­sen. In den ers­ten Mona­ten wur­den sie zum Bei­spiel in einer Hoch­si­cher­heits­ab­tei­lung eines Gefäng­nis­ses von Mal­ta untergebracht.

Dass Mal­ta straf­recht­li­che Mög­lich­kei­ten nutzt, um Geflüch­te­te oder Men­schen, die die­se unter­stüt­zen, zu kri­mi­na­li­sie­ren, ist lei­der kein Ein­zel­fall. 2020 erreich­te Neil Fal­zon gemein­sam mit ande­ren Anwäl­ten einen Frei­spruch für den deut­schen Kapi­tän Claus-Peter Reisch, der nach der See­not­ret­tung von über 200 Schutz­su­chen­den mit dem Schiff MV Life­line wegen ver­meint­li­chen Feh­lern bei der Schiffs­re­gis­trie­rung ange­klagt wor­den war. Dabei han­del­te es sich um einen Ver­such, die Arbeit von zivi­len See­not­ret­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen zu behindern.

Die zen­tra­le Mit­tel­meer­rou­te zwi­schen Liby­en, Tune­si­en, Mal­ta und Ita­li­en gilt als die gefähr­lichs­te Flucht­rou­te der Welt: Mehr als 2.500 Men­schen sind im Jahr 2023 im zen­tra­len Mit­tel­meer gestor­ben oder gel­ten als ver­misst, seit 2014 sind es weit über 23.600 Men­schen – die Dun­kel­zif­fer dürf­te um ein Viel­fa­ches höher lie­gen. Der Insel­staat trägt durch sei­ne töd­li­che Poli­tik Mit­ver­ant­wor­tung für den Ver­lust von Tau­sen­den Menschenleben.

Im Jahr 2022 starb Lou­jin, ein drei­jäh­ri­ges syri­sches Mäd­chen, da mal­te­si­sche Behör­den ihrer Pflicht zur See­not­ret­tung nicht nach­ka­men. Adit­us ver­tritt die Eltern des Kin­des und hat vor weni­gen Tagen Kla­ge gegen Mal­ta vor dem mal­te­si­schen Zivil­ge­richt ein­ge­reicht. Ziel ist es, für Auf­klä­rung und Gerech­tig­keit zu sor­gen und Auf­merk­sam­keit für die mal­te­si­schen Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen auf dem Mit­tel­meer zu schaffen.

»Wir bezah­len die Fol­gen die­ser Poli­tik, die in Euro­pa gemacht wur­de, mit unse­ren Leben, unse­rem Blut und unse­ren Liebs­ten«, so David Yam­bio, suda­ne­si­scher Geflüch­te­ter und Grün­der der Orga­ni­sa­ti­on Refu­gees in Libya, bei einer glo­ba­len Gedenk­ver­an­stal­tung in Malta. 

Foto: "Global Day of Commemor Action" / aditus
Foto: „Glo­bal Day of Com­me­mor Action“ / aditus

Systematische Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen

Die adit­us foun­da­ti­on berich­tet, dass alle Asyl­su­chen­den, die Mal­ta 2023 per Boot erreich­ten, unmit­tel­bar nach ihrer Ankunft auto­ma­tisch inhaf­tiert wur­den – zunächst mit Ver­weis auf »die öffent­li­che Gesundheit«.

Men­schen aus Staa­ten mit nied­ri­gen Schutz­quo­ten wur­den anschlie­ßend auf Grund­la­ge einer Auf­nah­me­ver­ord­nung auto­ma­tisch für die gesam­te Dau­er ihres Asyl­ver­fah­rens bezie­hungs­wei­se die maxi­mal zuge­las­se­ne Dau­er inhaf­tiert, wäh­rend ande­re Asyl­su­chen­de – ins­be­son­de­re aus Syri­en und Liby­en – ent­we­der gar nicht oder nur kurz in Gewahr­sam genom­men wur­den. Sobald ein nega­ti­ver Asyl­be­scheid ergeht, wird die Haft häu­fig in Abschie­bungs­haft umge­wan­delt, sodass abge­lehn­te Asyl­su­chen­de gleich hin­ter Git­tern blei­ben müssen.

»Hier schi­ka­niert ein Staat vul­nerable Men­schen, die Schutz suchen, ein bes­se­res Leben.«

Neil Fal­zon, adit­us foundation

Auch Kin­der, Frau­en und ande­re beson­ders vul­nerable Per­so­nen­grup­pen wer­den sys­te­ma­tisch nach ihrer Ankunft ein­ge­sperrt. »Mal­ta sorgt mit sei­nem har­ten Haft­re­gime dafür, dass Geflüch­te­te als Inva­so­ren und Kri­mi­nel­le ange­se­hen wer­den«, so Neil Fal­zon. Die Inhaf­tier­ten wür­den ihrer Mensch­lich­keit beraubt, der Kon­takt zu ihren Fami­li­en, Freund*innen und Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen wer­de ver­hin­dert. »Hier schi­ka­niert ein Staat vul­nerable Men­schen, die Schutz suchen, ein bes­se­res Leben.«

Maltas Inhaftierungspolitik verletzt internationale, europäische und nationale Standards

Mal­tas sys­te­ma­ti­sche Inhaf­tie­rung von Asyl­an­trag­stel­len­den und Migrant*innen wird seit Jah­ren nicht nur von Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen kri­ti­siert, son­dern auch von offi­zi­el­len euro­päi­schen Stel­len. Der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te, der Men­schen­rechts­kom­mis­sar des Euro­pa­rats, das Komi­tee zur Ver­hü­tung von Fol­ter des Euro­pa­ra­tes und Mal­tas eige­ne Gerich­te haben har­sche Wor­te gefun­den, um die mal­te­si­sche Inhaf­tie­rungs­po­li­tik zu kri­ti­sie­ren, die inter­na­tio­na­le, euro­päi­sche und natio­na­le Stan­dards ignoriert.

Nach einem Besuch im Jahr 2020 beklag­te das Euro­päi­sche Komi­tee zur Ver­hü­tung von Fol­ter und unmensch­li­cher oder ernied­ri­gen­der Behand­lung oder Stra­fe (CPT) »Lebens­be­din­gun­gen, die an insti­tu­tio­nel­le Mas­sen­ver­nach­läs­si­gung durch die Behör­den gren­zen«. Die Bedin­gun­gen in Haft stell­ten mög­li­cher­wei­se eine unmensch­li­che und ernied­ri­gen­de Behand­lung dar, die gegen Arti­kel 3 der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ver­sto­ße. Im Herbst 2023 über­prüf­te das CPT Mal­ta erneut, die Ver­öf­fent­li­chung des Berichts steht noch aus.

Der Fall A.D. gegen Mal­ta [12427/22] vor dem Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) steht exem­pla­risch für die gra­vie­ren­den Män­gel im mal­te­si­schen Asyl­sys­tem und die struk­tu­rel­len Pro­ble­me im Umgang mit beson­ders schutz­be­dürf­ti­gen Per­so­nen, die in Mal­ta Zuflucht suchen. Klä­ger ist Alex* (Pseud­onym), ein damals 15-jäh­ri­ger unbe­glei­te­ter Teen­ager, der Mal­ta nach einer lebens­ge­fähr­li­chen Flucht über das Mit­tel­meer 2021 erreich­te und über sie­ben Mona­te ein­ge­sperrt wur­de. In Haft litt er an Tuber­ku­lo­se, post­trau­ma­ti­scher Belas­tungs­stö­rung und Depressionen.

Gemein­sam mit dem Jesui­ten­flücht­lings­dienst Mal­ta zog adit­us bis vor den EGMR. Adit­us fei­er­te das Urteil von Okto­ber 2023 als »Sieg für die Men­schen­rech­te in Mal­ta«. Denn das Straß­bur­ger Gericht offen­bar­te die Unzu­läng­lich­kei­ten im Umgang Mal­tas mit schutz­be­dürf­ti­gen Per­so­nen, ein­schließ­lich Kin­dern, und stell­te fest, dass Mal­ta das Recht von Alex auf Frei­heit und auf Frei­heit von grau­sa­mer, unmensch­li­cher und ernied­ri­gen­der Behand­lung ver­letzt habe. Das Urteil bestä­tig­te, was adit­us seit Jah­ren beklagt, näm­lich dass die Pra­xis der Inhaf­tie­rung aus Grün­den der »öffent­li­chen Gesund­heit« rechts­wid­rig war. Zudem ver­häng­te das Gericht all­ge­mei­ne Maß­nah­men, die Mal­ta dazu ver­pflich­ten, sein Haft­re­gime zu über­ar­bei­ten und sich bes­ser um schutz­be­dürf­ti­ge Per­so­nen zu kümmern.

Die mal­te­si­sche Regie­rung hat die rechts­wid­ri­ge Inhaf­tie­rung auf Grund­la­ge der »öffent­li­chen Gesund­heit« seit dem Urteil ein­ge­stellt. Statt­des­sen wird die gro­ße Mehr­heit der Ankom­men­den nun auto­ma­tisch auf Grund­la­ge der natio­na­len Auf­nah­me­ver­ord­nung für etwa zwei Mona­te in Gewahr­sam genom­men, was adit­us eben­falls recht­lich anzu­fech­ten versucht.

Der Staat begrenzt und über­wacht den Zugang von Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen zu den Haft­an­stal­ten. Anwält*innen von adit­us ver­su­chen den­noch, Schutz­su­chen­de regel­mä­ßig in den Haft­an­stal­ten zu besu­chen, um recht­li­che Bera­tung anzu­bie­ten und all­ge­mei­ne Infor­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung zu stel­len, etwa in Form eines Facts­heets zur Ver­wal­tungs­haft. Wenn nötig, ver­tre­ten sie Betrof­fe­ne auch vor mal­te­si­schen und euro­päi­schen Gerichten.

800 Tage Gewahrsam, 400 Menschen, zwei Duschen 

Jun­ge Geflüch­te­te beschrei­ben ihre Erfah­run­gen in mal­te­si­schen Gefäng­nis­sen als grau­sam. So schil­dert ein jun­ger Mann aus Ban­gla­desch, dass er als 15-Jäh­ri­ger 14 Mona­te inhaf­tiert wur­de, um nach einer kur­zen Frei­las­sung für wei­te­re neun Mona­te ein­ge­sperrt zu wer­den. »Was das an Leid bedeu­tet, kön­nen nur Men­schen ver­ste­hen, die es erlebt haben«, sag­te er. Wäh­rend der Haft­zeit habe er nicht mit sei­ner Fami­lie spre­chen kön­nen. Adit­us hat­te jun­ge Män­ner nach ihren Erfah­run­gen in mal­te­si­schen Haft­an­stal­ten zwi­schen Dezem­ber 2019 und April 2022 gefragt.

Ein ande­rer jun­ger Mann erzählt, dass er 2020 mit fast 400 Leu­ten in einem Raum fest­ge­hal­ten wur­de, mit nur zwei Duschen für alle Inhaf­tier­ten. Es war Win­ter, das Was­ser eis­kalt, die Räu­me sehr dre­ckig. »Am 25. Dezem­ber sah ich zwei Men­schen, die sich selbst ver­letz­ten. Manch­mal habe ich gedacht, dass auch ich mir etwas antun wer­de, wenn ich noch län­ger in Haft blei­ben muss.« Über 800 Tage muss­te er in Gewahr­sam aus­har­ren. »Bit­te, behan­delt uns gut«, appel­liert er. »Wir sind auch Menschen.«

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 »Wir suchen es uns nicht aus, zu flie­hen«, unter­streicht ein drit­ter Mann, »doch sobald wir hier ankom­men, wer­den wir erneut ein­ge­sperrt, für Mona­te, manch­mal für ein Jahr.« Er berich­tet von man­gel­haf­ter Gesund­heits­ver­sor­gung, schlech­tem Essen und feh­len­den Infor­ma­tio­nen: »Wir wis­sen nicht, war­um sie uns über­haupt inhaf­tie­ren.« Men­schen hät­ten sogar Toi­let­ten­was­ser getrun­ken. Er for­dert, dass die mal­te­si­sche Regie­rung die Situa­ti­on in den Haft­an­stal­ten verändert.

Die Lebens­be­din­gun­gen in Haft sei­en »min­der­wer­tig und unwür­dig«, fasst adit­us die Situa­ti­on 2023 im Bericht für die Asyl­um Infor­ma­tio­nen Data­ba­se (AIDA) zusam­men. Immer wie­der kommt es zu Selbst­ver­let­zun­gen oder Selbst­mord­ver­su­chen. Doch statt Men­schen mit psy­chi­schen Pro­ble­men aus den Haft­zen­tren zu ent­las­sen, hat Mal­ta 2023 begon­nen, soge­nann­te psy­cho­lo­gi­sche Unter­stüt­zung vor Ort anzubieten.

Nach GEAS-Reform: Monitoring von Haftlagern bleibt zentral 

Auch Men­schen, die aus einem ande­ren EU-Staat im Rah­men der Dub­lin-Ver­ord­nung nach Mal­ta »rück­über­stellt« wer­den, kön­nen in Haft lan­den. Für das Jahr 2023 hat adit­us das ver­stärkt beob­ach­tet. Aus Deutsch­land wur­den 2023 26 Men­schen nach Mal­ta abge­scho­ben (bei 260 Übernahmeersuchen).

Die Reform des Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems (GEAS) wird in abseh­ba­rer Zeit zu mehr Haft­la­gern an den EU-Außen­gren­zen füh­ren. »Wir befürch­ten, dass die Absen­kung der Stan­dards in der gesam­ten Euro­päi­schen Uni­on die schreck­li­chen Prak­ti­ken, wie wir sie in Mal­ta seit eini­gen Jah­ren beob­ach­ten, noch ver­stär­ken wird«, so Neil Fal­zon. Das Moni­to­ring der mal­te­si­schen Haft-Zen­tren wer­de so in Zukunft noch dring­li­cher: »Denn wir wer­den mehr denn je sicher­stel­len müs­sen, dass Asyl­su­chen­de die Infor­ma­tio­nen erhal­ten, auf die sie Anspruch haben, um den Zugang zu Asyl­ver­fah­ren sicherzustellen.«

(hk)

Adit­us foun­da­ti­on ist eine mal­te­si­sche, unab­hän­gi­ge Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on, die 2011 von Anwält*innen gegrün­det wur­de. »Adit­us« (lat.) steht für »Zugang«: Die Orga­ni­sa­ti­on hat sich zum Ziel gesetzt, den Zugang von Indi­vi­du­en und Grup­pen zu grund­le­gen­den Men­schen­rech­ten in Mal­ta zu über­wa­chen, dar­über zu berich­ten und, wo nötig, zu handeln.

Im Bereich Asyl und Migra­ti­on setzt adit­us sich ins­be­son­de­re für einen effek­ti­ven Zugang zu Asyl­ver­fah­ren, den Schutz vor will­kür­li­cher Inhaf­tie­rung und ein ver­bes­ser­tes Auf­nah­me­sys­tem für Geflüch­te­te ein. Im Zen­trum der Tätig­kei­ten der Orga­ni­sa­ti­on ste­hen Advo­ca­cy, recht­li­che Bera­tung und stra­te­gi­sche Prozessführung.

Als Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on arbei­tet adit­us auch zu The­men wie Dis­kri­mi­nie­rung, Rechts­staat­lich­keit, den Rech­ten von LGBTIQA+ Men­schen und repro­duk­ti­ver Gesund­heit. Die Orga­ni­sa­ti­on ver­folgt bei ihrer Arbeit einen inter­sek­tio­na­len Ansatz, sodass die The­men nicht iso­liert von­ein­an­der bear­bei­tet werden.

Adit­us wird unter ande­rem durch natio­na­le und EU-Fonds und den UNHCR Mal­ta finan­ziert. PRO ASYL unter­stützt ins­be­son­de­re die recht­li­che Arbeit von adit­us in den mal­te­si­schen Haft­an­stal­ten seit 2023 finanziell.