09.04.2014
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Integrationsfest in Ludwigslust (Mecklenburg-Vorpommern). Bild: Amadeu Antonio Stiftung

Rechte Scharfmacher machen mobil gegen Flüchtlinge und Migrant_innen, "besorgte Bürger" protestieren gegen Unterkünfte für Asylsuchende. Aber vielerorts gibt es Menschen, die rassistische und rechtsextremistische Hetze bekämpfen und Flüchtlinge unterstützen. Teil 3 unserer News-Serie über gelebte Willkommenskultur.

Im Som­mer 2012 führ­te das Pro­jekt Pro­duk­ti­ve Unru­he der Uni­ver­si­tät Bie­le­feld in Koope­ra­ti­on mit dem Pro­jekt Lola für Lulu, einem Pro­jekt der Ama­deu Anto­nio Stif­tung für eine gen­der­sen­si­ble Aus­ein­an­der­set­zung mit Rechts­extre­mis­mus, in Lud­wigs­lust (Meck­len­burg-Vor­pom­mern) eine Befra­gung zum Zusam­men­le­ben in der Stadt durch. Eines der über­ra­schends­ten Ergeb­nis­se war, dass 46 Pro­zent der Bevöl­ke­rung der Ansicht sind, es gebe in Lud­wigs­lust „Pro­ble­me zwi­schen Deut­schen und Ausländern“.

Die­se Ansicht über­rascht vor allem, weil in Lud­wigs­lust nur etwa 3,7 Pro­zent der Bevöl­ke­rung sta­tis­tisch gese­hen Migran­tin­nen und Migran­ten und im Stadt­bild kaum sicht­bar sind. Soll­te es sich bei den Pro­ble­men der Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­ner um Kon­flik­te mit den drei, vier migran­ti­schen Gewer­be­trei­ben­den han­deln? In Gesprä­chen mit Bür­ge­rin­nen und Bür­gern wur­de deut­lich, dass sich die Kon­flik­te ver­mut­lich vor allem auf die Flücht­lin­ge bezie­hen, die in der im Win­ter 2010 wie­der­eröff­ne­ten „Gemein­schafts­un­ter­kunft“ am Stadt­rand unter­ge­bracht sind.

Res­sen­ti­ments die Grund­la­ge nehmen

Das Flücht­lings­heim hat eine Kapa­zi­tät für etwa 260 Per­so­nen, vie­le von ihnen sind Fami­li­en aus Afgha­ni­stan oder Tsche­tsche­ni­en. Offe­ne Anfein­dun­gen gegen­über den Flücht­lin­gen gibt es nicht. Die Res­sen­ti­ments und Vor­ur­tei­le äußern sich eher sub­til: in Gerüch­ten über „Schul­geld“, das die Flücht­lings­fa­mi­li­en für ihre Kin­der erhal­ten, aber nicht für sie aus­ge­ben, oder in erhöh­ten Anmel­de­zah­len an der ande­ren Grund­schu­le, in der kei­ne Flücht­lings­kin­der ein­ge­schult werden.

Gleich­zei­tig gibt es von Sei­ten der Stadt- und Land­kreis­ver­wal­tung für die Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­ner kei­ne Infor­ma­ti­ons­bro­schü­ren oder ‑ver­an­stal­tun­gen über die neu­en Nach­ba­rin­nen und Nach­barn – dafür aber eine breit ange­leg­te Hetz­kam­pa­gne des Lan­des­ver­ban­des der NPD in Meck­len­burg-Vor­pom­mern gegen Flücht­lin­ge. Die­se trägt sicher – auch wenn die Men­schen in Lud­wigs­lust größ­ten­teils der NPD ableh­nend gegen­über ste­hen – dazu bei, den Gerüch­ten Nah­rung zu geben.

Wel­che Zei­tung wird gelesen?

In der Befra­gung zum Zusam­men­le­ben wur­de auch gefragt, aus wel­chen Medi­en die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger ihre Infor­ma­tio­nen bezie­hen. 65 Pro­zent benann­ten den kos­ten­lo­sen, monat­li­chen Stadt­an­zei­ger, das Amts­blatt von Lud­wigs­lust, als wich­ti­ge Infor­ma­ti­ons­quel­le. Das Amts­blatt ver­öf­fent­licht neben offi­zi­el­len Ver­laut­ba­run­gen auch Infor­ma­tio­nen von Ver­ei­nen und Ver­an­stal­tun­gen, die in der Tages­zei­tung kaum noch zu fin­den sind – umso wich­ti­ger ist der Stadtanzeiger.

„Lola für Lulu“ und das Pro­jekt „Pro­duk­ti­ve Unru­he“ hat­ten daher die Idee, die­ses kos­ten­lo­se Medi­um zu nut­zen, um das „Infor­ma­ti­ons­loch“ zum The­ma Flücht­lin­ge zu schlie­ßen – nicht nur bei den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern, son­dern auch bei der Verwaltung. 

Über Flücht­lin­ge informieren

Kon­kret wur­de der Redak­ti­on des Stadt­an­zei­gers eine Arti­kel­se­rie zum The­ma Asyl in Lud­wigs­lust vor­ge­schla­gen. In zehn Arti­keln, ver­teilt über einen Zeit­raum von fast einem Jahr, sol­len nun die Lese­rin­nen und Leser Ant­wor­ten auf ihre Fra­gen zum The­ma Asyl­su­chen­de erhal­ten, wie etwa „Wie leben sie?“, „Dür­fen Asyl­be­wer­be­rin­nen und Asyl­be­wer­ber arbei­ten?“ oder „Wie viel Geld erhal­ten sie?“

In den Arti­keln kom­men aber auch die Geflüch­te­ten selbst zu Wort, ihre Geschich­ten, Träu­me und Hoff­nun­gen. So wird ver­sucht, Gerüch­ten mit Sach­in­for­ma­tio­nen zu begeg­nen, in der Hoff­nung dass die neu­en Einwohner/innen in Zukunft auf mehr Ver­ständ­nis und Offen­heit sto­ßen. Eine Idee, die Nach­ah­mer sucht, denn die Arti­kel mit ihren bereits auf­ge­ar­bei­te­ten Infor­ma­tio­nen kön­nen in ihrer Grund­form leicht von ande­ren Gemein­den, Initia­ti­ven oder Ein­zel­per­so­nen auf­ge­grif­fen werden.

Gabi Jasch­ke

Den Text haben wir der von PRO ASYL und der Ama­deu-Anto­nio-Stif­tung gemein­sam her­aus­ge­ge­be­nen Bro­schü­re Refu­gees Wel­co­me – Gemein­sam Will­kom­mens­kul­tur gestal­ten entnommen. 

Gemein­sam gegen Rassismus! 

PRO ASYL ruft dazu auf, ras­sis­ti­schen Vor­ur­tei­len ent­schie­den zu wider­spre­chen, Flücht­lin­ge will­kom­men zu hei­ßen und sich rech­ten Het­zern in den Weg zu stellen.

Bit­te infor­mie­ren Sie sich unter fol­gen­den Links:

 Gemein­sam gegen Ras­sis­mus! (20.03.14)

 Will­kom­mens­kul­tur sel­ber machen! (05.03.14)

 Neue Bro­schü­re klärt über rech­te Het­ze auf (04.03.14)

 Neue Bro­schü­re: Fak­ten und Argu­men­te gegen Vor­ur­tei­le (04.03.14)