10.04.2014
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Auf dem Schiffsfriedhof von Lampedusa. Bild: Michaela Maria Müller

Angesichts mehrerer Tausend in den letzten Tagen im Mittelmeer vor Italien geretteter Flüchtlinge sieht es so aus, als diene die italienische Operation „Mare Nostrum“ nicht nur der Lebensrettung, sondern auch dem Flüchtlingsschutz. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass Ziele des Einsatzes auch die Abschottung der Grenzen und Abwehr von Flüchtlingen sind.

Im Okto­ber 2013, nach der Kata­stro­phe vor Lam­pe­du­sa mit mehr als 360 Toten, star­te­te Ita­li­en die Ope­ra­ti­on „Mare Nos­trum“. In weni­ger als sechs Mona­ten sei­en mehr als 17.000 Migran­ten geret­tet wor­den, sag­te der ita­lie­ni­sche Mari­ne-Kom­man­dant Mario Cul­ca­si Jour­na­lis­ten. Allein am 14. und 15. April griff die Mari­ne 4.000 Men­schen auf.

 Dass nun offen­bar weni­ger Flücht­lin­ge in ita­lie­ni­schen Gewäs­sern ertrin­ken, ist zu begrü­ßen. Die von Ita­li­en ver­öf­fent­lich­ten Ret­tungs­zah­len erwe­cken aller­dings den trü­ge­ri­schen Ein­druck, „Mare Nos­trum“ sei eine huma­ni­tä­re Ret­tungs­mis­si­on für Flücht­lin­ge. Dabei wer­den die Ret­tungs­ein­sät­ze von Mili­tärs gefah­ren, Flücht­lin­ge als Sicher­heits­pro­blem betrachtet.

Nach Infor­ma­tio­nen des Netz­werks bor­der­line-euro­pe wer­den Flücht­lin­ge aus Nige­ria nach der Ret­tung auf ita­lie­ni­schem Fest­land mit einer „zeit­ver­setz­ten Zurück­wei­sung“ auf die Stra­ße gesetzt und haben das Land inner­halb von sie­ben Tagen zu ver­las­sen. Flücht­lin­ge aus Tune­si­en und Ägyp­ten wer­den sofort abgeschoben.

„Mare Nos­trum“ hat mili­tä­ri­schen Charakter

Zum Start der Ope­ra­ti­on hat­te Innen­mi­nis­ter Ange­li­no Alfa­no bekräf­tigt, der Ein­satz von Kriegs­schif­fen, Patrouil­len­boo­ten, Fre­gat­ten, Lang­stre­cken­hub­schrau­bern und Droh­nen mit opti­schen und Infra­rot­ka­me­ras die­ne der Abschre­ckung von Men­schen­händ­lern. Einen Vor­schlag der EU-Kom­mis­si­on, Fron­tex auf die See­not­ret­tung von Flücht­lin­gen zu ver­pflich­ten, hat­te Ita­li­en damals abge­lehnt.

Des mili­tä­ri­schen Cha­rak­ters nicht genug, Mare Nos­trum unter­höhlt auch den Flücht­lings­schutz. Auf den Schif­fen wer­den ers­te Iden­ti­fi­zie­run­gen und damit auch sofor­ti­ge Klas­si­fi­zie­run­gen vor­ge­nom­men, wer einen Asyl­an­trag stel­len darf und wer nicht. Dass die­sem Ver­fah­ren auf die Anhö­rung von Asyl­su­chen­den aus­rei­chend geschul­tes Per­so­nal ein­ge­setzt wird, ist stark zu bezwei­feln. Eine Ein­zel­fall­prü­fung von Asyl­ge­su­chen, wie sie Flücht­lin­gen nach der Gen­fer Kon­ven­ti­on und dem euro­päi­schen Asyl­recht zusteht, ist nicht gewähr­leis­tet. Ihrer Iden­ti­fi­zie­rung und Befra­gung woh­nen sogar liby­sche Beam­te bei, zur Beob­ach­tung, wie es heißt.

Abkom­men mit Liby­en gegen „ille­ga­le“ Migration

Grund­la­ge hier­für ist ein Ende Novem­ber 2013 zwi­schen Ita­li­en und Liby­en geschlos­se­nes Abkom­men zur Bekämp­fung „ille­ga­ler“ Migra­ti­on, Men­schen­han­del und orga­ni­sier­ter Kri­mi­na­li­tät, das die Prä­senz liby­scher Beam­ter auf den Kriegs­schif­fen von Mare Nos­trum regelt. Die ita­lie­ni­sche Mari­ne hat ein­ge­räumt, dass liby­sche Mili­tärs auch als Dol­met­scher ein­ge­setzt wur­den. Dies sei aller­dings nicht wün­schens­wert, da die Flücht­lin­ge Angst zeigten…

Liby­sche Beam­te auf den Boo­ten sind über­dies für den Kon­takt zu den liby­schen Behör­den zustän­dig, wenn in der Nähe der liby­schen Küs­te geret­tet wird. „Mare Nos­trum“ beinhal­tet nicht die Ver­pflich­tung, auf­ge­grif­fe­ne Flücht­lin­ge nach Ita­li­en zu brin­gen. Nach Infor­ma­tio­nen von bor­der­line-euro­pe wur­den 2014 min­des­tens in drei Fäl­len Flücht­lin­ge nach der Ret­tung von liby­schen Ein­hei­ten über­nom­men und zurück­ge­bracht.  Gegen Flücht­lin­ge, die sich der Iden­ti­fi­zie­rung ver­wei­gern, wur­de ver­ein­zelt auch Gewalt angewendet. 

Medi­en­be­rich­te: faz.net; rp-online.de; spiegel-online.de; spie­gel-online (30.3.); taz.de; 

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