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Damit es weniger Klagen gegen negative Asylbescheide gibt, versucht die Bundesregierung nun, Flüchtlingen ihre Grundrechte abzukaufen. Foto: PRO ASYL

»Starthilfe Plus« nennt sich das neue Programm der Bundesregierung. Was auf den ersten Blick nach Hilfestellung klingt, ist eine äußerst fragwürdige Praxis: Menschen sollen mit Geldzahlungen dazu bewegt werden, auf die Prüfung ihres Asylantrags oder auf Klagen gegen Ablehnungen zu verzichten. Die Diakonie spricht zu Recht von einer »Hau ab–Prämie«.

Am 1. Febru­ar 2017 ist das Pro­gramm »Start­hil­fe Plus« gestar­tet. Ergän­zend zu den bestehen­den REAG / GARP – Rück­kehr­pro­gram­men soll es zusätz­li­che finan­zi­el­le Anrei­ze für eine soge­nann­te »frei­wil­li­ge Rück­kehr« lie­fern. Neu ist, dass nun expli­zit belohnt wird, wenn Flücht­lin­ge gänz­lich auf die Prü­fung ihrer Asyl­be­rech­ti­gung verzichten.

800 €

ver­spricht die Bun­des­re­gie­rung, wenn auf die Kla­ge gegen eine Ableh­nung ver­zich­tet wird

Anreize für Rückkehr in Verfolgerstaaten

Das neue Pro­gramm zielt auf die Haupt­her­kunfts­staa­ten ab. Men­schen aus eini­gen ost­eu­ro­päi­schen und kau­ka­si­schen Län­dern, der Tür­kei oder den West­bal­kan­staa­ten sind davon aus­ge­nom­men (Details dazu gibt es im »Merk­blatt Start­hil­fe Plus« des BAMF), nicht aber die Haupt­her­kunfts­län­der im Jah­re 2016 – Syri­en, Afgha­ni­stan, Iran, Irak, Eri­trea und Somalia.

Aus die­sen Staa­ten flie­hen Men­schen vor Krieg, Ter­ror und poli­ti­scher Ver­fol­gung, zuneh­mend ver­lau­fen ihre Asyl­ver­fah­ren in Deutsch­land unfair. Es ist anrü­chig, dass nun Schutz­su­chen­de – wider alle Fak­ten in ihren Her­kunfts­län­dern – zur Rück­kehr dort­hin gedrängt wer­den sollen.

Grundrechte im Sonderangebot: 1.200 EUR für Rücknahme des Antrags

Im Detail soll das so aus­se­hen: Wer vor Abschluss sei­nes Asyl­ver­fah­rens erklärt, sei­nen Asyl­an­trag zurück­zu­neh­men und Deutsch­land wie­der zu ver­las­sen, erhält 1.200 €.

Offen­bar soll damit erreicht wer­den, dass mehr Flücht­lin­ge Deutsch­land mög­lichst schnell wie­der ver­las­sen. Die indi­vi­du­el­le Prü­fung von Asyl­grün­den in einem ordent­li­chen Ver­fah­ren gehört zu unse­ren Grund­rech­ten – Asyl­su­chen­de haben ein Recht dar­auf. Mit dem neu­en Pro­gramm ver­sucht die Bun­des­re­gie­rung, Geflüch­te­ten den Ver­zicht auf die­ses Grund­recht mit Geld­zah­lun­gen schmack­haft zu machen.

Schutz­su­chen­de sol­len ihre Men­schen­rech­te gegen Geld eintauschen. 

Erst mangelhafte Verfahren, dann das Klagerecht abkaufen?

Wenn Asyl­su­chen­de nach einer Ableh­nung ihres Asyl­an­trags auf Rechts­mit­tel ver­zich­ten und inner­halb der ange­ge­be­nen Frist aus­rei­sen, sind dafür 800 € Ver­zicht-Prä­mie aus dem neu­en Pro­gramm vor­ge­se­hen. Hin­ter­grund davon ist ver­mut­lich, dass immer mehr Betrof­fe­ne ihr Recht in Anspruch neh­men, gegen nega­ti­ve Asyl­be­schei­de kla­gen – und dafür oft gute Grün­de haben.

Eine kürz­lich ver­öf­fent­lich­te Stu­die hat die mas­si­ven Qua­li­täts­män­gel beim Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) unlängst aus­führ­lich dar­ge­stellt. Die Bun­des­re­gie­rung ver­sucht so, die dro­hen­de Über­las­tung der Gerich­te durch ein­ma­li­ge Zah­lun­gen an die Betrof­fe­nen zu verhindern.

»Hau ab – Prämie«

Die Dia­ko­nie spricht daher zu Recht von einer »Hau ab – Prä­mie«, die so ver­kauft wür­de, »als wenn mit ihrer Hil­fe tat­säch­lich ein Neu­start im Her­kunfts­land mög­lich wäre«. Dar­auf sind die­se Rück­kehr­pro­gram­me aber über­haupt nicht aus­ge­rich­tet – ein Teil der Unter­stüt­zung wird auch erst nach 6 Mona­ten im Hei­mat­land aus­ge­zahlt – und ohne­hin ändern auch der­ar­ti­ge Finanz­sprit­zen nichts an der bestehen­den Gefahr durch Krieg oder Verfolgung.

»Wenn die­se Prä­mie auf Geflüch­te­te aus Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­ten ange­wen­det wird, hebelt man unser Indi­vi­du­al­recht auf Asyl auf dem Ver­wal­tungs­weg aus.«

Diet­rich Ecke­berg, Diakonie

Die Lage in den zen­tra­len Her­kunfts­län­dern ist kei­nen Deut bes­ser gewor­den, sie hat sich sogar ver­schlim­mert. Trotz­dem ködert die Bun­des­re­gie­rung Schutz­be­dürf­ti­ge aus die­sen Län­dern mit Geld, damit sie noch vor Ablauf des Asyl­ver­fah­rens und einer mög­li­chen Aner­ken­nung in die Ver­fol­ger­staa­ten zurück­keh­ren. Schutz­su­chen­de sol­len ihre Men­schen­rech­te gegen Geld eintauschen.