27.08.2013
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Erinnerung an Cemal Kemal Altun. Trauerfeier in Berlin am 4. September 1983. Bild:<a href="http://www.umbruch-bildarchiv.de" target="_blank" class="external-link-new-window">Umbruch Bildarchiv</a>/Manfred Kraft

Vor dreißig Jahren hatte sich der politische Flüchtling Cemal Kemal Altun aus Angst vor der drohenden Auslieferung an die Türkei aus einem Fenster des Verwaltungsgerichts Berlin gestürzt.

Zuvor hat­te der damals 23-Jäh­ri­ge 13 Mona­te in Aus­lie­fe­rungs­haft ver­bracht. Alt­un war als poli­ti­scher Flücht­ling aner­kannt wor­den. Doch um die guten Bezie­hun­gen zur Tür­kei nicht zu gefähr­den, klag­te die Bun­des­re­gie­rung gegen die Flücht­lings­an­er­ken­nung und plan­te die Aus­lie­fe­rung. Alt­uns Tod steht exem­pla­risch für die unmensch­li­che Flücht­lings­po­li­tik der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und hat sich tief in das kol­lek­ti­ve Gedächt­nis der kri­ti­schen Öffent­lich­keit eingebrannt. 

Der Tod Cemal Kemal Alt­uns brach­te kein Umden­ken in der deut­schen Poli­tik. Auch heu­te noch wird die Wür­de von Flücht­lin­gen, Migran­tin­nen und Migran­ten durch dis­kri­mi­nie­ren­de Geset­ze und Behör­den­han­deln täg­lich ver­letzt. Seit 1983 sind unzäh­li­ge wei­te­re Men­schen als Fol­ge der rigi­den Abschot­tungs- und Abschie­bungs­po­li­tik Deutsch­lands zu Tode gekom­men, kör­per­lich und see­lisch ver­letzt wor­den oder haben sich selbst das Leben genommen.

Flücht­lings­po­li­tik mit töd­li­chen Folgen

Die Fol­gen der bun­des­deut­schen Flücht­lings­po­li­tik doku­men­tiert seit zwan­zig Jah­ren die Anti­ras­sis­ti­sche Initia­ti­ve. Laut ihren Infor­ma­tio­nen kamen zwi­schen 1993 und 2012 durch staat­li­che Maß­nah­men min­des­tens 414 Flücht­lin­ge ums Leben. 170 Men­schen töte­ten sich selbst ange­sichts der dro­hen­den Abschie­bung oder star­ben beim Ver­such, der Abschie­bung zu ent­flie­hen. Wäh­rend der Abschie­bung star­ben min­des­tens fünf Flücht­lin­ge, 64 star­ben in Abschie­be­haft. 417 Flücht­lin­ge wur­den durch Zwangs­maß­nah­men oder Miss­hand­lun­gen wäh­rend der Abschie­bung verletzt.

Akti­ons­tag gegen Abschie­bungs­haft am 30. August

Allein drei wei­te­re Todes­fäl­le an einem 30. August, die in unmit­tel­ba­ren Zusam­men­hang mit Abschie­bungs­maß­nah­men ste­hen, sind seit 1983 bekannt gewor­den. Seit 2001 machen Flücht­lings­in­itia­ti­ven mit einem bun­des­wei­ten Akti­ons­tag gegen Abschie­bungs­haft am 30. August auf die Situa­ti­on abge­lehn­ter Asyl­su­chen­der aufmerksam. 

Zum 30. Todes­tag von Cemal Kemal Alt­un for­dert ein Bünd­nis aus Flücht­lings-Initia­ti­ven, Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen, Anwäl­tin­nen und Anwäl­ten eine  Poli­tik, die Flücht­lin­ge schützt statt abwehrt. Wir for­dern fai­re Asyl­ver­fah­ren sowie die sofor­ti­ge Abschaf­fung von Abschie­bungs­haft und von dis­kri­mi­nie­ren­den Son­der­ge­set­zen wie Resi­denz­pflicht, Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz und Arbeitsverboten.

Kund­ge­bung für Cemal Kemal Altun 

Mit einer Kund­ge­bung am Ort sei­nes Todes erin­nern Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen an Cemal Kemal Alt­un sowie an all die­je­ni­gen, die durch die unmensch­li­che Asyl­po­li­tik Deutsch­lands zu Tode oder Scha­den gekom­men sind.

Ter­min und Ort: 30. August 2013, 16 Uhr, Cemal K. Alt­un-Gedenk­stein, Har­den­berg­stra­ße 21, Berlin-Charlottenburg 

„Zuflucht gesucht – den Tod gefun­den“ – Bro­schü­re zum 20. Todes­tag von Cemal Kemal Altun 

Archiv-Text von Hei­ko Kauffmann

 Gedenk­kund­ge­bung zum 30. Todes­tag des poli­ti­schen Flücht­lings Cemal Kemal Alt­un (27.08.13)

 Asyl­su­chen­de immer häu­fi­ger schon bei Ein­rei­se inhaf­tiert (18.07.13)