16.04.2014
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Die Familie Petrovic. Fast wäre Leonardo an einer lebensgefährlichen Infektion gestorben. Mitarbeiter der Flüchtlingsunterkunft hatten die flehentlichen Bitten der Eltern um Hilfe abgeschlagen. Bild: Stephan Rumpf

Im Dezember 2011 wäre der damals 15 Monate alte Leonardo Petrovic in der Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf wegen unterlassener Hilfeleistung fast gestorben. Eine klare Weisungslage für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fehlt bis heute.

Der Alb­traum beginnt im Dezem­ber 2011: Leo­nar­do Petro­vic lebt mit sei­nen Eltern – Asyl­su­chen­de aus Ser­bi­en – erst seit zehn Tagen in der Zirn­dor­fer Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung. Am 19. Dezem­ber 2011 früh mor­gens alar­miert sein Vater den Sicher­heits­dienst an der Pfor­te und bit­tet, einen Kran­ken­wa­gen zu holen. Bei Leo­nar­do zei­gen sich Anzei­chen einer schwe­ren Erkran­kung, die sich spä­ter als Menin­go­kok­ken­in­fek­ti­on her­aus­stel­len wird.

Die bei­den Mit­ar­bei­ter des Sicher­heits­diens­tes und alle wei­te­ren Bediens­te­ten in der Ein­rich­tung ver­wei­gern zunächst ihre Hil­fe. Auch nach­dem ein Kran­ken­schein vor­liegt, rufen sie kei­nen Kran­ken­wa­gen. Die Ver­spä­tung kos­tet Leo­nar­do fast das Leben. Heu­te trägt das Kind Nar­ben groß­flä­chi­ger Haut­trans­plan­ta­tio­nen. Meh­re­re Fin­ger­glie­der, zwei Zehen und Tei­le des Mit­tel­fuß­kno­chens muss­ten ampu­tiert werden.

Mit­ar­bei­ter zu Geld­stra­fen verurteilt

Die ver­ant­wort­li­chen Mit­ar­bei­ter der Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung Zirn­dorf wur­den heu­te wegen unter­las­se­ner Hil­fe­leis­tung und Kör­per­ver­let­zung durch Unter­las­sung zu Geld­stra­fen ver­ur­teilt. Das Fehl­ver­hal­ten der Mit­ar­bei­ter in Zirn­dorf ist nur ein Teil des Pro­blems. Der ande­re Teil ist das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz, mit dem der Gesetz­ge­ber sol­chen Straf­ta­ten Vor­schub leistet.

Gesetz­ge­ber leis­tet sol­chen Taten Vor­schub 

Das Gesetz sieht für Flücht­lin­ge, Asyl­su­chen­de, Gedul­de­te und wei­te­re Betrof­fe­ne ein ganz Bün­del dis­kri­mi­nie­ren­der Maß­nah­men vor. Unter ande­rem regelt es, dass die Betrof­fe­nen ledig­lich Anspruch auf eine Behand­lung aku­ter Erkran­kun­gen und Schmerz­zu­stän­de haben. Häu­fig maßen sich medi­zi­nisch inkom­pe­ten­te Bediens­te­te die Ent­schei­dung an, ob ein dem Gesetz nach „legi­ti­mer“ Behand­lungs­an­spruch besteht – ins­be­son­de­re wenn medi­zi­ni­sches Per­so­nal nicht unmit­tel­bar greif­bar ist.

Vor dem Hin­ter­grund des Geset­zes mei­nen man­che Bediens­te­te zudem, sie müss­ten „miss­bräuch­li­che“ Inan­spruch­nah­me ärzt­li­cher Leis­tun­gen ver­hin­dern. Kran­ke Flücht­lin­ge wer­den so auf Gedeih und Ver­derb restrik­ti­ven Ent­schei­dun­gen inkom­pe­ten­ter Men­schen ausgeliefert.

Der Fall Leo­nar­do ist bun­des­weit einer von meh­re­ren Fäl­len, in denen Asyl­su­chen­de der­art fast oder voll­ends zu Tode ver­wal­tet wur­den. PRO ASYL for­dert die Abschaf­fung des Gesetzes.

Medi­en­be­rich­te: ARD; Süd­deut­sche Zei­tung; Münch­ner Abend­zei­tung; Sat1Bayern 

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