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EU-Türkei-Gipfel: Statt humanitärer Lösung droht harter Kurs
In Griechenland zeichnet sich eine humanitäre Katastrophe ab: Zehntausende Schutzsuchende sitzen im Land fest. Ihre Lage wird immer prekärer. Doch statt einer humanitären Lösung fährt die EU beim heutigen Gipfel mit der Türkei einen noch härteren Kurs: Sie diskutiert über eine dauerhafte Schließung der Balkan-Route und setzt weiterhin auf den Deal mit der Türkei.
Die Ereignisse der vergangenen Tage zeigen: In der Türkei geht es mit den Menschenrechten rapide bergab. Regierungskritische Medien werden zusehends unter Druck gesetzt: Die Regierung ließ am vergangenen Freitag die Redaktion der auflagenstärksten Zeitung des Landes, der regierungskritischen „Zaman“ stürmen und gleichschalten. Zugleich wurden Vorwürfe laut, die türkischen Grenzschützer hätten neun syrische Flüchtlinge an der türkisch-syrischen Grenze erschossen. Alles deutliche Anzeichen dafür, dass die Regierung Erdogan kein vertrauenswürdiger Partner ist, wenn es um Menschenrechte geht.
Europa macht dicht – Türkei als Türsteher?
Seit Monaten werden von Amnesty International und Human Rights Watch Inhaftierungen von syrischen Flüchtlingen in der Türkei und Abschiebungen von Schutzsuchenden durch türkische Behörden zurück in das Kriegsgebiet dokumentiert. Ein aktuelles Rechtsgutachten von PRO ASYL zeigt, dass die Türkei kein sicherer Drittstaat für Flüchtlinge ist. Die EU schweigt zu den massiven Verstößen der Türkei gegen Menschen- und Flüchtlingsrechte. Stattdessen droht auf dem EU-Gipfel ein Beschluss zur dauerhaften Schließung der Balkan-Route.
Was jetzt geschehen müsste:
Öffnung der Balkan-Route und solidarische Flüchtlingsaufnahme in der EU. Griechenland ist nicht das Flüchtlingslager Europas. Dort ist weder ein Asylverfahren noch eine Versorgung für Zehntausende von Schutzsuchenden möglich. Die Sperrung der Balkan-Route wird in eine humanitäre Katastrophe führen. Schon jetzt sitzen mehr als 14.000 Menschen, darunter 4.000 Kinder, an der griechisch-mazedonischen Grenze bei Idomeni fest. Sie hausen in Zelten, viele sind krank. PRO ASYL fordert das Ausstellen von Laissez-Passer-Papieren durch die EU-Staaten. Hier sind Deutschland, aber auch andere EU-Staaten wie Frankreich, Großbritannien und andere gefordert.
Öffnung der syrisch-türkischen Grenze für Flüchtlinge. Die systematische Praxis der Zurückschiebungen muss beendet werden, die schweren Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen durch die Türkei müssen aufhören. Um die Türkei dazu zu bewegen, ihre Grenze zu Syrien zu öffnen, muss die EU ihre Bereitschaft erklären, großzügig Flüchtlinge selbst aufzunehmen.
Resettlement aus der Türkei. In der Türkei befinden sich mehr als drei Millionen Flüchtlinge, in der um ein Vielfaches größeren und wirtschaftlich stärkeren EU nur rund ein Drittel davon. In großem Stil muss Resettlement, d.h., die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Türkei seitens der EU, aber auch von Staaten wie den USA organisiert werden. Das muss zusätzlich zur dringend nötigen Finanzhilfe vor Ort geschehen. Noch im vergangenen Herbst waren Zahlen von 500.000 Personen pro Jahr in der Diskussion. Beim EU-Türkei-Gipfel kamen dazu keinerlei Signale aus EU-Kommission oder den Mitgliedsstaaten.
Achtung der Menschenrechte an der EU-Außengrenze und keine Zurückweisungen in die Türkei. Das Zurückweisen von Flüchtlingen in einem koordinierten Vorgehen von NATO, Frontex und der griechischen Küstenwache wäre glatt rechtswidrig. Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat. Das ist das Ergebnis eines von PRO ASYL veröffentlichten Rechtsgutachtens.
Was zu befürchten ist:
PRO ASYL befürchtet, dass beim EU-Türkei-Gipfel nichts von dem humanitär und menschenrechtlich Gebotenen realisiert wird. Stattdessen werden mit der Schließung der Balkanroute Flüchtlinge in eine ausweglose Lage gebracht und Menschenrechtsverstöße auf ganzer Linie ausgeblendet.
Die EU ist dabei, sich vom Flüchtlingsschutz zu verabschieden und dies während der größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Solch eine EU würde jegliche Glaubwürdigkeit verspielen, weltweit für die Menschenrechte als Grundlage des zivilisatorischen Zusammenlebens einzutreten.
PRO ASYL erinnert die Bundeskanzlerin an ihre Regierungserklärung vom 27.06.2013: „Die Türkei ist ein wichtiger Partner. Doch unsere europäischen Werte der Demonstrationsfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Rechtsstaatlichkeit, der Religionsfreiheit – die gelten immer! Sie sind nicht verhandelbar für uns!“