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Ein Bild aus besseren Zeiten: Maher sehnt sich nach seiner Frau, den Kindern und einem normalen Familienleben. Foto: Najem Al-Khalaf

Die Hoffnung war groß, als der syrische Familienvater Maher (37) mit dreien seiner Söhne Ende 2015 in Deutschland ankam. Maher hoffte auf Anerkennung als Flüchtling, um dann seine damals schwangere Frau Sherin (31) und drei weitere gemeinsame Kinder auf sicherem Wege nachholen zu können: Nach Jahren des Krieges und der Flucht endlich Frieden und etwas Stabilität! Die Kinder sollten zur Schule gehen, wie andere Kinder auch und sie würden ein normales Familienleben haben. So hofften sie.

Frau und Kinder sollten nachkommen

Gemein­sam war die damals acht­köp­fi­ge Fami­lie im Som­mer 2014 aus ihrer Hei­mat­stadt Amo­da im Nord­os­ten Syri­ens zunächst in den kur­di­schen Teil des Iraks geflo­hen. Über ein Jahr lang leb­te die Fami­lie im Zelt­la­ger Domiz bei Dohuk unter schwie­rigs­ten Bedin­gun­gen. Die 500.000-Einwohner-Stadt beher­berg­te damals zusätz­lich 650.000 Flücht­lin­ge, die vor dem so genann­ten Isla­mi­schen Staat geflo­hen waren.

Ihre Situa­ti­on im Irak war so aus­sichts­los, dass Maher im Herbst 2015 den Ent­schluss fass­te, den gefähr­li­chen Weg nach Euro­pa zu wagen. Er woll­te es bis nach Deutsch­land schaf­fen, wo sei­ne Mut­ter bereits seit 2014 lebt, und sei­ne Fami­lie anschlie­ßend nach­ho­len. Da das Erspar­te nicht für eine gemein­sa­me Flucht für alle reich­te, trenn­te sich die Fami­lie. Maher war sicher, dass er in Deutsch­land, wie zuvor sei­ne Mut­ter, zügig einen Flücht­lings­sta­tus bekom­men und sei­ne Fami­lie zu sich holen kön­nen würde.

Dramatische Flucht über das Meer 

Maher schlug sich mit drei klei­nen Kin­dern bis zur tür­ki­schen Mit­tel­meer­küs­te durch. Dort bestie­gen sie ein Boot. Auf dem Meer gin­gen der Motor und auch Tei­le des Schlauch­boots kaputt, nur knapp erreich­ten sie die grie­chi­sche Küs­te. Über die Bal­kan­rou­te kamen sie schließ­lich im Dezem­ber 2015 nach Deutschland.

Mit­hil­fe sei­ner Mut­ter gelang es Maher, in weni­gen Mona­ten genug Geld zusam­men zu bekom­men, um sei­ne hoch­schwan­ge­re Frau mit den Kin­dern im März 2016 von einem Schlep­per zumin­dest in die Tür­kei brin­gen zu las­sen. She­rin und die Kin­der gelang­ten so im März 2016 über die Gren­ze und bis in die Hafen­stadt Izmir. Von dort hoff­ten sie, bald nach Deutsch­land wei­ter rei­sen zu kön­nen. Bis heu­te aber lebt She­rin mit ihren drei klei­nen Kin­dern in einem win­zi­gen Zim­mer in Izmir. Die jüngs­te Toch­ter Mal­ven, inzwi­schen über ein Jahr alt, kam in der Tür­kei zur Welt. Ihren Vater hat sie noch nie gesehen.

Die jüngs­te Toch­ter kennt Maher nur von Bil­dern. Foto: Najem Al-Khalaf
»Ich weiß nicht, wie lan­ge wir das noch aus­hal­ten kön­nen.« so Maher. Foto: Najem Al-Khalaf
Die Kin­der bräuch­ten drin­gend Ruhe und Sicher­heit. Foto: Najem Al-Khalaf

Rechtliche Hängepartie

Anders als erhofft, erhielt Maher in Deutsch­land Ende Janu­ar 2017 nur sub­si­diä­ren Schutz. Damit wur­de ihm das Recht auf Fami­li­en­nach­zug ver­wei­gert. Gegen den Bescheid leg­te er Kla­ge ein und bekam im April 2017 tat­säch­lich vom Ver­wal­tungs­ge­richt den vol­len Flücht­lings­sta­tus nach der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK) zuge­spro­chen. Doch das BAMF leg­te Revi­si­on vor dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ein, die recht­li­che Hän­ge­par­tie dau­ert bis heu­te an. She­rin hat in der Tür­kei bereits alle Papie­re zusam­men, um ein Visum zu bean­tra­gen und auch schon bei der deut­schen Bot­schaft in Anka­ra vor­ge­spro­chen. Aber ohne rechts­kräf­ti­ge GFK-Aner­ken­nung hat Maher der­zeit kei­ne Chan­ce auf Familiennachzug.

Die Situa­ti­on in Izmir ist äußerst pre­kär: Mit den vier klei­nen Kin­dern kann She­rin nicht arbei­ten, sie leben von Almo­sen und dem Geld, das Maher ihnen schickt. Viel ist es nicht, was er von dem, was er in Deutsch­land vom Job­cen­ter erhält, abzwei­gen kann. »Aber ich muss irgend­wie hel­fen, sonst wür­den mei­ne Frau und die Kin­der auf der Stra­ße ver­hun­gern«, sagt er. Vom tür­ki­schen Staat gibt es bis heu­te kei­ner­lei finan­zi­el­le Unter­stüt­zung, auch nicht für die Kin­der. Yous­sef, der bei sei­ner Mut­ter lebt, wür­de in Deutsch­land in die zwei­te Klas­se gehen, in der Tür­kei gibt es kei­ne Schu­le für ihn.

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Maher weiß nicht, wie es wei­ter­ge­hen soll. Auch sei­ne Söh­ne, die mit ihm in Deutsch­land sind, lei­den sehr unter der Tren­nung von ihrer Mut­ter. Foto: Najem Al-Khalaf

»Hier geht eine Fami­lie, die von Anfang an inte­gra­ti­ons­wil­lig war, vor die Hunde!«

Eine ehren­amt­li­che Unterstützerin

Ungewissheit macht Kinder und Eltern kaputt

Maher ver­sucht, zumin­dest täg­lich mit sei­ner Frau in der Tür­kei zu tele­fo­nie­ren. Er hat auch pro­biert, ein Visum für die Tür­kei zu bekom­men, um sei­ne Fami­lie dort zumin­dest besu­chen zu kön­nen. Aber das schei­tert bis­her an den tür­ki­schen Behör­den. Die aus­sicht­lo­se Lage zehrt an ihm, mitt­ler­wei­le ist er wegen Depres­sio­nen in ärzt­li­cher Behand­lung und kann auf­grund sei­ner schlech­ten Ver­fas­sung auch kei­nen Deutsch­kurs mehr besuchen.

»Ich habe kaum noch Hoff­nung in die deut­schen Behör­den. Wenn ich mei­ne Fami­lie anru­fe, wei­nen die Kin­der, immer fra­gen sie mich, wann sie end­lich zu mir kom­men kön­nen.« Die Unge­wiss­heit, ob er sei­ne Fami­lie über­haupt eines Tages nach­ho­len kann, belas­tet ihn sehr. Auch sei­ner Frau gehe es in Izmir immer schlech­ter: »Sie braucht drin­gend Ruhe und Sicher­heit, genau wie die Kin­der. Ich weiß nicht, wie lan­ge wir das noch aus­hal­ten können.«

Auch sei­ne Söh­ne, die mit ihm nach Deutsch­land gekom­men sind, lei­den unter der lan­gen Tren­nung der Fami­lie. Die drei Jungs besu­chen zwar die ört­li­che Grund­schu­le, haben jedoch erheb­li­che Pro­ble­me. Sie wei­nen jeden Tag, per­ma­nen­te Kopf­schmer­zen, Angst­at­ta­cken und star­ke inne­re Unru­he kenn­zeich­nen ihren All­tag. Eine ehren­amt­li­che Unter­stüt­ze­rin bringt es auf den Punkt: »Hier geht eine Fami­lie, die von Anfang an inte­gra­ti­ons­wil­lig war, vor die Hunde!«

Petition: Familien gehören zusammen!

Wie Maher ergeht es vie­len Flücht­lin­gen in Deutsch­land. Sie blei­ben über Jah­re hin­weg von ihren Fami­li­en getrennt. Die­se Situa­ti­on ist uner­träg­lich und muss geän­dert werden!

mfe