31.10.2011
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Flüchtlingselend in Italien: Ansiedlung von Asylsuchenden in der Nähe Bahnhofs Ostiense in Rom.

M.A.* sollte nach Italien abgeschoben und dabei von seiner Familie getrennt werden. Jetzt hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof dafür gesorgt, dass die Abschiebung ausgesetzt wurde.

Fast wäre M.A. von Deutsch­land nach Ita­li­en abge­scho­ben wor­den – obwohl bekannt ist, dass Flücht­lin­ge in Ita­li­en Obdach­lo­sig­keit und Elend aus­ge­setzt sind und obwohl die Abschie­bung den Fami­li­en­va­ter von sei­nen Kin­dern und sei­ner Frau getrennt hät­te. Bei­des schien für die Behör­den und auch für die deut­schen Gerich­te, bei denen Herr A. gegen sei­ne Abschie­bung klag­te, kein Grund zu sein, um von der Abschie­bung abzu­se­hen. Da der Asyl­su­chen­de über Ita­li­en in die Euro­päi­sche Uni­on ein­ge­reist war, ist nach der Dub­lin-II-Ver­ord­nung Ita­li­en für sein Asyl­ge­such verantwortlich.

Doch Herr A. hat nicht auf­ge­ge­ben und wei­ter gegen sei­ne Abschie­bung geklagt. Nach­dem er sämt­li­che Gerichts­in­stan­zen in Deutsch­land ange­ru­fen hat­te, wand­te er sich an den Euro­päi­schen Men­schen­rechts­ge­richts­hof in Straß­burg. Dem Klä­ger zufol­ge ist sei­ne Abschie­bung nach Ita­li­en nicht mit der euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ver­ein­bar, da sie etwa den Arti­kel 3 ver­let­ze, der es ver­bie­tet, Men­schen unmensch­li­cher oder ernied­ri­gen­der Behand­lung zu unter­wer­fen – eben­so Arti­kel 8, der das Pri­vat- und Fami­li­en­le­ben schützt.

Der Men­schen­rechts­ge­richts­hof in Straß­burg hat in sei­nem Fall nun am 19. Okto­ber 2011 zunächst einen soge­nann­ten „vor­läu­fi­gen Beschluss“ gefällt, und schon das ist ein gro­ßer Erfolg: Der Klä­ger hat erreicht, dass der Men­schen­rechts­ge­richts­hof Deutsch­land erst­ma­lig mit Beru­fung auf die soge­nann­te „Rule 39“ auf­ge­for­dert hat, die Abschie­bungs­an­ord­nung nach Ita­li­en vor­läu­fig aus­zu­set­zen. So kann Herr A. in Deutsch­land bei sei­ner Fami­lie blei­ben, wäh­rend der Straß­bur­ger Gerichts­hof sei­ne Beschwer­de prüft. Die Ent­schei­dung des Gerichts ist zudem ein Signal dafür, dass Flücht­lin­ge einen effek­ti­ven Rechts­schutz gegen Dub­lin-Abschie­bun­gen nach Ita­li­en, Mal­ta, Grie­chen­land oder ande­re EU-Staa­ten brau­chen, in denen Men­schen- und Flücht­lings­rech­te miss­ach­tet werden.

*Name aus Daten­schutz­grün­den geändert

Infor­ma­ti­on zur Situa­ti­on von Flücht­lin­gen in Italien

- Doku­men­te zur EMGR-Ent­schei­dung im kon­kre­ten Fall:

http://www.asyl.net/fileadmin/user_upload/redaktion/Dokumente/19126.pdf

http://www.asyl.net/index.php?id=321

 Zehn Jah­re Dub­lin-II – zehn Jah­re geschei­ter­te Asyl­po­li­tik in Euro­pa (22.02.13)

 Stopp der Über­stel­lun­gen nach Grie­chen­land ver­län­gert – Situa­ti­on nach wie vor kata­stro­phal (17.12.12)