Image
Foto: picture alliance / REUTERS | Angelika Warmuth

Beim »Munich Meeting on Migration« am 6. Oktober inszenierte sich Bundesinnenminister Dobrindt einmal mehr als Hardliner. Seine Pläne zur Verschärfung des Asylrechts haben kaum rechtliche Grundlagen, dienen aber seiner Strategie: Der Bundesinnenminister verschiebt bewusst die Grenzen des Rechts und der Humanität.

Acht Innenminister*innen und EU-Innen­kom­mis­sar Magnus Brun­ner folg­ten Alex­an­der Dob­rindts Ein­la­dung. Brun­ner ver­lieh dem Tref­fen so einen euro­päi­schen Anstrich, obwohl die Inhal­te selbst wenig mit der ursprüng­li­chen Idee eines soli­da­ri­schen und men­schen­rechts­ba­sier­ten Euro­pas zu tun hat­ten. Her­aus kam ein gemein­sa­mer Okto­ber­fest­be­such, eine gemein­sa­me Erklä­rung gab es nicht.

Grenzen des Sagbaren werden weiter nach rechts verschoben

Dob­rindts Plä­ne zur mas­si­ven Aus­wei­tung von Abschie­be­haft, Abschaf­fung des Rechts­schut­zes und zur Aus­la­ge­rung von Rück­kehr­zen­tren außer­halb der EU ent­beh­ren jeder recht­li­chen Grund­la­ge. Dob­rindt zielt dar­auf ab, die Gren­zen des Sag­ba­ren immer wei­ter nach rechts zu ver­schie­ben. Schritt für Schritt tes­tet der deut­sche Innen­mi­nis­ter, was die Mehr­heits­ge­sell­schaft noch hin­nimmt oder sogar unter­stützt – auf Kos­ten von Rechts­staat und Menschenwürde.

Bewertung von Dobrindts Vorschlägen

»Unbe­fris­te­te Abschiebehaft«

Vor­ge­se­hen ist, aus­rei­se­pflich­ti­ge Straf­tä­ter und »Gefähr­der« unbe­grenzt in Abschie­be­haft zu neh­men. Abschie­be­haft ist jedoch Ver­wal­tungs­ge­wahr­sam, kei­ne Straf­haft, und darf nur so lan­ge dau­ern, wie die Rück­füh­rung mit der gebo­te­nen Sorg­falt betrie­ben wird. Eine unbe­fris­te­te Haft­dau­er ver­stößt gegen Art. 5 EMRK und die EU-Grund­rech­te­char­ta. In Mün­chen sag­te Dob­rindt auch »Wir wol­len, dass wir unbe­fris­te­te Abschie­be­haft für abge­lehn­te Asyl­be­wer­ber ermög­li­chen«. Viel­leicht ein­fach nur ein Ver­spre­cher, es könn­te aber auch der nächs­te Tabu­bruch sein.

Angriff auf den Rechtsschutz 

Beson­ders gra­vie­rend ist Dob­rindts Vor­schlag, die auf­schie­ben­de Wir­kung bei Kla­gen gegen nega­ti­ve Beschei­de der Asyl­be­hör­den abzu­schaf­fen. Das wür­de bedeu­ten, dass Men­schen abge­scho­ben wer­den könn­ten, obwohl ihre Kla­ge gegen die Asyl­ab­leh­nung noch nicht ent­schie­den ist. Die­se Abschaf­fung der auf­schie­ben­den Wir­kung wäre ein mas­si­ver Ein­griff in den Rechts­schutz und ein kla­rer Bruch mit rechts­staat­li­chen Prin­zi­pi­en. Sie ver­stößt gegen den Grund­satz des wirk­sa­men Rechtsschutzes.

»Rück­kehr­zen­tren« in Drittstaaten

Vor­ge­schla­gen wird (mal wie­der), abge­lehn­te Asyl­su­chen­de, die nicht rück­ge­führt wer­den kön­nen, in Zen­tren außer­halb der EU unterzubringen.

Die Erfah­rung zeigt: Aus­ge­la­ger­te Ver­fah­ren sind poli­tisch hoch­ris­kant und men­schen­recht­lich fatal. Das ita­lie­nisch-alba­ni­sche Modell zeigt gra­vie­ren­de Pro­ble­me: auto­ma­ti­sche Haft, feh­len­der Rechts­bei­stand und unkla­re Gerichts­zu­stän­dig­keit. Das haben ita­lie­ni­sche Gerich­te immer wie­der bemän­gelt. Sol­che Prak­ti­ken wider­spre­chen den zen­tra­len Garan­tien der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EMRK) und der EU-Grund­rech­te­char­ta. Aktu­ell arbei­ten die Nie­der­lan­den an einem Deal mit Ugan­da zur Abschie­bung von abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den. Dob­rindt zeigt sich in Mün­chen offen, inwie­weit Deutsch­land die Initia­ti­ve der Nie­der­län­der unter­stüt­zen kann.

Koalition der Hardliner

Dob­rindt beruft sich auf euro­päi­sche Ansät­ze, geht aber sogar über die Gren­zen des neu­en und sehr restrik­ti­ven EU-Asyl- und Migra­ti­ons­pak­tes hin­aus. Sei­ner Vor­schlä­ge über­schrei­ten selbst die­se recht­li­chen Leit­plan­ken. Nach­här­ten heißt das bei Dobrindt.

Auf dem Münch­ner Tref­fen wur­de ein Euro­pa der natio­na­len Abschot­tung beschwo­ren – ein Zusam­men­schluss von Staa­ten, die ver­su­chen, sich gegen­sei­tig an Här­te zu über­tref­fen. Dob­rindt will sich offen­bar als Wort­füh­rer die­ser euro­päi­schen Hard­li­ner-Alli­anz positionieren.