25.08.2021
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Foto: PRO ASYL

Nur noch diese Woche werden gefährdete Personen aus Kabul ausgeflogen. Doch auch danach muss die Aufnahme weitergehen! Wir fassen die wichtigsten Informationen zur Aufnahme von Ortskräften und anderen gefährdeten Personen nach § 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes zusammen und informieren, worauf auch die Betroffenen selbst achten müssen.

Laut Medi­en­in­for­ma­tio­nen sol­len nur noch bis Frei­tag den 27. August 2021 Eva­ku­ie­rungs­flü­ge von Kabul nach Deutsch­land gehen, even­tu­ell auch nur noch bis heu­te. Bis­lang wur­den von der Bun­des­wehr 4.650 gefähr­de­te Per­so­nen aus­ge­flo­gen. Vie­le Men­schen – wie Orts­kräf­te, Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen sowie Per­so­nen mit Ange­hö­ri­gen in Deutsch­land – sind aber wei­ter­hin akut in ihrem Leben bedroht. Ganz klar ist des­we­gen: Die Auf­nah­me der gefähr­de­ten Per­so­nen muss auch nach die­ser Woche wei­ter­ge­hen, zum Bei­spiel aus den Nach­bar­län­dern Afghanistans!

Aktu­ell stel­len sich vie­le Fra­gen bezüg­lich die­ser Auf­nah­me und wie es für die Men­schen danach in Deutsch­land wei­ter­geht. Hier fas­sen wir alle wich­ti­gen Infor­ma­tio­nen über die Auf­nah­me nach § 22 Satz 2 Auf­enthG zusammen.

Die Auf­nah­me von Orts­kräf­ten aus Afgha­ni­stan erfolgt in Deutsch­land seit 2013 über § 22 Satz 2 Auf­enthG:

»Einem Aus­län­der kann für die Auf­nah­me aus dem Aus­land aus völ­ker­recht­li­chen oder drin­gen­den huma­ni­tä­ren Grün­den eine Auf­ent­halts­er­laub­nis erteilt wer­den. Eine Auf­ent­halts­er­laub­nis ist zu ertei­len, wenn das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Innern, für Bau und Hei­mat oder die von ihm bestimm­te Stel­le zur Wah­rung poli­ti­scher Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land die Auf­nah­me erklärt hat

Wel­che Men­schen aktu­ell eine Auf­nah­me­zu­sa­ge bekom­men, wie sie vor Ort infor­miert wer­den und wie die Eva­ku­ie­rung abläuft ist aller­dings sehr intransparent.

Vor der Macht­über­nah­me der Tali­ban wur­de nach der Prü­fung einer Gefähr­dungs­an­zei­ge eine Auf­nah­me­zu­sa­ge erteilt und ein Visums­ver­fah­ren durch­ge­führt. Mit dem Visum konn­te die Per­son (ggfs. mit Fami­lie) ein­rei­sen, muss­te aber den Flug selbst orga­ni­sie­ren und bezah­len. Seit­dem Kabul an die Tali­ban gefal­len ist und es kei­nen zivi­len Luft­ver­kehr in Kabul mehr gibt, läuft eine Eva­ku­ie­rung von Men­schen mit Auf­nah­me­zu­sa­ge. Neben Orts­kräf­ten kön­nen auch ande­re gefähr­de­te Per­so­nen eine Auf­nah­me­zu­sa­ge bekom­men. Wel­che Men­schen aktu­ell eine Auf­nah­me­zu­sa­ge bekom­men, wie sie vor Ort infor­miert wer­den und wie die Eva­ku­ie­rung abläuft ist aller­dings sehr intrans­pa­rent. Mit einem Char­ter­flug wer­den die Per­so­nen nach Deutsch­land gebracht und erhal­ten hier ein »Aus­nah­me-Visum«, das auch »visa-on-arri­val« genannt wird (§ 14 Abs. 2 Auf­enthG).

Wich­tig: Per­so­nen mit einem Aus­nah­me­vi­sum nach § 22 Satz 2 in Ver­bin­dung mit § 14 Abs. 2 Auf­enthG soll­ten kei­nen Asyl­an­trag stel­len, da dies nach § 55 Abs. 2 AsylG zum Erlö­schen des Visums füh­ren wür­de! Wur­de bereits Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 22 Satz 2 Auf­enthG erteilt, wür­de ein Asyl­an­trag nach § 51 Abs. 1 Nr. 8 Auf­enthG zu deren Erlö­schen füh­ren. Auch hier soll­te ergo kein Asyl­an­trag gestellt werden!

Im Gegen­satz zur Flücht­lings­ei­gen­schaft, die im Rah­men eines Asyl­ver­fah­rens geprüft wird, wur­de bei der Auf­nah­me nach § 22 Satz 2 Auf­enthG bereits vor­her eine beson­de­re Schutz­be­dürf­tig­keit festgestellt.

Die wichtigsten Fakten zum § 22 Satz 2 AufenthG:

Auf­ent­halts­er­laub­nis

Nach Erhalt des Aus­nah­me­vi­sums muss wäh­rend des­sen Gül­tig­keits­zeit­raums eine  Auf­ent­halts­er­laub­nis bean­tragt wer­den, die eben­falls nach § 22 Satz 2 Auf­enthG erteilt wird. Die Auf­ent­halts­er­laub­nis wird zunächst befris­tet für einen Zeit­raum von maxi­mal drei Jah­ren erteilt und kann nach Ablauf jeweils für den­sel­ben Zeit­raum ver­län­gert wer­den (vgl. § 26 Abs. 1 Auf­enthG) (zur Ver­fes­ti­gung des Auf­ent­halts sie­he unten).

Berech­ti­gung zur Erwerbs­tä­tig­keit, Aus­bil­dung und Studium

Die Auf­ent­halts­er­laub­nis berech­tigt zur Aus­übung einer selb­stän­di­gen sowie unselb­stän­di­gen Erwerbs­tä­tig­keit (vgl. § 4a Auf­enthG). Auch die Auf­nah­me einer Aus­bil­dung oder eines Stu­di­ums ist möglich.

Zuwei­sungs­ent­schei­dung und Wohnsitzregelung

Den Wohn­ort in Deutsch­land kön­nen sich Men­schen mit die­ser Auf­ent­halts­er­laub­nis nicht eigen­stän­dig aus­su­chen. Über den soge­nann­ten König­stei­ner Schlüs­sel erfolgt eine Zuwei­sung in eines der 16 Bun­des­län­der. Für einen Zeit­raum von drei Jah­ren ab erst­ma­li­ger Ertei­lung der Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 22 Satz 2 Auf­enthG besteht eine Ver­pflich­tung, am Ort der Zuwei­sung wohn­haft zu blei­ben. Die Ver­pflich­tung ent­fällt mit Auf­nah­me einer sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Tätig­keit, die min­des­tens 15 Stun­den pro Woche aus­ge­übt wird und mit wel­cher ein Net­to­ein­kom­men in Höhe von min­des­tens 785,- € erzielt wird. Die Wohn­sitz­ver­pflich­tung ent­fällt eben­so im Fal­le der Auf­nah­me einer Berufs­aus­bil­dung oder eines Stu­di­ums (vgl. zum Gan­zen § 12a Abs. 1 AufenthG).

Sozi­al­leis­tun­gen

Solan­ge der Lebens­un­ter­halt nicht eigen­stän­dig gesi­chert wer­den kann, bestehen Ansprü­che auf Sozi­al­leis­tun­gen nach SGB II und XII wie für deut­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge. Anträ­ge sind bei dem jewei­li­gen ört­li­chen Job­cen­ter zu stellen.

Der Anspruch auf Leis­tun­gen nach dem SGB II besteht auch schon mit dem Ein­rei­se­vi­sum und auch inner­halb der ers­ten drei Mona­te (§ 7 Abs. 1 S. 3 SGB II). Das­sel­be gilt für Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge (sie­he Fach­li­che Wei­sung zu § 7 SGB II, Num­mer 1.4.9.4).

Sie­he zum Anspruch auf Leis­tun­gen nach SGB auch die Ver­fah­rens­hin­wei­se des BMAS.

Teil­nah­me an einem Integrationskurs

Ein gesetz­li­cher Anspruch auf Teil­nah­me an einem Inte­gra­ti­ons­kurs besteht für Men­schen mit die­ser Auf­ent­halts­er­laub­nis zwar nicht. Im Rah­men ver­füg­ba­rer Kurs­plät­ze kann aber die Teil­nah­me an Inte­gra­ti­ons­kur­sen zuge­las­sen wer­den (vgl. § 44 Abs. 4 Auf­enthG). Die Zulas­sung zur Teil­nah­me erfolgt durch das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge auf Antrag, der über einen zuge­las­se­nen Kurs­trä­ger gestellt wer­den kann (vgl. § 5 Abs. 1 IntV).

Auch kann das Job­cen­ter (§ 44a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Auf­enthG) oder die Aus­län­der­be­hör­de (§ 44a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Auf­enthG)  zur Teil­nah­me an einem Inte­gra­ti­ons­kurs verpflichten

Es besteht Zugang zu den beruf­be­zo­ge­nen Deutsch­kur­sen (§ 45a Auf­enthG i.Vm. § 4 DeuFöV).

Sie­he zum Zugang zu Inte­gra­ti­ons­kurs und berufs­be­zo­ge­nen Deutsch­kurs auch die Ver­fah­rens­hin­wei­se des BMAS.

Fami­li­en­nach­zug

Sofern die­se Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen nicht bereits eben­falls einen Auf­ent­halts­ti­tel über das Auf­nah­me­pro­gramm nach § 22 Satz 2 Auf­enthG erhal­ten haben, gilt: Nach­träg­lich kann der Nach­zug von Ehe­gat­ten oder min­der­jäh­ri­gen Kin­dern der gefähr­de­ten Per­son aus völ­ker­recht­li­chen oder huma­ni­tä­ren Grün­den oder zur Wah­rung der Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land gestat­tet wer­den und ist damit nur in Aus­nah­me­fäl­len mög­lich (vgl. § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).

Ver­fes­ti­gung des Aufenthalts

Nach 5 Jah­ren kann Inha­bern einer Auf­ent­halts­er­laub­nis nach § 22 Satz 2 Auf­enthG bei Vor­lie­gen wei­te­rer Vor­aus­set­zun­gen (Siche­rung des Lebens­un­ter­halts, Ver­fü­gen über aus­rei­chen­de Kennt­nis­se der deut­schen Spra­che etc., vgl. § 9 Abs. 2 Auf­enthG) eine Nie­der­las­sungs­er­laub­nis erteilt wer­den (§ 26 Abs. 4 AufenthG).

(pva, wj)