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Theaterprojekt mit therapeutischem Mehrwert: In einem Projekt des Psychosozialen Zentrums Düsseldorf und den Wuppertaler Bühnen erarbeiteten junge Flüchtlinge ein Theaterstück zu ihren Erfahrungen. Würde Deutschland geltendes EU-Recht endlich umsetzen, hätten mehr Flüchtlinge die Chance auf therapeutische Angebote. Die Psychosozialen Zentren sind wegen mangelnder staatlicher Förderung chronisch unterfinanziert. Foto: <a href="http://www.psz-duesseldorf.de/">PSZ Düsseldorf</a>

Die Bundesregierung weigert sich, europäische Aufnahme- und Verfahrensstandards aus den EU-Asylrichtlinien umzusetzen, die Flüchtlingen zu Gute kommen würden – etwa bei der therapeutischen Begleitung von traumatisierten Asylsuchenden. Heute lief die Frist zur Umsetzung der entsprechenden Richtlinien aus – die Europäische Kommission muss nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten.

Bis heu­te hät­te die Bun­des­re­gie­rung Zeit gehabt,  euro­päi­sche Stan­dards für die Flücht­lings­auf­nah­me umzu­set­zen. Die zwei­jäh­ri­ge Frist, die die EU ihren Mit­glied­staa­ten zur Umset­zung der ent­spre­chen­den Richt­li­ni­en ein­räumt, lief heu­te aus. Doch bis­lang liegt noch nicht ein­mal ein Gesetz­ent­wurf vor, der die im Jahr 2013 ver­ab­schie­de­ten Richt­li­ni­en über die sozia­len Auf­nah­me­stan­dards für Asyl­su­chen­de und die Rech­te im Asyl­ver­fah­ren in deut­sches Recht umzu­set­zen könnte.

Die Bun­des­re­gie­rung miss­ach­tet damit bewusst euro­päi­sche Stan­dards, die die Situa­ti­on von Asyl­su­chen­den ver­bes­sern wür­den. Nimmt die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on ihre Sache ernst, müss­te sie jetzt ein Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren gegen Deutsch­land einleiten.

Kaum The­ra­pie­plät­ze für Trau­ma­ti­sier­te und Folteropfer

Die Auf­nah­me­richt­li­nie sieht grund­le­gen­de Ver­bes­se­run­gen für die Behand­lung von trau­ma­ti­sier­ten und psy­chisch kran­ken Flücht­lin­gen vor. Nach Art. 19 und 21 der Auf­nah­me­richt­li­nie müs­sen die beson­de­ren Bedürf­nis­se von Flücht­lin­gen fest­ge­stellt und ent­spre­chend behan­delt wer­den. Doch nur vier der psy­cho­so­zia­len Zen­tren in Deutsch­land, die Über­le­ben­de von Fol­ter, Krieg und Gewalt mit the­ra­peu­ti­scher Hil­fe zur Sei­te ste­hen, erhal­ten öffent­li­che För­de­rung vom Bund. Auch das Enga­ge­ment der Län­der ist unzu­rei­chend. Die Struk­tu­ren zur Behand­lung trau­ma­ti­sier­ter Flücht­lin­ge sind chro­nisch unter­fi­nan­ziert. Um die Anfor­de­run­gen aus der Auf­nah­me­richt­li­nie zu erfül­len, müss­ten erheb­lich mehr The­ra­pie­plät­ze geschaf­fen werden.

Euro­pa­rechts­wid­ri­ge Leistungskürzungen

Ins­be­son­de­re wei­te Tei­le des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes sind nach Ansicht von PRO ASYL euro­pa­rechts­wid­rig. Etwa die Rege­lun­gen, wonach Leis­tun­gen ganz oder teil­wei­se vor­ent­hal­ten wer­den kön­nen, weil der Betrof­fe­ne nicht an sei­ner eige­nen Abschie­bung mit­ge­wirkt hat (§ 1a). Eben­so wäre das Ansin­nen der Baye­ri­schen Lan­des­re­gie­rung, Asyl­su­chen­de aus sog. „siche­ren Her­kunfts­län­dern“ teil­wei­se von Sozi­al­leis­tun­gen aus­zu­schlie­ßen, mit der Auf­nah­me­richt­li­nie nicht ver­ein­bar, die gera­de kei­ne Leis­tungs­ein­schrän­kun­gen aus migra­ti­ons­po­li­ti­schen Erwä­gun­gen vor­sieht (Art. 17). Auch die der Abschre­ckung die­nen­den Arbeits­ver­bo­te für Asyl­su­chen­de  sind euro­pa­rechts­wid­rig.  Dies müss­te im deut­schen Recht drin­gend klar­ge­stellt werden.

Die Ver­pflich­tun­gen aus der Asyl­ver­fah­rens­richt­li­nie wur­den eben­falls bis­lang nicht umge­setzt. So ver­langt Art. 6 eine Regis­trie­rung des Asyl­an­trags spä­tes­tens nach drei Tagen. Gegen­über den euro­pa­recht­li­chen Maß­ga­ben, dau­ern Regis­trie­run­gen in Deutsch­land aktu­ell teil­wei­se Wochen. Und dies sind nur Bei­spie­le – vie­le Aspek­te des deut­schen Asyl­rechts sind mit den euro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben nicht zu vereinbaren.

Betrof­fe­nen bleibt nur der Klageweg

Solan­ge die Gesetz­ge­bung die euro­pa­recht­lich ver­pflich­ten­de Richt­li­ni­en nicht umsetzt, müs­sen Behör­den und Gerich­te die EU-Richt­li­ni­en unmit­tel­bar anwen­den, sofern sie hin­rei­chend genau und inhalt­lich unbe­dingt ist.  Und das ist bei vie­len Rege­lun­gen der Auf­nah­me- als auch die Asyl­ver­fah­rens­richt­li­nie der Fall. Solan­ge Deutsch­land kein Gesetz zur Umset­zung der neu­en Rege­lun­gen erlas­sen hat, wer­den Flücht­lin­ge über den Gerichts­weg ihre recht­mä­ßi­gen Ansprü­che ein­kla­gen müssen.