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Deutschlandweit wurden und werden - wie hier in Berlin-Hellersdorf - neue Unterkünfte für Flüchtlinge eröffnet. Doch bei der Integration und Unterbringung der Neubürger lässt der Bund die Kommunen im Stich. Foto: flickr / Thomas Rossi Rassloff

Bundesländer und Kommunen fordern dringend mehr Unterstützung bei der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen. Doch der Bund will nicht zahlen. Leidtragende sind die Flüchtlinge und die Kommunen. Und profitieren von der harten Haltung des Bundes dürften am Ende jene, die vor Ort gegen Flüchtlinge hetzen.

Vie­le Kom­mu­nen füh­len sich mit der Auf­nah­me und Inte­gra­ti­on von Flücht­lin­gen allein gelas­sen. Etwa 200.000 Flücht­lin­ge kamen im Jahr 2014 nach Deutsch­land, auch die­ses Jahr wer­den wie­der vie­le Schutz­su­chen­de erwar­tet. Die zen­tra­le Fra­ge ist: Wird die­sen Men­schen hier eine Per­spek­ti­ve eröff­net?  Oder wer­den  zehn­tau­sen­de Men­schen in Sam­mel- oder Not­un­ter­künf­ten iso­liert? Klar ist: Die Kom­mu­nen brau­chen Unter­stüt­zung vom Bund, um Flücht­lin­ge men­schen­wür­dig auf­neh­men und ihnen Inte­gra­ti­ons­chan­cen bie­ten zu können.

Län­der, Kom­mu­nen und Inte­gra­ti­ons­mi­nis­ter drän­gen daher auf mehr Hil­fen von der Bun­des­re­gie­rung. Die Minis­ter­prä­si­den­ten der Bun­des­län­der haben dazu am letz­ten Don­ners­tag bera­ten. Sie sind sich vor allem bei einem einig: Es braucht mehr finan­zi­el­le Hil­fe vom Bund bei der Unter­brin­gung und Gesund­heits­ver­sor­gung von Flücht­lin­gen. Zudem soll der Bund die Sprach­för­de­rung unterstützen.

Auch die Kom­mu­nen selbst äußer­ten sich vor dem Minis­ter­prä­si­den­ten­tref­fen. Sie for­der­ten nach Medi­en­be­rich­ten die Öff­nung der Inte­gra­ti­ons­kur­se, Arbeits­er­laub­nis­se  und mehr Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen – ver­nünf­ti­ge For­de­run­gen, denn all dies wür­de dazu bei­tra­gen, dass Schutz­su­chen­de sich hier inte­grie­ren und bald auf eige­nen Bei­nen ste­hen können.

Bund zeigt Län­dern und Kom­mu­nen die kal­te Schulter

Doch der Bund lehn­te mehr Finanz­hil­fen für die Kom­mu­nen  post­wen­det ab. Fatal ist dies gera­de für finanz­schwa­che Kom­mu­nen: Wenn die Auf­nah­me von Flücht­lin­gen bei der Haus­halts­pla­nung mit dem Erhalt des loka­len Schwimm­bads oder der Erfül­lung ande­rer kom­mu­na­ler Auf­ga­ben kon­kur­riert, gefähr­det das die so oft beschwo­re­ne Will­kom­mens­kul­tur, die tau­sen­de Ehren­amt­li­che vie­ler­orts Rea­li­tät wer­den las­sen. Viel mehr noch: Zu befürch­ten ist, dass die schwie­ri­ge Situa­ti­on in den Kom­mu­nen es Rechts­po­pu­lis­ten erleich­tert, vor Ort Neid und Miss­gunst gegen Schutz­su­chen­de zu schüren.

Inte­gra­ti­on för­dern statt Aus­gren­zung zementieren

Es geht jedoch um mehr als nur kurz­fris­ti­ge finan­zi­el­le Hil­fen. Etwa bei der Sprach­för­de­rung. Bis­her schließt der Bund Asyl­be­wer­ber und gedul­de­te Flücht­lin­ge von den Inte­gra­ti­ons­kur­sen aus. Dadurch ver­ge­hen zum Teil vie­le Jah­re, bevor Flücht­lin­ge Deutsch ler­nen, ankom­men und sich selbst ver­sor­gen kön­nen. Die Inte­gra­ti­ons­mi­nis­ter der Län­der for­der­ten daher bei ihrer Kon­fe­renz am 26. März eine Sprach­för­de­rung von Anfang an. Der Bund äußert sich hier­zu bis­her nicht – dabei ist die For­de­rung seit lan­gem auf dem Tisch. Auch der Koali­ti­ons­ver­trag sieht eine frü­he­re Sprach­för­de­rung vor.

Ähn­li­ches gilt bei der Unter­brin­gung: Eine aus­kömm­li­che Kos­ten­er­stat­tung reicht nicht aus. Es muss dafür gesorgt wer­den, dass Flücht­lin­ge mög­lichst schnell aus den Sam­mel­un­ter­künf­ten aus­zie­hen kön­nen. Nicht nur weil dadurch Platz für Neu­an­kom­men­de geschaf­fen wird und den Kom­mu­nen teu­re Not­lö­sun­gen wie Con­tai­ner­un­ter­künf­te erspart blie­ben, son­dern vor allem weil eine Lan­ge Ver­weil­dau­er in Groß­un­ter­künf­ten Flücht­lin­ge krank macht und ihre Inte­gra­ti­on behindert.

Ein Aus­zug von Flücht­lin­gen aus den Sam­mel­un­ter­künf­ten wird jedoch durch die der­zei­ti­ge Geset­zes­la­ge behin­dert. Wenn Asyl­su­chen­de in Woh­nun­gen von Ver­wand­ten oder Ange­hö­ri­gen in ande­ren Städ­ten zie­hen wol­len, ver­bie­tet ihnen dies die bun­des­wei­te Wohn­sitz­nah­me­pflicht. Zudem haben ver­schie­de­ne Bun­des­län­der eine soge­nann­te „Lager­pflicht“, die Flücht­lin­gen den Aus­zug aus  Sam­mel­un­ter­künf­ten verbietet.

Es ist Zeit für sozia­len Wohnungsbau

Dazu kommt: In Bal­lungs­räu­men fehlt es an Wohn­raum. Und zwar wohl gemerkt nicht nur für Flücht­lin­ge. Denn gene­rell wer­den in vie­len Groß­städ­ten Gering­ver­die­nen­de und hilfs­be­dürf­ti­ge Men­schen aus ihrem bis­he­ri­gen Wohn­um­feld ver­drängt oder in unzu­mut­ba­re Wohn­si­tua­tio­nen gezwun­gen. Doch statt den sozia­len Woh­nungs­bau zu ver­stär­ken wur­den und wer­den  Alt­be­stän­de des sozia­len Woh­nungs­baus vie­ler­orts weit­ge­hend pri­va­ti­siert. Zudem ver­lie­ren jedes Jahr min­des­tens 100.000 Woh­nun­gen ihren frü­he­ren Sta­tus als Sozialwohnung.

Es braucht daher drin­gend ein breit ange­leg­tes staat­li­ches Woh­nungs­bau­pro­gramm, damit Men­schen, die über wenig Geld ver­fü­gen, auf dem vie­ler­orts ange­spann­ten Woh­nungs­markt eine Chan­ce haben. Sei­en es Erwerbs­lo­se, Allein­er­zie­hen­de, Men­schen mit klei­ner Ren­te oder mit wenig Ein­kom­men – oder Men­schen, die auf der Flucht alles ver­lo­ren haben außer ihr Leben.