In den vergangenen zwei Jahren gab es viele Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht, die auch die rechtliche Situation von Geduldeten stark verändert haben. Einige der Änderungen werden hier dargestellt.

Im Jahr 2015 waren in Deutsch­land über 150.000 Men­schen nur gedul­det. Die Dul­dung fin­det sich in § 60a Abs. 2–4 des Auf­ent­halts­ge­set­zes. Sie ist kein Auf­ent­halts­ti­tel, son­dern beschei­nigt ledig­lich die vor­über­ge­hen­de Aus­set­zung der Abschie­bung. PRO ASYL emp­fiehlt Gedul­de­ten auf­grund der vie­len Ände­run­gen Kon­takt mit Flücht­lings­be­ra­tungs­stel­len oder Anwält*innen auf­zu­neh­men und für ihre indi­vi­du­el­le Situa­ti­on zu unter­su­chen, ob sich ihre Lage durch die neu­en Asyl­ge­set­ze ver­än­dert hat.

Ein Über­blick über eini­ge Ände­run­gen (auch als PDF):

In den ers­ten drei Mona­ten nach Ein­rei­se ist es Asyl­su­chen­den und Gedul­de­ten nicht erlaubt, eine Arbeit auf­zu­neh­men. Nach drei Mona­ten ent­fällt das Arbeits­ver­bot, es sei denn, die Men­schen befin­den sich noch in einer Lan­des­un­ter­kunft (§ 61 Abs.1 AsylG). Für vie­le Gedul­de­te gilt dann aber für den Zeit­raum von 15 Mona­ten die soge­nann­te Vor­rang­prü­fung, d.h. deut­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge, Unionsbürger*innen und Migrant*innen mit fes­tem Auf­ent­halts­ti­tel sind bei der Arbeits­auf­nah­me gegen­über Gedul­de­ten vor­ran­gig zu berück­sich­ti­gen. Durch das neue Inte­gra­ti­ons­ge­setz ist die Vor­rang­prü­fung in den­je­ni­gen Städ­ten und Kom­mu­nen abge­schafft, in denen die Arbeits­lo­sen­quo­te unter­durch­schnitt­lich ist. Die jewei­li­gen Bezir­ke sind in der Anla­ge zur Berufs­aus­übungs­be­schäf­ti­gungs­ver­ord­nung auf­ge­lis­tet . Dort kön­nen Gedul­de­te also unbe­schränkt nach Arbeit suchen. Gilt für sie die Vor­rang­prü­fung, muss ihr kon­kre­tes Arbeits­an­ge­bot erst durch die Bun­des­agen­tur für Arbeit geprüft wer­den. Die Behör­de hat hier­zu 14 Tage Zeit und muss ihre Ent­schei­dung dann der Aus­län­der­be­hör­de mit­tei­len. Die Aus­län­der­be­hör­de selbst unter­liegt kei­ner Frist, in der sie Gedul­de­ten eine Rück­mel­dung über die Arbeits­auf­nah­me geben muss. Es lohnt sich daher nach 14 Tagen bei der Aus­län­der­be­hör­de nach­zu­fra­gen und auf eine Mit­tei­lung der Ent­schei­dung zu drän­gen. Selbst wenn all die­se Schrit­te funk­tio­nie­ren, kann die Aus­län­der­be­hör­de noch Arbeits­ver­bo­te an Gedul­de­te aus­spre­chen. Die­se kön­nen ggf. auf gericht­li­chem Weg über­prüft werden.

Nach 4 Mona­ten dür­fen Gedul­de­te mit einem aus­län­di­schen Hoch­schul- oder Aus­bil­dungs­ab­schluss in Man­gel­be­ru­fen arbei­ten (Inge­nieu­re, Ärz­te etc.). Eine aktu­el­le Lis­te der Man­gel­be­ru­fe fin­det sich auf: www.mangelberufe.de.

Gedul­de­te dür­fen in Deutsch­land stu­die­ren. Oft erge­ben sich aber prak­ti­sche Pro­ble­me an den Hoch­schu­len, z.B. indem Zeug­nis­se ver­langt wer­den, die die Per­son nicht nach­wei­sen kann. Aber in den letz­ten Jah­ren haben vie­le Hoch­schu­len ihre Zulas­sungs­pra­xis ver­än­dert. Es emp­fiehlt sich daher im Vor­hin­ein zu über­prü­fen, wel­che Nach­wei­se eine Hoch­schu­le bei der Auf­nah­me eines Stu­di­ums verlangt.

Gedul­de­te kön­nen in Deutsch­land für ihr Stu­di­um und ihre Aus­bil­dung Unter­stüt­zung auf staat­li­che För­de­rung bean­tra­gen (BaföG). Seit dem 1.1.2016 müs­sen sie sich zuvor nur noch 15 Mona­te dau­er­haft in Deutsch­land auf­ge­hal­ten haben, um BaföG bean­tra­gen zu kön­nen. Im Sozi­al­ge­setz­buch wur­den Son­der­be­stim­mun­gen erlas­sen, die wei­te­re För­de­run­gen der Aus­bil­dung betref­fen. Die Son­der­re­ge­lun­gen gel­ten nur für Maß­nah­men und Anträ­ge auf Bei­hil­fe, die bis zum 31.12.2018 ergan­gen sind, gestellt wur­den oder begon­nen haben. Bei den Son­der­re­ge­lun­gen wird aber eine Unter­schei­dung zwi­schen Flücht­lin­gen mit „guter“ und mit „schlech­ter“ Blei­be­per­spek­ti­ve getrof­fen. Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der bei denen ein recht­mä­ßi­ger und dau­er­haf­ter Auf­ent­halt zu erwar­ten ist (respek­ti­ve Asyl­su­chen­de aus Her­kunfts­staa­ten mit einer hohen Aner­ken­nungs­quo­te, der­zeit Iran, Irak, Syri­en, Eri­trea und Soma­lia) sol­len berufs­vor­be­rei­ten­de Bil­dungs­maß­nah­men, aus­bil­dungs­be­glei­ten­de Hil­fen und Unter­stüt­zung aus der assis­tier­ten Aus­bil­dung erhal­ten, wenn ihr Auf­ent­halt bereits seit drei Mona­ten gestat­tet ist, bei Gedul­de­ten ver­län­gert sich die Frist auf zwölf Mona­te (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SGB III). Berufs­aus­bil­dungs­bei­hil­fe und Aus­bil­dungs­geld erhält, wer seit 15 Mona­ten einen gestat­te­ten Auf­ent­halt in Deutsch­land hat, Gedul­de­te haben erst nach sechs Jah­ren Anspruch.

Asyl­su­chen­de aus siche­ren Her­kunfts­staa­ten sol­len aus die­ser Rege­lung her­aus­fal­len. Nur wenn sie nicht in einer Auf­nah­me­ein­rich­tung woh­nen, sol­len sie über­haupt die Mög­lich­keit im Ein­zel­fall erhal­ten Berufs­aus­bil­dungs­bei­hil­fe zu bekom­men. Für eine berufs­vor­be­rei­ten­de Bil­dungs­maß­nah­me wer­den zusätz­lich Kennt­nis­se der deut­schen Spra­che erwartet.

Seit 6. August 2016 besteht für die Dau­er einer Aus­bil­dung ein Anspruch auf die Ertei­lung der Dul­dung. Für die gesam­te Dau­er der Aus­bil­dung droht Gedul­de­ten damit kei­ne Abschie­bung. Die Rege­lung greift aber nur, wenn auch die zustän­di­ge Aus­län­der­be­hör­de der Auf­nah­me einer Aus­bil­dung zuge­stimmt hat und noch kei­ne kon­kre­ten Abschie­bungs­maß­nah­men bevor­ste­hen. Nach Been­di­gung der Aus­bil­dung besteht zudem Anspruch auf Ertei­lung einer Auf­ent­halts­er­laub­nis, wenn der/die Gedul­de­te eine dem Abschluss ent­spre­chen­de Beschäf­ti­gung auf­neh­men will. Auch Per­so­nen aus siche­ren Her­kunfts­staa­ten sind nicht mehr kate­go­risch von der Dul­dung wäh­rend der Aus­bil­dung aus­ge­schlos­sen. Jedoch bekom­men sie kei­ne Dul­dung für die Aus­bil­dung, wenn sie nach dem 31.08.2015 nach Deutsch­land ein­ge­reist sind und hier ihr Asyl­an­trag end­gül­tig abge­lehnt wur­de. Sie können/müssen nach Ablauf der Ein­rei­se­sper­ren aus ihren Her­kunfts­staa­ten die Aus­bil­dungs- oder Arbeits­er­laub­nis beantragen.

In den ers­ten 15 Mona­ten des Auf­ent­halts in Deutsch­land erhal­ten Gedul­de­te Leis­tun­gen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz (Asyl­blG). Die­se Leis­tun­gen sind etwas nied­ri­ger als der in Deutsch­land gül­ti­ge Hartz-IV-Satz. Neben dem Anspruch auf Grund­leis­tun­gen (Unter­kunft, Klei­dung, Nah­rung) haben Gedul­de­te auch das Anrecht auf das sozio-kul­tu­rel­le Exis­tenz­mi­ni­mum. Die­ses beträgt aktu­ell 143 Euro, das Gedul­de­ten die Teil­ha­be am poli­ti­schen, kul­tu­rel­len und sozia­len Leben ermög­li­chen soll. Im bes­ten Fal­le bekom­men Gedul­de­te die­sen Betrag bar aus­ge­zahlt, damit sie selbst­stän­dig mit dem Geld umge­hen kön­nen. In eini­gen Bun­des­län­dern erhal­ten Gedul­de­te jedoch nur oder über­wie­gend Sach­leis­tun­gen. Durch die­sen büro­kra­ti­schen Auf­wand kann es in der Pra­xis dazu kom­men, dass Gedul­de­ten fak­tisch ihr Anspruch auf das sozio­kul­tu­rel­le Exis­tenz­mi­ni­mum ver­wehrt bleibt, da sich die Sozi­al­be­hör­de wei­gert, bestimm­te Leis­tun­gen zu erbrin­gen. In die­sen Fäl­len soll­te den­noch auf die Umset­zung des Anspruchs gedrängt wer­den, womög­lich durch die Hil­fe von ehren­amt­li­chen Unterstützer*innen.

Nach 15 Mona­ten erhal­ten Gedul­de­te Ana­log­leis­tun­gen nach dem Sozialgesetzbuch.

Durch die jüngs­ten Asyl­rechts­ver­schär­fun­gen wur­den Grün­de in das Gesetz ein­ge­führt, unter denen Gedul­de­ten ihr Anspruch auf das sozio­kul­tu­rel­le Exis­tenz­mi­ni­mum nach Asyl­blG ver­wehrt wer­den kann. Gedul­de­te kön­nen hier­von betrof­fen sein, wenn sie

  • nach Ansicht der Aus­län­der­be­hör­de nur nach Deutsch­land ein­ge­reist sind, um Leis­tun­gen nach dem Asyl­blG zu beziehen,
  • für sie ein Aus­rei­se­ter­min fest­steht, es sei denn die Aus­rei­se konn­te aus Grün­den, die sie nicht zu ver­tre­ten haben, nicht durch­ge­führt werden,
  • bei ihnen aus von ihnen selbst zu ver­tre­ten­den Grün­den kei­ne auf­ent­halts­be­en­di­gen­den Maß­nah­men durch­ge­führt wer­den können,
  • wenn sie als arbeits­fä­hi­ge, nicht erwerbs­t­tä­ti­ge Leis­tungs­be­rech­tig­te, die Wahr­neh­mung einer ihnen zur Ver­fü­gung gestell­ten Arbeits­ge­le­gen­heit nicht wahrnehmen,
  • sie eine Flücht­lings­in­te­gra­ti­ons­maß­nah­me durch ihr Ver­hal­ten verhindern
  • oder sie an einem Inte­gra­ti­ons­kurs nicht teilnehmen.

Die Leis­tungs­kür­zun­gen wider­spre­chen einem Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts von 2012, das die Leis­tun­gen für Gedul­de­te nach dem Asyl­blG betraf. Es lohnt sich daher, gegen Leis­tungs­kür­zun­gen auch gericht­lich vorzugehen.

Gedul­de­te erhal­ten in den ers­ten 15 Mona­ten ihres Auf­ent­halts medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung nach dem Asyl­blG. Das heißt, sie haben nur in aku­ten Not­fäl­len oder zur Lin­de­rung von Schmerz­zu­stän­den Anspruch auf Gesund­heits­ver­sor­gung ohne Erlaub­nis der Behör­de. Eben­falls ist medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung im Fal­le einer Schwan­ger­schaft, bei amt­lich emp­foh­le­nen Imp­fun­gen oder bei chro­ni­schen Erkran­kun­gen zu gewäh­ren, die dro­hen akut zu wer­den. In allen ande­ren Fäl­len müs­sen sich Gedul­de­te bei der Sozi­al­be­hör­de jeweils einen Berech­ti­gungs­schein für den Besuch von Ärzt*innen aus­stel­len las­sen. Nach Ablauf von 15 Mona­ten bekom­men sie die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung die den Leis­tun­gen nach der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung ent­spricht. Doch auch hier kann die Aus­län­der­be­hör­de den Wech­sel in das Sozi­al­ge­setz­buch verweigern.

In eini­gen Bun­des­län­dern wie Ham­burg, Bre­men und Nord­rhein-West­fa­len gibt es Gesund­heits­kar­ten. Mit die­sen kön­nen Gedul­de­te bereits vor Ablauf der 15 Mona­te ohne Erlaub­nis der Sozi­al­be­hör­de Ärzt*innen aufsuchen.

Eine Über­sicht des medi­zi­ni­schen Leis­tungs­um­fangs fin­det sich auf der Sei­te der Medi­bü­ros, dort ist auch beschrie­ben, was unter dem sehr offe­nen Begriff „Schmerz­zu­stän­de“ zu ver­ste­hen ist.

Gedul­de­te kön­nen nicht kos­ten­los an einem Inte­gra­ti­ons­kurs teil­neh­men. Sie kön­nen zudem erst dann an einem Inte­gra­ti­ons­kurs teil­neh­men, wenn es freie Plät­ze gibt – einen Anspruch haben sie nicht.

Am 19.06.2016 ist das Zah­lungs­kon­to­ge­setz in Kraft getre­ten. Jetzt haben auch Gedul­de­te Anspruch auf Eröff­nung eines Basis­kon­tos. Vor­her war ihnen dies oft ver­wehrt, da das Geld­wä­sche­ge­setz ein amt­li­ches Iden­ti­täts­pa­pier mit Licht­bild zur Kon­to­er­öff­nung ver­langt und die Dul­dungs­pa­pie­re die­se Vor­aus­set­zun­gen nicht erfül­len. Der Gesetz­ge­ber hat jetzt gehan­delt, weil die euro­päi­sche Zah­lungs­kon­ten­richt­li­ni­en allen Men­schen einen dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Zugang zu Bank­kon­ten gewährt.

Auf der Sei­te der Bun­des­an­stalt für Finanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht (Bafin) fin­det sich der Antrag für das Basiskonto.

Gedul­de­te unter­lie­gen in den ers­ten drei Mona­ten ihres Auf­ent­halts der Resi­denz­pflicht, d.h. sie dür­fen die Gren­zen des Bun­des­lan­des in dem sie sich auf­hal­ten, nicht ohne Erlaub­nis der Behör­den ver­las­sen. Befin­den sie sich nach der Ableh­nung ihres Antrags noch in den Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen, ver­län­gert sich die Resi­denz­pflicht ent­spre­chend und gilt nur für den Bezirk der für sie zustän­di­gen Ausländerbehörde.

Unter bestimm­ten Bedin­gun­gen kann die Aus­län­der­be­hör­de die Resi­denz­pflicht auch nach Ablauf der drei Mona­te anwen­den. Dies ist mög­lich, wenn

  • der Gedul­de­te rechts­kräf­tig wegen einer Straf­tat, nicht aber wegen einer aus­län­der­recht­li­chen Straf­tat, ver­ur­teilt wurde,
  • wenn ein Tat­ver­dacht gegen den Gedul­de­ten besteht, gegen das Betäu­bungs­mit­tel­ge­setz ver­sto­ßen zu haben,
  • und wenn kon­kre­te Maß­nah­men zur Auf­ent­halts­be­en­di­gung bevorstehen.

Gedul­de­te kön­nen ihren Wohn­ort nicht frei wäh­len. Sie müs­sen sich an dem Ort auf­hal­ten, der ihnen im Asyl­ver­fah­ren zuge­wie­sen wur­de. Gedul­de­te kön­nen zwar einen „Umver­tei­lungs­an­trag“ stel­len, wenn sie in eine ande­re Kom­mu­ne möch­ten. Die Erfolgs­aus­sich­ten sind jedoch gering. Der Antrag muss auf jeden Fall mit guten Grün­den ver­se­hen wer­den, z.B. dass Ver­wand­te in der Kom­mu­ne woh­nen oder die rea­lis­ti­sche Chan­ce auf eine Arbeits­stel­le besteht.

Auch die Woh­nung kön­nen sich Gedul­de­te nicht frei aus­su­chen. Vie­le müs­sen in Sam­mel­un­ter­künf­ten dau­er­haft woh­nen. Anträ­ge auf Unter­brin­gung in einer Pri­vat­woh­nung, inklu­si­ve der ent­spre­chen­den staat­li­chen För­de­rung sind mög­lich, die Behör­den müs­sen dem Antrag aber nicht entsprechen.

Die Pra­xis ist in den jewei­li­gen Bun­des­län­dern sehr unter­schied­lich und kann hier nicht umfas­send dar­ge­stellt werden.

Bleiberecht für Erwachsene

Neu ist das Blei­be­recht für Gedul­de­te mit soge­nann­ter „nach­hal­ti­ger Inte­gra­ti­on“. Per­so­nen, die gedul­det in Deutsch­land leben, erhal­ten nun nach einem Auf­ent­halt von 8 Jah­ren eine dau­er­haf­te Blei­be­per­spek­ti­ve. Per­so­nen mit Fami­lie und min­der­jäh­ri­gen Kin­dern erhal­ten die Blei­be­per­spek­ti­ve schon nach 6 Jah­ren. Bei­des regelt § 25b des Auf­ent­halts­ge­set­zes. Erfor­der­lich sind gute Deutsch­kennt­nis­se (A2) und die über­wie­gen­de Pro­gno­se, den eige­nen Lebens­un­ter­halt absi­chern zu kön­nen. Bei alten, kran­ken und behin­der­ten Men­schen gel­ten die­se Anfor­de­run­gen aber nicht unbe­dingt, son­dern im Ein­zel­fall kön­nen Abstri­che gemacht werden.

Unter Deutsch­kennt­nis­sen nach dem Niveau A2 wer­den Sprach­kennt­nis­se ver­stan­den, die dafür sor­gen, dass sich eine Per­son im All­tag gut ver­ständ­lich machen kann. Es geht bei­spiels­wei­se dar­um, in deut­scher Spra­che ver­ständ­lich zu machen, wo die Per­son beschäf­tigt ist, mit wem sie ver­wandt ist, was sie ein­kau­fen will etc. Die Sprach­kennt­nis­se müs­sen im Rah­men einer Prü­fung bzw. eines Tests nach­ge­wie­sen werden.

Wei­ter­hin wird aus­rei­chen­der Wohn­raum vor­aus­ge­setzt. Es han­delt sich dabei um einen offe­nen Rechts­be­griff, der im Gesetz nicht ein­deu­tig defi­niert ist. Teil­wei­se wird die Bestim­mung in § 2 Absatz 4 Auf­ent­halts­ge­setz aus­ge­führt. Dort heißt es, der Wohn­raum müs­se dem Niveau einer Sozi­al­woh­nung ent­spre­chen (dies steht in der All­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­vor­schrift zum Auf­ent­halts­ge­setz Punkt 2.4.2): dies umfasst eine abge­schlos­se­ne Woh­nung mit Küche, WC und Bad sowie 10–12 Qua­drat­me­ter pro Fami­li­en­mit­glied. Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind für Gedul­de­te oft nicht zu erfül­len, da sie über lan­ge Zeit an der Anmie­tung einer ent­spre­chen­den Woh­nung gehin­dert wur­den. Erfor­der­lich dürf­te nur sein, dass über­haupt eine Unter­brin­gung gewähr­leis­tet ist. Hier­zu kön­nen auch Gemein­schafts­un­ter­künf­te zählen.

Das Gesetz ver­langt aber, dass die Per­son ihren Lebens­un­ter­halt über­wie­gend eigen­stän­dig durch Arbeit sichern kann oder dies in abseh­ba­rer Zeit kann, wenn die Aus­bil­dung oder das Stu­di­um been­det ist. Dies bedeu­tet nicht, dass die Per­son über­haupt kei­ne Sozi­al­leis­tun­gen in Anspruch neh­men darf, bei­spiels­wei­se ist ein Bezug von Wohn­geld oder vor­über­ge­hend auch Sozi­al­leis­tun­gen gestat­tet (vor allem bei Stu­die­ren­den und Aus­zu­bil­den, allein­er­zie­hen­den Eltern oder Fami­li­en mit min­der­jäh­ri­gen Kin­dern). Zwar kann die zustän­di­ge staat­li­che Behör­de immer noch dar­über ent­schei­den, ob die Per­son ein Blei­be­recht auf Grund­la­ge einer Pro­gno­se über ihre Lebens­ver­hält­nis­se erhält. Jedoch ist das Gesetz so for­mu­liert, dass die Behör­de der Per­son eine siche­re Blei­be­per­spek­ti­ve gewäh­ren soll. Die Behör­de hät­te daher bei der Ver­wei­ge­rung eines Auf­ent­halts­rechts einen hohen Begründungsaufwand.

Das dau­er­haf­te Blei­be­recht kommt auch dem Ehegatten/dem Lebens­part­ner und min­der­jäh­ri­gen Kin­dern zugute.

Wie bei ande­ren Rege­lun­gen auch, kann die Auf­ent­halts­er­laub­nis ver­sagt wer­den, wenn die Per­son die Behör­den durch vor­sätz­li­che fal­sche Infor­ma­tio­nen getäuscht hat, ins­be­son­de­re über die eige­ne Iden­ti­tät. Da in der Ver­gan­gen­heit eini­ge Aus­län­der­be­hör­den die Iden­ti­tät von Gedul­de­ten trotz ein­deu­ti­ger Bewei­se ange­zwei­felt haben, könn­ten sich aus die­ser Rege­lung die­sel­ben prak­ti­schen Pro­ble­me wie vor der neu­en Blei­be­rechts­re­ge­lung ergeben.

Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche

Jugend­li­che kön­nen jetzt deut­lich schnel­ler ein Blei­be­recht erhal­ten. Wenn sie sich 4 Jah­re lang unun­ter­bro­chen in Deutsch­land auf­ge­hal­ten und die Schu­le besucht oder einen Berufs­ab­schluss haben, erhal­ten sie ein Blei­be­recht wie § 25a Auf­ent­halts­ge­setz fest­legt. Hier­von umfasst sind auch die Ehe­gat­ten, Lebens­part­ner und min­der­jäh­ri­gen Kin­der von Per­so­nen, die ein Blei­be­recht auf­grund die­ser Rege­lung erhal­ten. Auch die Eltern kön­nen ein Blei­be­recht erhal­ten, dies muss aber indi­vi­du­ell geprüft wer­den. Die Jugend­li­chen müs­sen i.d.R. einen vier­jäh­ri­gen Schul­be­such oder einen Schul­ab­schluss vor dem 21. Lebens­jahr vor­wei­sen, ansons­ten müs­sen sie sich nach der Blei­be­rechts­re­ge­lung für lang­jäh­rig Gedul­de­te rich­ten (§ 25b Auf­ent­halts­ge­setz). Ihr Antrag auf Ertei­lung eines dau­er­haf­ten Auf­ent­halts­rechts muss bis zur Voll­endung ihres 21. Lebens­jahrs gestellt wor­den sein. Durch das Ras­ter fal­len folg­lich alle jun­gen Flücht­lin­ge, die nach ihrem 17. Lebens­jahr ein­ge­reist sind: Sie haben schlicht nicht die Mög­lich­keit, bis zum 21. Lebens­jahr einen vier­jäh­ri­gen Auf­ent­halt vor­zu­wei­sen. Von der Blei­be­rechts­re­ge­lung für gut Inte­grier­te kön­nen sie dann aber erst pro­fi­tie­ren, wenn sie seit min­des­tens acht Jah­ren in Deutsch­land gelebt haben.

Aus­le­gungs­be­dürf­tig ist auch das Kri­te­ri­um „unun­ter­bro­chen“. Gera­de Schüler*innen ver­las­sen manch­mal das Land für einen Aus­lands­auf­ent­halt oder eine Klas­sen­fahrt. Unter „unun­ter­bro­chen“ ist vor allem zu ver­ste­hen, dass die Per­son wäh­rend der gesam­ten Zeit eine rechts­gül­ti­ge Dul­dung hat, ein erlaub­ter Aus­lands­auf­ent­halt im Rah­men des Schul­be­suchs fällt also nicht dar­un­ter. Für gedul­de­te Jugend­li­che gibt es die Mög­lich­keit an einer Klas­sen­fahrt im Aus­land teil­zu­neh­men, wenn soge­nann­ten Schü­ler­sam­mel­lis­ten ver­wen­det wer­den. Dies ist ein Rei­se­do­ku­ment, mit dem Schul­klas­sen ins Aus­land rei­sen kön­nen, selbst wenn ein­zel­ne Schüler*innen nicht über die dafür nöti­gen Papie­re ver­fü­gen. Die Sam­mel­lis­te ersetzt dann den feh­len­den Aufenthaltstitel.

Die jugend­li­chen Schü­le­rin­nen und Schü­ler müs­sen einen erfolg­rei­chen Schul­be­such vor­wei­sen. Dar­un­ter fällt min­des­tens der Besuch der Haupt­schu­le mit der Pro­gno­se die­se mit einem Abschluss zu been­den. Das heißt: Hier kön­nen von der Aus­län­der­be­hör­de auch Zeug­nis­se ein­ge­se­hen wer­den. Neben den wei­ter­füh­ren­den Schu­len fal­len auch För­der­schu­len, Berufs­fach­schu­len und alle ande­ren öffent­lich aner­kann­ten Schu­len dar­un­ter. Der Rege­lung liegt der Zweck zugrun­de, dass die Flücht­lin­ge ihr Leben in Eigen­ver­ant­wor­tung und mit eige­nen finan­zi­el­len Mit­teln gestal­ten können.

Als letz­te Vor­aus­set­zung dür­fen kei­ne Anhalts­punk­te dafür bestehen, dass der oder die Ausländer/in sich nicht zur frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung bekennt. Die­ser Begriff ist recht­lich sehr offen gehal­ten, betrifft aber nicht poli­ti­sches Enga­ge­ment mit einer gewis­sen Radi­ka­li­tät per se. In der Pra­xis dürf­te hier vor allem eine Rol­le spie­len, ob sich die Per­son in ver­fas­sungs­feind­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen enga­giert. Von einer rigo­ro­sen Anwen­dung bei einem Enga­ge­ment in ande­ren poli­ti­schen Zusam­men­hän­gen oder gar bei lega­len Flücht­lings­pro­tes­ten ist erst ein­mal nicht auszugehen.

Die Abschie­bungs­re­geln für aus­rei­se­pflich­ti­ge Per­so­nen wur­den deut­lich ver­schärft. So darf z.B. der Ter­min für die Abschie­bung den betrof­fe­nen Per­so­nen im Vor­aus nicht mehr ange­kün­digt wer­den. Den­noch gibt es Mög­lich­kei­ten, den Ter­min der Abschie­bung zu erfah­ren. Gedul­de­te, ihre Unterstützer*innen oder Anwält*innen kön­nen eigen­stän­dig bei der Aus­län­der­be­hör­de den Ter­min erfra­gen oder Akten­ein­sicht bean­tra­gen, wobei der Ter­min der Abschie­bung nicht in jeder Akte zu fin­den sein dürf­te. Man­che Aus­län­der­be­hör­den tei­len dar­auf­hin den Ter­min mit, ande­re benen­nen ledig­lich einen Zeit­raum, in dem die Abschie­bung durch­ge­führt wird und wie­der­um ande­re schwär­zen die ent­spre­chen­den Stel­len. Da die Nicht­an­kün­di­gung der Abschie­bung in vie­len Fäl­len, bspw. bei Fami­li­en mit Kin­dern, unver­hält­nis­mä­ßig ist, lohnt sich eine Kla­ge auf Ankün­di­gung des Termins.

Im Gesetz fin­det sich nun­mehr eine Ver­mu­tung, dass gesund­heit­li­che Grün­de der Abschie­bung nicht ent­ge­gen­ste­hen. Betrof­fe­ne sol­len unver­züg­lich, d.h. nicht län­ger als zwei Wochen, eine qua­li­fi­zier­te ärzt­li­che Beschei­ni­gung bei­brin­gen. Aus­ge­schlos­sen von die­sem Begriff sol­len psy­cho­lo­gi­sche Stel­lung­nah­men und Gut­ach­ten sein. Post­trau­ma­ti­sche Belas­tungs­stö­run­gen sol­len eben­falls nicht mehr als schwer­wie­gen­de Erkran­kung aner­kannt wer­den. Die qua­li­fi­zier­te ärzt­li­che Beschei­ni­gung muss u.a. fol­gen­des ent­hal­ten: die tat­säch­li­chen Umstän­de der fach­li­chen Beur­tei­lung, die Metho­de der Tat­sa­chen­er­he­bung, die Dia­gno­se, der Schwe­re­grad der Erkran­kung und die Fol­gen, die sich aus der krank­heits­be­ding­ten Situa­ti­on erge­ben. Auf der Sei­te der BafF fin­den sich ent­spre­chen­de Hinweise.

Betrof­fe­ne soll­ten beim Vor­lie­gen von der Abschie­bung ent­ge­gen­ste­hen­den Krank­hei­ten des­halb sehr schnell ver­su­chen, ein ent­spre­chen­des Attest bei einem Arzt/einer Ärz­tin zu bekom­men. Die Ärzt*innen soll­ten zudem beim Vor­lie­gen von psy­chi­schen Erkran­kun­gen psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Fach­kennt­nis­se einholen.


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